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Verlorener Glanz. Bei der Eröffnung 1957 war das Hansaviertel der Stolz der Stadt.

© imago images/serienlicht

Unklare Zuständigkeiten in Berlin: Warum eine defekte Leiste am Hansaplatz die Anwohner ärgert

Das Hansaviertel möchte nach wie vor ins UNESCO-Weltkulturerbe aufgenommen werden. Doch die Berliner Nachkriegsmoderne braucht Pflege.

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Theorie und Wirklichkeit klaffen in Berlin gern mal auseinander. Dabei sind es nur ein paar Schritte vom Hansaplatz in Mitte bis zur Akademie der Künste. Dort diskutiert man am Mittwoch im Rahmen eines „Internationalen Wissenschaftlichen Kolloquiums“ über „Architektur und Städtebau der Berliner Nachkriegsmoderne“.

Am Hansaplatz ärgern sich Anwohner und Passanten seit mehreren Jahren über eine defekte Leiste an der Überdachung des Geschäftszentrums, die eigentlich das denkmalgeschützte Dach abblenden soll und immer weiter abfällt. Auch aus der Holzverkleidung unter dem Innendach hängen schon länger Strippen heraus.

Ein Anwohner erzählt, dass der Besitzer und das Landesdenkmalamt seit Jahren über die richtige Farbe der Blende stritten und sich nicht einigen könnten. Eine andere Anwohnerin glaubt, dass es am Kompetenzen-Wirrwarr innerhalb Bezirksamts liegt, dass sich da nichts tut.

Zuständig ist das Bezirksamt

Olav Bendzko, Geschäftsführer der Castell Wohnungs GmbH, der einige der Läden dort gehören, sagt, dass das Bezirksamt Mitte für die Beseitigung der Schäden zuständig sei, da die betroffenen Dachbereiche auf öffentlichen Grundstücken stehen. Er habe sich deshalb bereits mehrfach ans Bezirksamt gewandt, leider vergeblich. Auf die Beantwortung seiner bislang letzten Mail in dieser Sache warte er schon mehr als ein Jahr.

Große Herausforderung. Die defekte Dachverblendung überfordert die Behörden.  

© Foto: Tsp/Kitty Kleist-Heinrich

Im Moment wisse im Bezirksamt der eine nicht, was der andere tut, vermutet Brigitta Voigt, die 1. Vorsitzende des Bürgervereins Hansaviertel. Andere haben den Eindruck, dass ganz offensichtlich gar nichts getan werde.

Unterdessen haben sich Studenten in Leipzig Gedanken gemacht, was man aus dem Platz alles machen könnte: Beste Lage, Innenstadt und gleichzeitig viel Grün, außerdem denkmalgeschützt. Es könnte ein absoluter Vorzeigeplatz sein, wie einst in den Anfängen, wenn sich nur jemand dafür zuständig fühlen würde.

Veränderungen sind genehmigungspflichtig

Auf eine Nachfrage des Tagesspiegels verweist die Sprecherin des Landesdenkmalamts auf die „unteren Denkmalschutzbehörden in den Bezirken“, die für alle Ordnungsaufgaben zuständig seien und dann „im Einvernehmen mit der Denkmalfachbehörde entscheiden“.

Die „untere Denkmalschutzbehörde“ könne auch Auskunft darüber geben, wann die Blende erneuert werden soll. Nach Auskunft des Bezirksamts Mitte ist „jede Maßnahme und Veränderung am Denkmal denkmalrechtlich genehmigungspflichtig“.

Ein Zeitpunkt der Reparatur ist dem Denkmalschutz nicht bekannt.

Sprecher des Bezirksamts Mitte

Der jeweilige Eigentümer müsse einen Antrag auf denkmalrechtliche Genehmigung stellen und erhalte dann einen Bescheid: „Im vorliegenden Teilbereich ist davon auszugehen, dass das Straßen- und Grünflächenamt Eigentümer dieses Abschnitts ist. Ein Zeitpunkt der Reparatur ist dem Denkmalschutz nicht bekannt.“

Offenbar reichen die Kapazitäten nicht für eine Verständigung innerhalb des Bezirksamtes, und auch nicht für die Beauftragung von versierten Handwerkern. Weiter heißt es, dass aufgrund der zahlreichen Anträge und Anfragen der Fachbereich Denkmalschutz derzeit personell nicht in der Lage sei, „die Beseitigung derartiger Mängel einzufordern“.

Kein Grund zur Eile

Der Unternehmer Olav Bendzko schlägt mit milder Ironie vor, dass da einfach mal ein handwerklich versierter Mensch ein paar passende Holzbretter in die Hand nehmen müssen.

Das sind keine guten Voraussetzungen für eine erneute Bewerbung um das UNESCO-Weltkulturerbe. Die Empfehlung der Kommission bezüglich UNESCO-Welterbe-Status werde aber erst im Frühjahr 2023 fallen, die Entscheidung, ob „Berlin: Karl-Marx-Allee und Interbau 1957. Architektur und Städtebau der Nachkriegsmoderne“ auf die nationale Liste kommen, sei, wenn es ein positives Votum gebe, für den Herbst vorgesehen, heißt es im Bezirksamt Mitte. Einen Grund zur Eile sieht man dort offensichtlich nicht.

Ein runder Tisch könnte helfen

Vor einer erneuten Bewerbung um das UNESCO-Weltkulturerbe sollten die Reparaturen in Angriff genommen werden. Immerhin konnte einst nach nur zwei Jahren Bauzeit das von den berühmtesten Architekten jener Zeit entworfene Hansaviertel 1957 schon eröffnet werden.

„Der Bezirk muss endlich seiner Verantwortung gerecht werden“, sagt Brigitta Voigt. Es reiche nicht, immer nur darüber zu reden und Aufgaben abzuschieben. Sie setzt auf Kommunikations-Coaching und hofft darauf, spätestens im ersten Quartal 2023 alle Betroffenen um einen Tisch zu versammeln für eine Aussprache mit konkreten Folgen.

Der Stadtrat für Stadtentwicklung, Ephraim Gothe (SPD) soll kommen, und auch seine für Ordnung, Umwelt, Natur, Straßen und Grünflächen zuständige Kollegin Almut Neumann, soll dabei sein. Die Deutsche Bahn müsste vertreten sein, die BVG, Olav Bendzko und natürlich das Landesdenkmalamt, außerdem die Eigentümer vom Grips-Theater und der Shisha-Bar.

Dabei könnte manches aufgearbeitet werden, was seit Jahren schwebt, auch ein lange überfälliges vernünftiges Beleuchtungskonzept zum Beispiel. Miteinander reden kann immerhin bedeuten, Dinge in Bewegung zu setzen. Kleine, wie die Reparatur der Leiste und große wie die Aufnahme ins Weltkulturerbe.

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