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CDU-Fraktionsvorsitzender Dirk Stettner hält es für notwendig, mehr Kapazitäten zur Flüchtlingsunterbringung in Großunterkünften zu schaffen, auch in Tegel. (Archivbild)

© Sebastian Gollnow/dpa

Streit um Geflüchtetenunterkünfte: Für Wahlkampf in der Berliner Koalition ist es deutlich zu früh

CDU und SPD haben sich verpflichtet, die Unterbringung von Flüchtlingen gemeinsam zu organisieren. Gelingt das nicht, verlieren beide. Ein Kommentar.

Robert Kiesel
Ein Kommentar von Robert Kiesel

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Nun also doch: Nachdem CDU und SPD ihre bei der Unterbringung von Geflüchteten meilenweit auseinanderliegenden Positionen lange unter dem Deckel gehalten halten, bricht der Streit offen aus. Schuld ist ein zwei Stunden nach Versendung von der Senatskanzlei einkassiertes Schreiben der Sozialverwaltung. „Senatsinterne Abstimmungen“ seien noch erforderlich, erklärte Senatssprecherin Christine Richter auf Nachfrage. Zuvor hatte sie den gesamten Vorgang als „Büroversehen“ der Sozialverwaltung verniedlicht.

Dafür wiederum ist der Konflikt viel zu heikel: Während die SPD und insbesondere die zum linken Parteiflügel gehörende Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe Asylbewerber dezentral unterbringen und die Notunterkunft in Tegel möglichst schnell schließen will, hat die CDU andere Pläne. Seit Monaten heißt es hinter vorgehaltener Hand, immer neue Unterkünfte seien in der Stadt nicht länger vermittelbar.

Das Bild des Pulverfasses wird bemüht und tatsächlich hat das kriselnde Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten in puncto Information und Vermittlung rund um neue Unterkünfte Luft nach oben. Einzig in der wegen der dortigen Verhältnisse bundesweit bekannten Notunterkunft auf dem ehemaligen Flughafen Tegel sei noch Platz, heißt es aus der CDU. Eine Vergrößerung sei alternativlos.

Tegel ist die teuerste aller Unterbringungen

Sichtbar macht diesen Streit nun das Gerangel um die Verlängerung laufender Mietverträge für Unterkünfte in Hotels und Hostels. Möglicherweise auch deshalb, weil Kiziltepe deren Anzahl von 2900 auf 4900 erhöhen will – eben um Tegel zu verkleinern – stellt sich die CDU-Seite im Senat quer. Die Haushaltskrise kommt hinzu.  

Deshalb den Wegfall der Plätze und ein Anwachsen Tegels zu riskieren, macht jedoch aus zweierlei Gründen wenig Sinn: Erstens ist die Unterbringung in Hotels deutlich günstiger. Keine Einrichtung ist so teuer wie die mit den niedrigsten Standards: Tegel. Zweitens dürfte auch in der CDU niemand wollen, dass 2600 bislang in festen Unterkünften untergebrachte Menschen mitten im Winter in Zelte ziehen müssen. Als wäre es nicht unerträglich genug, dass Tausende dort den Winter verbringen – nicht wenige zum zweiten Mal.

Wir haben nicht das Gefühl, dass wir hier hausübergreifend an der Aufgabe arbeiten.

Insider zu fehlender Kooperation von CDU und SPD

So oder so bedeutet der Streit die Abkehr von einer zunächst miteinander vereinbarten Linie. Mit der im Mai 2023 gegründeten Taskforce zur Integration und Unterbringung Geflüchteter hatte sich die Koalition darauf verpflichtet, die menschenwürdige Unterbringung Geflüchteter als Gemeinschaftsaufgabe zu begreifen. Im Koalitionsvertrag heißt es: „Unser Ziel ist eine dezentrale und integrationsfördernde Unterbringung und eine bedarfsgerechte sozialarbeiterische Begleitung.“

Beidem wird die Koalition derzeit nicht gerecht. Wenn Kiziltepe zum Beginn einer jeden Senatssitzung über aktuelle Zahlen und die Akquise neuer Unterkünfte spricht, senken Insidern zufolge alle anderen die Köpfe. „Wir haben nicht das Gefühl, dass wir hier hausübergreifend an der Aufgabe arbeiten“, sagt einer, der nah dran ist.

Dies zu ändern, ist Aufgabe der gesamten Koalition. Für Wahlkampf ist es erstens zu früh und zweitens wäre er auf dem Rücken der Geflüchteten schäbig. Nur wenn CDU und SPD im Land und in den Bezirken die Aufgabe gemeinsam angehen, kann eine menschenwürdige Unterbringung der vielen tausend Geflüchteten gelingen. Für politische Spielchen eignet sich das Thema gewiss nicht und von gefühltem oder tatsächlichem Chaos profitiert einzig und allein die AfD.  

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