
© Silvia Passow für den Tagesspiegel
Unterstützung auch über den Tod hinaus: Ein Verein begleitet krebskranke Kinder und ihre Eltern
Jedes Jahr erkranken 150 Kinder in Berlin und Brandenburg an Krebs oder ähnlich schweren Krankheiten. Ein Verein kümmert sich um betroffene Familien – und bittet nun um Spenden.
Stand:
Als Cornelia Jost vor elf Jahren auf den Verein „Kinderhilfe – Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder e.V.“ traf, hatte der Zufall etwas nachgeholfen. Eine Freundin machte sie auf den Verein aufmerksam. Jost, zweifache Mutter, war sofort interessiert. „Die Kinder waren aus dem Gröbsten raus. Ich hatte Lust, mich zu engagieren“, sagt sie. Sie ließ sich in der Hospizarbeit ausbilden und ist seither ehrenamtlich im Verein tätig.
Nur ein Jahr später bekam sie selbst die Diagnose Krebs. Die Ausbildung, die Arbeit im Verein, der sich um krebskranke Kinder kümmert, hätten ihr damals sehr geholfen, sagt sie. Auch im Umgang mit ihren eigenen Kindern, die damals neun und elf Jahre alt waren. Jost erklärte den Kindern ihre Krankheit. Offenheit war ihr wichtig, die Kinder sollten sie weiter als verlässlich erleben.

© Silvia Passow für den Tagesspiegel
Der Verein „Kinderhilfe – Hilfe für krebs- und schwerkranke Kinder“ hat Kinder mit verkürzter Lebenserwartung im Blick. Nach Vereinsangaben erkranken jährlich 150 Kinder in Berlin und Brandenburg an Krebs oder ähnlich schweren Krankheiten. Die Vereinsmitglieder nehmen sich der Familien an, unterstützen sie, begleiten sie, auch über den Tod eines Familienmitgliedes hinaus. Zwei Drittel der Einnahmen des Vereins kommen aus Spenden, ein Drittel stammt aus Fördermitteln, sagt Arne Schippmann, zuständig für Fundraising im Verein.
Tandem-Projekt für Eltern und Jugendliche
Neben den erkrankten Kindern kümmert sich der Verein auch um Kinder krebskranker Eltern. Sie finden im Verein Ansprechpartner und damit Halt und Zuversicht. Neu im Verein ist das Projekt „Tandem für krebsbetroffene Eltern und für Jugendliche ab 16 in Potsdam und im Land Brandenburg“. Das Projekt begann im vergangenen Jahr und richtet sich an krebserkrankte Eltern von minderjährigen Kindern und an erkrankte Jugendliche ab 16 Jahren.
Die Tandempartner des Vereins haben selbst eine Krebserkrankung durchlebt und wurden für ihre Aufgabe ausgebildet. Außerdem erhalten sie regelmäßig Supervisionen für ihre herausfordernde Aufgabe. Sie unterstützen auch Väter und Mütter, deren Partner oder Partnerinnen an Krebs erkrankt sind.
Jost hat das Projekt entwickelt. Sie weiß aus Erfahrung, welche Herausforderungen und Probleme der Alltag mit dem Krebs mit sich bringt. Die Tandempartner begleiten bei Arztbesuchen, unterstützen beim Ausfüllen von Anträgen, sie wissen, wie sich eine Chemotherapie anfühlen kann, kennen die Müdigkeit und die Übelkeit danach. Wenn einer schon die Therapie abgeschlossen hat, die der andere gerade hat, wird ein echter Austausch auf Augenhöhe möglich. Und vor allem können Tandempartner helfen, wenn es um die Kinder geht. Was sagt man ihnen – die Wahrheit oder schont man sie?
„Ich ermutige die Eltern, den Kindern die Wahrheit zu sagen“, sagt Jost. Geheimniskrämerei führe im schlimmsten Fall zum Verlust des Vertrauens, erklärt sie weiter. Und die Kinder verlieren ohnehin schon viel. „Das Vertrauen der Kinder in ihre Eltern ist unerschütterlich. Eltern sind in Kinderaugen unbesiegbar, beschützen, trösten, sind immer da. Nun erleben sie ein Elternteil durch den Krebs geschwächt“, sagt Jost.
Oder es entstehen Ängste. Kinder fragen sich, ob sie auch erkranken. Und Kinder beziehen Umstände auf sich selbst. Möglicherweise geben sie sich die Schuld an der Erkrankung. „Dann stellen sie sich Fragen wie: War ich vielleicht nicht lieb genug oder hätte ich mein Zimmer besser aufräumen sollen?“, sagt die 54-Jährige.
Sie hat erlebt, wie Kinder sich zurücknehmen, weil sie die Angst und Trauer der Eltern spüren und nicht noch zusätzlich Belastung sein wollen. Auch etwas zu versprechen, was nicht gehalten werden kann, sieht Jost kritisch. Besser: Versprechen, dass man alles tun wird, um die Krankheit zu überwinden und gesund zu werden, sagt Jost. Dazu kommen Zukunftsängste: Was wird aus mir, wer ist für mich da, wer kümmert sich?
Familien werden durch den Krebs massiv beansprucht. Umso schöner, wenn es mal eine Auszeit gibt. In diesem Jahr fand ein Wellnesstag für Mütter statt, mit Entspannungstechniken, Klangschalen und Essen. „Die Frauen waren von dem Tag so begeistert, dass sie gleich im Anschluss eine WhatsApp-Gruppe gründeten“, sagt Jost.
Diese Auszeit kam so gut an, dass es im kommenden Jahr gleich mehrere solcher Möglichkeiten geben soll. Auch ein Sommerfest für Familien wurde gut besucht. „Wir waren etwa 70 bis 80 Leute“, sagt Jost und hofft, dass noch weitere solcher Veranstaltungen für kleine Lichtblicke im Alltag von Krebserkrankten und deren Familien möglich werden.
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