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Vegane Wurst von Lebensmittelmulti Nestlé.

© AFP/TOBIAS SCHWARZ

Vegane Produkte vom Discounter: Die Ernährungswende braucht die Masse

Bioläden und Hersteller veganer Produkte geraten in Schwierigkeiten, weil die Kunden sparen. Doch womöglich erweist sich die Krise als Chance.

Ein Kommentar von Christoph M. Kluge

Etwa 1,58 Millionen Menschen in Deutschland leben vegan, verzichten also im Alltag auf Produkte tierischen Ursprungs. Der Anteil ist in den letzten Jahren deutlich gewachsen. Die Bundesrepublik hat jedoch dem Bundesamt für Statistik zufolge eine Gesamtbevölkerung von 84,3 Millionen Menschen. Am Ende ist der Veganer-Anteil also doch eher klein.

Die Revolution der Ernährung ist bei Lichte betrachtet ein Revolutiönchen, das sich fast ausschließlich in den Innenstadtbezirken der Großstädte abspielt. Allerdings wirkt es nicht immer so.

Seit Jahren gibt es einen Hype um den veganen Lifestyle – und um Produkte beziehungsweise Geschäftsmodelle, die für diese Klientel entwickelt werden. Auch Journalist:innen haben einen Anteil daran, was damit zu tun haben könnte, dass viele von uns selbst in den Innenstädten leben und zum Einkaufen mit dem Fahrrad zum Biomarkt fahren.

Im Vergleich zur gesamten Lebensmittelwirtschaft handelt es sich aber um einen Nischenmarkt. Und zwar um einen, der von der gegenwärtigen Krise besonders hart getroffen wird.

Plötzlich wieder an der Aldi-Kasse

Viele Verbraucherinnen und Verbraucher drehen jeden Euro zweimal um, bevor sie ihn ausgeben. Und manch einer bestellt die wöchentliche Abokiste mit „Gemüse direkt vom Bauern“ ab, um sich wieder bei Lidl oder Aldi an die Kasse in die Schlange zu stellen.

Für Produzenten und Vermarkter im Nischenmarkt bedeutet das Umsatzrückgänge - und zum Teil das Aus. Das heißt jedoch nicht, dass die viel gepriesene Ernährungswende an der ökonomischen Realität gescheitert ist. Womöglich erweist sich die Krise als Chance.

Denn es gibt weiterhin gute Gründe, vegane und nachhaltig produzierte Lebensmittel zu sich zu nehmen. Viele Menschen tun das an einigen Tagen in der Woche. Ein solches Konsumverhalten verursacht weniger Tierleid und schützt das Klima. Daran hat sich generell nichts geändert. Und das Interesse der bereits überzeugten Kundschaft bleibt auch weiterhin bestehen.

Doch eine Ernährungswende muss die Masse der Bevölkerung erreichen. Als bloßer Spleen hipper Großstädter entfaltet sie keine Wirkung. Deshalb braucht es vergleichsweise günstige Produkte, wie sie die Discounter nun in Form von Eigenmarken bereitstellen, um der Nachfrage gerecht zu werden.

Kurzfristig kann diese Konkurrenz vernichtend sein für kleine, wesentlich authentischere Hersteller und Händler. Doch langfristig wird auch der Nischenmarkt für hochwertige Produkte von einer Verbreiterung der potenziellen Kundschaft profitieren. Die wird nämlich eines Tages wieder mehr Geld zur Verfügung haben. Der Wandel kommt – nur langsamer als von vielen erwartet.

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