
© IMAGO/Sebastian Gabsch
Tarifstreit bei der BVG: Berliner Nahverkehr wird nicht bestreikt – vorerst
Im Tarifstreit bei der BVG brachte der erste Verhandlungstag kein Ergebnis. Verdi will nun seine Mitglieder befragen. Bis Mitte nächster Woche wird es keinen Streik geben.
Stand:
Für die Fahrgäste ist es eine Woche Zeitgewinn. Vor dem 23. Januar wird es keine Streiks in Berlin geben. Dies teilte die Gewerkschaft Verdi am Abend mit. Zuvor war der erste Verhandlungstag zwischen den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) und Verdi nach mehreren Stunden ohne Ergebnis geblieben. Anschließend beschloss die Tarifkommission, zunächst die Mitglieder zu befragen.
Bis zum 22. Januar sollen „Rückmeldungen zur Bewertung der ersten Verhandlungsrunde durch die Beschäftigten eingeholt“ werden, so Verdi. Danach werde die Tarifkommission am 22. Januar die nächsten Schritte in der Tarifauseinandersetzung beschließen. Der wichtigste Satz für Fahrgäste: „Bis zu diesem Zeitpunkt wird es keine Arbeitskampfmaßnahmen geben.“ Verdi will jeden Streik „mindestens 24 Stunden“ vorher ankündigen. Gestreikt würde also frühestens am 23. Januar.
Beide Seiten haben am Mittwochabend eher versöhnlich klingende Statements veröffentlicht. „Der Vorstand der BVG hat in den Verhandlungen anerkannt, dass es einen Nachholbedarf bei der Bezahlung gibt“, sagte Verdi-Verhandlungsführer Jeremy Arndt. Die BVG teilte mit, zur nächsten Verhandlungsrunde am 31. Januar „ein Angebot auf Basis der am heutigen Tag ausgetauschten Positionen als Diskussionsgrundlage vorzustellen“.
Verdi fordert unter anderem 750 Euro Lohnplus
Als Ziel nannte die BVG, „gemeinsam mit Verdi umsetzbare und stabile Lösungen zu finden“ für Mitarbeiter und das Unternehmen. Die BVG akzeptiere, dass es Nachholbedarf beim Entgelt gebe, „die Ergebnisse müssen jedoch realistisch und verhältnismäßig sein“.
Doch Verdi-Mann Arndt sagte: „In den Gesprächen ist deutlich geworden, dass wir in der Einschätzung, wie groß der Nachholbedarf ist, weit auseinanderliegen.“
Berliner Fahrgäste blicken mit Sorge auf den Tarifstreit. Ende vergangener Woche hatte Verdi die Forderungen an die BVG noch einmal erläutert: Monatlich 750 Euro Lohnplus für alle, ein 13. Monatsgehalt, eine Fahrdienst- beziehungsweise Wechselschichtzulage von 300 Euro sowie eine Schichtzulage von 200 Euro. Das Paket würde die BVG die gigantische Summe von 250 Millionen Euro kosten – pro Jahr.
„Wenn sich Arbeitgeberseite und Senat sich nicht bewegen, wird es Arbeitskampfmaßnahmen bis hin zum Erzwingungsstreik geben“, hatte Verdi-Verhandlungsführer Arndt angekündigt. Und: „Wir sind auf alles eingestellt.“
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Die BVG hatte am Mittwoch noch kein Angebot vorgelegt. „Am ersten Verhandlungstag werden, wie bei Tarifverhandlungen üblich, Positionen ausgetauscht, offene Fragen geklärt und die Rahmenbedingungen für die weiteren Verhandlungstermine besprochen“, hatte die BVG zuvor angekündigt. Für die erste Runde waren laut Verdi fünf Stunden geblockt.
Personalvorständin Jenny Zeller-Grothe hatte am Wochenende die Forderungen der Gewerkschaft zurückgewiesen. Sie sagte der dpa, dass die Forderungen „nicht finanzierbar“ seien. Man werde sich während der Verhandlungen aufeinander zubewegen müssen.
Verdi will BVG-Streik „mindestens 24 Stunden“ vorher ankündigen
Zuvor hatte Verdi-Verhandlungsführer Arndt die Frage, wann gestreikt werde, so beantwortet: Das hänge „vom Auftreten und Verhandlungswillen“ der Arbeitgeberseite am Mittwoch ab. Für die Verhandlungen sind nach Verdi-Angaben bis zum 10. April sechs Termine angesetzt. Nach dem Auftakt soll es am 31. Januar weitergehen.
Verdi hat zwei nachvollziehbare Argumente für die Höhe der Forderungen: Bei der letzten Runde Ende 2021 ging es eher um die Arbeitsbedingungen, nicht ums Geld. Die durch den Ukraine-Krieg ausgelöste Inflation konnte Verdi nicht vorausahnen. Die Gewerkschaft beklagt deshalb „faktischen Reallohnverlust“ in jedem einzelnen Jahr seit der letzten Lohnrunde. Verdi war fünf lange Jahre an den Abschluss gebunden.
Berlin ist mittlerweile deutschlandweit Schlusslicht in Sachen Bezahlung. Dies hat eine bundesweite Umfrage zum Lohnniveau deutscher Verkehrsbetriebe ergeben. 2019 lag die BVG in diesem bundesweiten Vergleich noch auf dem zweiten Platz.
Verdi sorgt sich deshalb um die Existenz der BVG. Ohne ein kräftiges Lohnplus werden laut Gewerkschaft viele Fahrer kündigen. „Der Wechselwille ist so hoch wie noch nie“, so Verdi. Und nur mit deutlich mehr Geld könne die BVG in Zukunft ausreichend Personal gewinnen.
Die Fluktuation ist hoch, viele Fahrer sind in den vergangenen Jahren zur S-Bahn oder in andere Bundesländer gewechselt. Selbst in Brandenburg wird deutlich besser gezahlt als bei der BVG.
Sollten Fahrer in nennenswerter Zahl das Unternehmen verlassen, hätte das für Fahrgäste katastrophale Auswirkungen. Schon jetzt leiden sie unter vielen Ausfällen. Bei der U-Bahn fielen 2024 knapp vier Prozent aller Fahrten wegen Personalmangels aus, bei der Straßenbahn 1,5 Prozent.
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