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Ja-Sagen - nicht nur zur Liebsten, sondern auch zum Flughafen! Chinesen können das.

© AFP

Dauerbaustelle Hauptstadtflughafen: Verkaufen wir den BER doch einfach an die Chinesen!

Was Goethe ahnte und Blixa Bargeld weiß: Was Chinesen anpacken, klappt. Darum ein vielleicht rettender Vorschlag in der Zeit wieder aufkommender Personalprobleme. Eine Glosse.

Eine Glosse von Peter von Becker

Noch nie habe ich eine Kolumne oder auch nur eine Glosse über den BER geschrieben. Aber heute soll es mal sein. Gerade wurde ja wieder ein Technikchef entlassen, und der Aufsichtsrat des weiterhin stillsten Flughafens der Welt trifft sich heute zur nächsten Krisensitzung. Da hat mir ein in Technik und Krisenmanagement nicht unerfahrener Freund einen Tipp zum Weitersagen gegeben: das Ding an die Chinesen verkaufen!

Im Ernst, die Chinesen bauen bei sich Flughäfen, die mehrfach so groß und bisweilen auch architektonisch viel anspruchsvoller sind, in einem Bruchteil der deutschen, der berlin-brandenburgischen Zeit. Jahr für Jahr. Und für die BER-Ruine würden sie uns sogar noch ein paar Milliarden bezahlen. Ein chinesischer Investor hat kürzlich erst den alten, schon länger stillgelegten Athener Flughafen (nicht zuletzt auf deutschen Privatisierungsdruck gegenüber den armen Griechen) für fast eine Milliarde erworben. In diesem Fall allerdings für einen Nutzungswechsel hin zu Luxuswohnungen, wie sie gerade in Athen offenbar dringend gebraucht werden.

In China rollt sogar der Transrapid

Vielleicht könnte auch der neue BER-Technikchef Christoph Bretschneider hier für sein tagtägliches Beratungshonorar von 1700 Euro noch ein paar erfahrungsnahe Tipps geben. Zu Anfang dieses Jahrtausends hat er nämlich als Projektleiter von Siemens den Transrapid als Zubringer zum Schanghai-Airport ins Laufen, ja sogar zum Rasen gebracht. Bundeskanzler Gerhard Schröder war damals bei der Eröffnungsfahrt dabei. Kurz davor hätten sich bei dem schicken Schnellzug zwar die Türen nicht so richtig öffnen lassen und hernach sei einer der Triebwagen liegen geblieben. Was zumindest ein wenig an die jüngsten BER-Probleme erinnert. Und auch Siemens ist bei der fabelhaften BER-Technik mit dabei. Angeblich, so berichtet der „Berliner Kurier“, sei Bretschneider dann auf chinesisches Drängen von dem Projekt abgelöst worden und ein Herr Wu habe den Job übernommen. Wie auch immer: Ich selbst bin mit dem tollen Transrapid in Schanghai gefahren. Und bei über 400 Stundenkilometern hat sich keine Tür geöffnet, weshalb ich diese Zeilen noch schreiben kann.

Man könnte den "Faust" gut in einer Flughafenhalle spielen. Oder in China

Unseren BER an die Chinesen verkaufen? Das klingt wie ein Scherz. Doch wissen Sie, wie der alte Goethe sein großes, auch lange verschobenes Spätwerk, den „Faust II“, einst genannt hat? Es seien ein paar „sehr ernste Scherze“. Frank Castorf, der unter Wehgeschrei scheidende Intendant der Berliner Volksbühne, inszeniert zu seinem Finale übrigens gerade den ganzen scherzhaften „Faust“, auf seine prä-postsozialistische Dada-Weise.

Und weil die Aufführung – Premiere diesen Freitag – gefühlt vermutlich nicht viel kürzer als die BER-Bauzeit dauern wird, sei kurz daran erinnert, was der Autor JvG am Ende seiner sehr ernsten Scherze so alles erdacht hat: Herr Faust, den Teufel im Nacken, wird da zum Großinvestor, dessen Bauvorhaben ein altes, mythologisch berühmtes Paar (Philemon und Baucis) aus seiner vertrauten Wohnung vertreibt. Die beiden sterben darüber, während am Horizont der Kapitalismus dämmert, mit neuen Technologien und der Industrialisierung der Landschaft. Vielleicht könnte man „Faust“ also ganz gut auch auf einer Flughafenbaustelle spielen lassen. Oder in China.

Mehr Chinesen - nur ohne Politik

Nicht nur mit Flughäfen, sondern überhaupt mit China kennt sich Blixa Bargeld gut aus. Der Frontmann der Berliner Band Einstürzende Neubauten lebt immer mal wieder in Peking. Ich erinnere mich da an ein Radio-Gespräch, in dem er vor einigen Jahren eine chinesische Alltagserfahrung erzählte. Plötzlich sei vor seiner Pekinger Wohnung die ganze Straße aufgerissen worden, und er habe gedacht, jetzt gibt es hier wochenlang Lärm, Staub, Verkehrsstau. Noch mehr als sonst schon in Peking. Am nächsten Morgen aber habe er seinen Augen kaum getraut: Die riesige Baustelle – ein Wasserrohrbruch, eine Fahrbahnabsenkung oder dergleichen – war verschwunden und die Straße frisch asphaltiert.

Nicht weil Bargeld, genau wie Einstürzende Neubauten, hier so ein passender Name ist (ein Künstlername, zu Ehren eines Dadaisten), nein, wann immer ich viele Monate lang an einer Berliner Straßenbaustelle (meist verwaist) vorbeikomme oder wieder etwas vom BER höre, muss ich an diese Anekdote denken. Man sollte die Chinesen wohl wirklich mehr ranlassen. Nicht nur als Schneider und Köche. Nur unter einer Bedingung: ohne ihre Politik. Wenn das geht.

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