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Die Senatorin für Wirtschaft, Energie und Betriebe, Ramona Pop, im Gespräch.

© Thilo Rückeis

Berliner Senatorin Ramona Pop: "Videoüberwachung verhindert keine Straftaten"

Berlins Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) spricht im Interview über Datensicherheit für Bilder, Andrej Holms Vergangenheit und ihr Mandat, das sie behalten will.

Von Sabine Beikler

Frau Pop, seit dem 8. Dezember ist Rot-Rot-Grün am Regieren, knapp einen Monat. Wie verstehen Sie sich?
Wir hatten einen Start, den wir so nicht erwartet hatten. Der schreckliche Terroranschlag am Breitscheidplatz kurz vor Weihnachten war ein Einstieg, den sich keine Regierung wünscht. Es hat sich dabei aber auch gezeigt, dass wir auch in schwierigen Zeiten gut miteinander arbeiten können. Und: Wir haben keine 100-Tage-Schonfrist.

Acht Tage nach Regierungsantritt kam R2G zum Koalitionsausschuss zusammen. Es ging um die Personalie Andrej Holm als Staatssekretär. War es richtig, Holm zum Bau-Staatssekretär zu ernennen?
Niemand kann sagen, dass die Debatte über eine Stasi-Vergangenheit 26 Jahre nach der Wiedervereinigung kein Thema mehr ist. Rot-Rot-Grün stellt sich der Verantwortung, die Aufarbeitung der DDR-Diktatur voranzubringen. Wir erwarten, dass sich Andrej Holm eindeutig zu seiner Verantwortung bekennt. In den 90er und 2000er Jahren wurden im öffentlichen Dienst Mitarbeiter wegen einer Stasi-Vergangenheit entlassen. Es ist die Frage, ob hier für Staatssekretäre die gleichen Regeln gelten. Darüber haben wir in der Koalition geredet. Im Ergebnis warten wir die personalrechtliche Überprüfung der Humboldt-Universität ab.

Warum hat sich der Senat um eine Entscheidung gedrückt und diese der HU aufgebürdet, die auf eine Erklärung von Holm bis 9. Januar wartet?
Wir haben lange im Koalitionsausschuss über dieses Thema gesprochen. Das war die Vereinbarung, dass die HU die Vorgeschichte klärt. Mit dem Ergebnis wird die Koalition dann umgehen.

Am Montag trifft sich der Senat erstmals zur Klausur. Es geht um ein Sicherheitspaket für Berlin und die Videoüberwachung öffentlicher Plätze. Der Regierende Bürgermeister kann sich Videotechnik am Alexanderplatz, am Breitscheidplatz und am Kottbusser Tor vorstellen. Sie auch?
Wir sind uns einig, dass wir alles, was sinnvoll und rechtlich möglich ist, für die Sicherheit der Stadt tun werden. Das ist mir zentrales Anliegen. Im Koalitionsvertrag haben wir festgelegt, dass wir die Ausrüstung der Polizei verbessern, in Polizeiwachen investieren, den Digitalfunk modernisieren wollen. Ich kann als Berlinerin jeden verstehen, der nach dem Anschlag eine größere Unsicherheit verspürt. Wir werden über weitere Maßnahmen beraten. Aber es geht um ein Gesamtpaket: Prävention, Deradikalisierungsprogramme und Stärkung der Polizei, die sehr gute Arbeit macht.

Was halten Sie von Videoüberwachung?
Videoüberwachung verhindert keine Straftaten. Sie kann Ermittlungserfolge liefern. Auf der Senatsklausur werden wir über ein Gesamtpaket beraten, und nicht über Videoüberwachung allein. Wir sollten im Übrigen nicht so tun, als ob es nicht schon eine sehr große Zahl von Überwachungskameras in der Stadt gäbe. Und eines beschäftigt mich in diesem Zusammenhang: Wie können wir sicherstellen, dass die Bilder aus diesen Kameras vor dem unbefugten Zugriff Dritter geschützt sind? Ich möchte nicht, dass sich Hacker oder ausländische Geheimdienste unserer Daten bedienen.

Schließen Sie Videotechnik aus?
Videoüberwachung ist kein Allheilmittel, und sie ist bislang im Koalitionsvertrag nicht vorgesehen. Videoüberwachung kann Kriminalität nicht verhindern. Sie kann Präventionsarbeit nicht ersetzen. Eine unideologische Debatte darüber wäre hilfreich.

Die Koalition will ihr 100-Tage-Programm vorstellen. Sie sind als Wirtschaftssenatorin für Energiepolitik und Landesbetriebe zuständig. Rot-Rot-Grün will das Stadtwerk mit 100 bis 150 Millionen Euro Eigenkapital ausstatten. Wann fließt das Geld?
Das Geld wird zügig zur Verfügung gestellt. Mit den 100 Millionen soll das Stadtwerk arbeiten können. Es soll künftig auch zugekauften Ökostrom liefern, Mieterstrom produzieren und die energetische Sanierung der Liegenschaften voranbringen.

Wie soll das Stadtwerk mit bisher 2200 Kunden um mehr Kunden werben? Gibt es eine Imagekampagne?
Eine Kampagne gehört auch dazu. Wir wollen aber vor allem Mieterstrom-Modelle entwickeln, in Photovoltaik investieren und Energiedienstleistungen voranbringen. Wir wollen eine neue Energieinfrastruktur aufbauen, Synergieeffekte mit den Wasserbetrieben zum Beispiel bei der Erschließung neuer Wohnungsbaugebiete nutzen. Der Schwerpunkt der Energiedienstleistungen liegt bei den öffentlichen Liegenschaften.

Was planen Sie außerdem?
Mobilität darf keine Frage des Geldbeutels sein. Ich freue mich als künftige BVG-Aufsichtsratsvorsitzende darüber, dass wir den Preis für das Sozialticket absenken und den Kreis der Berechtigten auf die Bürger erweitern, die Wohngeld beziehen.

Was sind weitere Projekte in dem 100-Tage-Programm?
Für ein Open-Data-Gesetz werden wir die Eckpunkte auf der Klausur vorstellen. Außerdem wollen wir die moderne Informations- und Kommunikationstechnik besser dazu nutzen, Verwaltungsabläufe zu beschleunigen. Die Bürger sollen so viel wie möglich online erledigen können. Das gilt dann beispielsweise auch für die Anmeldung eines Gewerbes. Und ich werde vorschlagen, dass sich das Land Berlin künftig mit 25 Prozent an der Betreibergesellschaft des Campus Berlin-Buch beteiligen soll. Das ist ein wichtiger Gesundheitsstandort für Berlin.

In welchen Aufsichtsräten werden Sie als Wirtschaftssenatorin Mitglied?
Ich werde den Vorsitz in den Aufsichtsräten der BVG, BSR und BWB übernehmen. Das sind Betriebe, die für das Leben der Berliner sehr wichtig sind. Außerdem werde ich Mitglied in den Aufsichtsräten der Messe, von Berlin Partner und im Verwaltungsrat der Förderbank IBB.

Werden Sie in den Aufsichtsrat der Flughafen Berlin Brandenburg GmbH (FBB) gehen?
Wir wollen den Flughafen nun schnell zu einem vernünftigen Start bringen. Über die Besetzung des Aufsichtsrats sind die Beratungen noch nicht abgeschlossen.

Ihre Partei hat sich per Beschluss für die Trennung von Amt und Mandat ausgesprochen. Haben Sie Ihr Abgeordnetenhaus-Mandat schon abgegeben?
Ich habe in Mitte ein Direktmandat errungen. Und ich fühle mich meinen Wählerinnen und Wählern verpflichtet.

Ihr Parteifreund und Senator Dirk Behrendt plant Unisex-Toiletten in öffentlichen Gebäuden. Wann werden Sie Ihre Verwaltung umbauen?
Das Haus steht unter Denkmalschutz. Und es ist nicht meine allererste Priorität Umbaumaßnahmen vorzunehmen.

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