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Teures Gut. Die Getreidepreise haben sich seit 2003 weltweit mehr als verdoppelt. Dadurch wird konventionelle Landwirtschaft wieder attraktiver. Ökologischen Anbau betreiben nur noch jene, die davon wirklich überzeugt sind.

© dpa/Patrick Pleul

Bio-Landwirte in Brandenburg: Vom Acker gemacht

Immer neue Biomärkte eröffnen in Berlin und Potsdam. Doch die Erzeuger aus Brandenburg können den Bedarf nicht erfüllen. Erstmals geht in der Mark sogar der Öko-Anbau leicht zurück. Woran liegt das?

Die Nachfrage boomt – aber das Angebot aus der Region ist viel zu gering: Für Burkhard Paschke, Verkaufsleiter des größten Berliner Bio-Großhändlers „Terra Naturkost“, ist das ein „bedauerliche Missverhältnis“. Es gehört zu seinem Alltag. Gerne würde er viel mehr ökologisch erzeugtes Obst, Gemüse, Fleisch und andere Bioware aus Brandenburg in die Naturkostläden und -Märkte in Berlin und Potsdam bringen, aber nur maximal 60 Prozent des Bedarfs kann er im Umland auftreiben. Zur Zeit hat Paschke auch kaum Hoffnung, dass sich dies rasch ändern wird. Der Öko-Landbau in Brandenburg geht seit 2013 sogar leicht zurück – erstmals seit Mitte der 90er Jahre.

Obwohl die rot-rote Landesregierung im Koalitionsvertrag das Gegenteil verspricht. Mitte April beschloss das Kabinett zudem, den Anteil des Ökolandbaues an den Agrarflächen auf 20 Prozent zu erhöhen.

Das Ziel gehört zu einem Maßnahmenbündel, mit dem der Rückgang von Tier- und Pflanzenarten aufgehalten und die biologische Vielfalt gesichert werden soll. Derzeit beträgt der Flächenanteil der rund 700 märkischen Ökobauern nach Angaben der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau Brandenburg 10,5 Prozent. Das sind zwei Prozent weniger als im vergangenen Jahr. Schon 2012 gaben sieben Biobetriebe mehr auf, als hinzukamen. Damit hat Brandenburg seinen zwanzig Jahre lang behaupteten bundesweiten Spitzenplatz in der Öko-Landwirtschaft verloren. Hessen und Saarland haben es knapp überholt, andere Bundesländer holen auf. Sie lagen bisher bei durchschnittlich fünf bis sechs Prozent Anteil.

Bio-Gemüse wird teils über die Autobahn unökologisch angekarrt

Großhändler wie „Terra Naturkost“ müssen folglich verstärkt Bioware aus anderen Gegenden Deutschlands oder sogar aus europäischen Nachbarländern meist über die Autobahn herbeischaffen, was die Ökobilanz dieser Lebensmittel erheblich verschlechtert. Zugleich aber wächst die Nachfrage nach Bio aus der Region derzeit jährlich um bis zu zehn Prozent, allein im Mai und Juni eröffnen zwei neue Biomärkte in Potsdam und Kleinmachnow.

Warum verlieren dennoch die Erzeuger in Brandenburg an Schwung? Wieso stellen immer weniger konventionelle Betriebe auf Ökoanbau und Tierzucht um? Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökolandanbau nennt als Hauptgrund, dass sich Bio-Landwirtschaft in der Region heute weniger als bisher rechnet. Schwindende Gewinnaussichten verringerten die Lust, das Risiko einer Umstellung überhaupt zu erwägen. Oder einen Ökobetrieb fortzuführen. Bislang verdienten konventionelle Landwirte und ihre Öko-Kollegen in Brandenburg etwa gleich viel, 2013 erwirtschafteten die ökologischen Höfe laut Wimmer aber erstmals sechs Prozent weniger Einkommen, während es bei den anderen Agrarbetrieben „finanziell gut aufwärts ging“.

Bodenpreise sind wegen des Maisanbaus für Biogas extrem gestiegen

Bei der „Demeter Arbeitsgemeinschaft für biologisch-dynamischen Landbau Berlin-Brandenburg“ führt man dies vor allem auf die „extrem gestiegenen Pacht- und Kaufpreise“ für Acker- und Weideflächen zurück. „Seit 2005 hat sich die Pacht verdoppelt“, sagt Demeter-Landwirt Jürgen Templin vom „Bauerngut“ im Oderbruch. Kartoffeln sowie Getreide für die Märkische Landbrot-Bäckerei liefert er nach Berlin, doch um ihn herum wächst wie fast überall in Brandenburg immer mehr Mais auf riesigen Monokulturen, mit denen konventionelle Großbetriebe ihr Land versilbern, so dass ihnen die höhere Pacht weniger zusetzt. Mais befeuert Biogas-Anlagen, als sogenannter nachwachsender Rohstoff. Und gemäß dem „Erneuerbaren Energiengesetz“ bekommen Bauern auf diese Weise mindestens ein Drittel mehr Geld in die Kasse als mit der Erzeugung von Lebensmitteln. Also werden Äcker zunehmend umgewidmet, dadurch rar und teurer.

Wirksam gegengesteuert wird bislang nicht. Im Gegenteil. Sogar die bundeseigene Bodenverwertungsgesellschaft BVVG, die auch in Brandenburg große staatseigene Agrarflächen vergibt, profitiert vom Preisanstieg. Sie verlangt bei Neuverträgen den jeweils „aktuellen ortsüblichen Pachtzins der Region“, bestätigt eine BVVG-Sprecherin. Dass auch die Bundesregierung den Ökoanbau voranbringen will und einen Flächenanteil von 20 Prozent anstrebt, bleibt unberücksichtigt.

Brandenburgs Förderprämien liegen am unteren Limit

Um solche Mehrkosten aufzufangen, brauchen Ökobauern gute Agrarberater, die ihre Arbeit effizienter machen. Und öffentliche Zuschüsse. Die finanzielle Unterstützung für Fachberater wurde in Brandenburg aber schon 2002 für die gesamte Landwirtschaft gestrichen. Und die Förderprämien für Ökoanbau sind in der Mark laut Jakob Ganten vom Demeter-Verband so niedrig wie in keinem anderen Bundesland (siehe Infos zu Förderprämien). „Wir haben das Gefühl, eher geduldet als gewollt zu sein.“

Jens-Uwe Schade vom Potsdamer Agrarministerium kontert entschieden. Die angespannte Haushaltslage erlaube nun mal keine allzu großen Zuschüsse. „Wir werben aber engagiert auf Messen für die Öko-Landwirtschaft.“ Dass diese stagniere, hänge auch „mit der verbesserten Preisentwicklung im konventionellen Landbau“ zusammen. Zum Beispiel für Getreide, dessen Preis sich seit 2003 weltweit mehr als verdoppelt hat. Konventionelle Landwirtschaft, sagt Schade, werde dadurch wieder attraktiver. „Ökoanbau betreiben dann eher nur noch jene, die davon wirklich überzeugt sind.“

Förderprämien für Ökobauern

Öko-Landwirte erhalten in allen Bundesländern Förderprämien, anteilig finanziert vom jeweiligen Land, vom Bund und der EU. Die Prämien sollen Mehraufwand und verminderte Erträge ausgleichen und den Beitrag zum Naturschutz honorieren. Sie liegen in Brandenburg jährlich zwischen 131 und 308 Euro pro Hektar, für Grünland gibt es weniger als für Getreide oder Gemüse. Während der ersten fünf Jahre der Umstellung auf Öko-Anbau wird zudem ein Zuschlag gezahlt. Alle anderen Bundesländer überweisen aber laut Demeter-Verband großzügigere Prämien, teils doppelt so viel. Außerdem setzte Brandenburg die Prämien während der Umstellung seit 2010 komplett aus. Erst seit 2014 wird wieder von Beginn an gezahlt. Wegen der verschieden hohen Förderung beklagen die märkischen Öko-Bauern auch Wettbewerbsnachteile.

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