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Mag stille Heldinnen: Marie Sand schreibt historische Romane.

© Janine Guldener

Von der Babyklappe zum Roman: Die Berliner Autorin Marie Sand schreibt über vergessene Kinder

Marie Sand verfasst historische Romane. Beim Spaziergang durch ihre Zehlendorfer Nachbarschaft stieß sie auf ein 3000 Jahre altes Thema. Aus dem entstand ihr neuestes Buch

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Vernachlässigte, vergessene Kinder waren ihr schon immer eine Herzensangelegenheit. Marie Sand schreibt historische Frauenromane, die auch von Männern gelesen werden sollen. Ihr jüngstes Werk ist inspiriert von einem Spaziergang durch ihre Nachbarschaft in Zehlendorf, bei dem sie die Babyklappe am Krankenhaus Waldfriede entdeckte.

„Wie ein Stern in mondloser Nacht“ heißt ihr zweiter Roman. Stille Heldinnen ziehen sie an, auch schon in ihrem ersten Buch „Ein Kind namens Hoffnung“ spielt eine solche Heldin die Hauptrolle. Es geht um eine Köchin, die während der Nazi-Zeit in einem jüdischen Haushalt arbeitet und das Kind der Familie rettet, indem sie es als ihr eigenes ausgibt.

Bei Marie Sand kam die Theorie vor der Praxis. Eigentlich heißt die Schriftstellerin nämlich Gabriele Borgmann und ist seit vielen Jahren als Ghostwriterin unterwegs – für Fachbücher unter anderem mit den Themengebieten Gesundheit und Management. Sie gibt auch Workshops. Unter ihrem eigenen Namen hat sie etwa eine Anleitung für Sachbuchautoren veröffentlicht mit dem Titel „Vom Exposé zum Bucherfolg“. Der Sachbuchmarkt sei gemütlicher, sagt sie. Aber für die Belletristik brenne sie nun mal, auch wenn es bedeute, mit den Figuren mitzuleiden.

Bevor sie Schriftstellerin wurde, hat die gebürtige Bonnerin, die erst mit dem Regierungsumzug Ende 1999 nach Berlin kam, 16 Jahre lang für die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung gearbeitet. Dort war sie unter anderem für Südostasien zuständig. Prägendes Erlebnis war eine Begegnung mit dem Dalai Lama. Beinahe wäre sie mal nach Indien gezogen, weil sie das Land so faszinierte. Aber die Lebensbedingungen dort schienen ihr nicht geeignet zu sein für eine alleinerziehende Mutter.

Zwei Töchter hat sie großgezogen, von zwei verschiedenen Vätern. Zwischen den beiden Kindern liegen 23 Jahre Altersunterschied. „Das muss mir erstmal jemand nachmachen“, sagt sie lächelnd. Die jüngere ist jetzt 19 Jahre alt und studiert schon.

Die Anfänge in Berlin waren schwer, erzählt Sand. Es gab keine Cliquen wie in Bonn, es herrschte ein rauer Umgangston, und der Winter war hart, grau und kalt. „Das neue Jahrtausend haben wir im Café Eins unter dem ARD-Hauptstadtstudio begrüßt“, erinnert sie sich. Viele Bonner, die ihre Einfamilienhäuschen vermissten, seien damals zurückgegangen. Inzwischen liebt sie Berlin, „das Bunte und Quirlige“. Wenn die Familie, zu der auch noch ihre Mutter gehört, zusammenkommt, dann am liebsten in Berlin.

Die Babyklappe am Krankenhaus Waldfriede in Berlin-Zehlendorf.

© imago images/epd

Mit dem Thema Babyklappe hat sich Marie Sand intensiv auseinandergesetzt. „Das gibt es schon seit 3000 Jahren“, sagt sie und verweist auf die biblische Zentralfigur Moses. Der sei ja in einem Schilfkörbchen gefunden worden. Heute gebe es das Konzept der anonymen Geburt, bei dem die Mutter keinerlei Angaben machen müsse und das Kind nach der Geburt im Krankenhaus einfach zurücklasse. Besser findet Sand das auch vom Ethikrat empfohlene Konzept der vertraulichen Geburt, bei dem die Mutter in einem verschlossenen Briefumschlag Angaben zu sich selbst hinterlässt. Wenn das Kind 16 Jahre alt wird, darf es den Umschlag öffnen. „Jeder Mensch hat das Recht, seine Herkunft zu kennen“, sagt sie.

Das gibt es ja schon seit 3000 Jahren.

Autorin Maria Sand über Babyklappen und den biblischen Moses.

Das schreckliche Schicksal der Kinder, die im tiefen Mittelalter vor Kirchen und Klöstern oder den Häusern reicher Bürger abgelegt wurden, hat sie während der Recherche besonders bewegt. „Die Kinder waren quasi ohne Obhut“, sagte sie. „Sie wurden kaum ernährt, früh zu harter Arbeit gezwungen und sind nicht alt geworden.“

Am 12. September 2000 wurde in Berlin die erste Babyklappe eröffnet. Im Roman ist die Journalistin Liv bei dem Termin dabei. Sie ist selbst ein Findelkind und hat sich auf die Suche nach ihrer Herkunft gemacht. Die Hauptrolle spielt aber die Hebamme Henni Bartholdy, die auf einer anderen Zeitebene – in den 1950er-Jahren – als eine Art Vorläufermodell der Babyklappe eine Apfelsinenkiste im Hinterhof ihres Hauses aufstellt, um Frauen zu helfen, die zum Beispiel durch Vergewaltigung ungewollt schwanger geworden sind.

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