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Mitte Dezember haben bereits einige hundert Mieter für die Erhaltung ihrer Wohnungen demonstriert.

© imago/Christian Mang

Update

Vorkaufsrecht in Berlin: 265 Wohnungen in Neukölln und Mitte werden städtisch

Der bisher größte Anwendungsfall des Vorkaufsrechts: Neukölln und Mitte kaufen Häuser einer dänischen Pensionskasse. Nun ist der Vorkauf rechtskräftig.

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Seit Monaten fürchten Hunderte Mieter in Wedding und Neukölln um ihre Wohnungen. Im Sommer kaufte die dänische Pensionskasse PFA ganze Straßenzüge in Berlin als Teil eines Immobilienpaketes, zu dem deutschlandweit 3700 Wohnungen gehören sollen. Anfang Januar wandten die Bezirke das bezirkliche Vorkaufsrecht an und entzogen den Investoren damit insgesamt 265 Wohnungen – der bislang größte Kauf über dieses Instrument in Berlin.

Eine Woche später verkündeten die zuständigen Stadträte, dass der Vorkauf rechtskräftig wird. Die Käuferin, die dänische Rentenkasse PFA, erklärte, auf Rechtsmittel zu verzichten. Auch der Verkäufer soll eine entsprechende Erklärung angekündigt haben. Die Wohnungen können damit in den Eigentum der städtischen Wohnungsbaugesellschaften Stadt und Land und WBM übergehen.

„Ich glaube schon, dass das ein Symbol ist“, sagte der Neuköllner Stadtrat für Stadtentwicklung, Jochen Biedermann (Grüne), Anfang Januar. Der Bezirk Mitte erwirbt den Wohnblock mit 125 Wohnungen an der Seestraße Ecke Turiner Straße durch die städtische Wohnungsbaugesellschaft Mitte (WBM). Der Kaufpreis beträgt 19 Millionen Euro, der Zuschuss vom Senat 15 Prozent. „Die mehrheitliche Zustimmung der Berliner zur Enteignung großer Wohnungsunternehmen zeigt, dass die Bodenfrage neu gestellt werden muss“, sagt Mittes Baustadtrat Ephraim Gothe (SPD).

Neukölln übt das Vorkaufsrecht für den Hauskomplex in der Thiemannstraße 16 bis 23 und Böhmische Straße 21 und 23 zugunsten der städtischen Wohnungsbaugesellschaft Stadt und Land aus. Der Kaufpreis ist nicht bekannt. Etwa 300 Menschen leben hier in 140 Wohnungen. Darunter auch etwa 60 Rentner, die zum Teil seit Jahrzehnten in den Häusern leben.

„Ich bin sehr erleichtert, dass den Bewohner*innen eine monate- oder gar jahrelange Hängepartie erspart bleibt", sagte Biedermann am Dienstag und ergänzte: "Mitte und Neukölln haben ein starkes Zeichen gesetzt: Immobilieninvestoren, denen es nur um maximalen Profit geht, sind in Berlin nicht willkommen."  Wer im Milieuschutz Häuser kaufen oder verkaufen wolle, könne dies nur den Regeln der Bezirke tun. Biedermann dankte explizit auch der Mieterinitiative "BoeThie" für ihr Engagement, die den Protest bis in die dänische Presse getragen hatte.

Die Langzeitrecherche „Wem gehört Berlin“ ist eine Kooperation des Tagesspiegels mit dem gemeinnützigen Recherchezentrum Correctiv. Auf unserer Plattform wem-gehoert-berlin.de können Sie uns mitteilen, wer Eigentümer Ihrer Wohnung ist, und welche Erfahrungen Sie mit Ihrem Vermieter gesammelt haben. Mithilfe der Daten suchen wir nach unverantwortlichen Geschäftspraktiken und machen den Immobilienmarkt transparenter. Eingesandte Geschichten werden nur mit Ihrer Einwilligung veröffentlicht.

Auch Mittes Stadtrat Ephraim Grothe (SPD) zeigte sich erleichtert. " Interessant ist, dass die Vereinbarung am Ende vor allem an der Einhaltung der Mietpreisbremse gescheitert ist. Daraus lesen wir ab, dass das Nichteinhalten der Mietpreisbremse bei Wiedervermietung sehr wohl zur Kalkulation der Gewinnrendite gehört", so Grothe.

Zuvor hatte die PFA die Frist für die Unterzeichnung einer Abwendungsvereinbarung verrinnen lassen. Eine Mitte Dezember angebotene Vereinbarung lehnte der Bezirk ab, da sie die Mieter nicht ausreichend geschützt hätte, sagt Biedermann. Die PFA wollte sich auf Anfrage zu dem Vorgang nicht äußern. Endgültige Sicherheit gab es für die Mieter zunächst nicht: Die PFA hätte einen Monat Zeit gehabt, Widerspruch einzulegen.

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