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Berlinale goes Kiez: Wahre Filmliebe

Das Festival kommt jetzt in die Bezirke. Auch das Team vom Kino Toni in Weißensee rollt den Teppich aus.

Sehnsucht nach dem roten Teppich? Braucht kein Haus zu haben, das so schicke rote Buchstaben an der Fassade hat. Abends glüht der Schriftzug „Kino Toni“ über dem leeren Antonplatz, eine elegante Reminiszenz an vergangene Herrlichkeit – das dichtgewebte Netz von Lichtspieltheatern in den Kiezen.

Das traditionsreiche Toni, 1920 unter dem Namen Decla-Lichtspiele eröffnet, ist das einzige Kino in Weißensee, das seit der Stummfilmzeit überlebt hat, und damit förmlich dazu bestimmt, Spielstätte für „Berlinale goes Kiez“ zu sein. Die volkstümlichste Reihe des Festivals bringt seit 2010 Berlinale-Filme und ihre Macher vor die Haustür des Publikums. Sieben Kinos sind diesmal dabei, vom Filmkunst 66 in der Bleibtreustraße in Charlottenburg über das Bundesplatz- Kino in Wilmersdorf bis hin zum Toni am Antonplatz.

„Glamour, roten Teppich und sowas brauch’ ick eigentlich nich’“, sagt Rainer Hässelbarth, der Chef des Vereins der Freunde des Kino Toni, „aber wenn zur Berlinale hier die Scheinwerfer strahlen und die Limousen vorfahren – das macht mir schon Spaß.“ Selbst ein so grundsolider Filmfreak wie der selbst Kurzfilme drehende Pensionär, der um die Ecke wohnt und mit 22 Gleichgesinnten seit 2007 für das Fortbestehen des Tonis wirkt, ist eben empfänglich fürs Festivalfieber. Na klar hat er längst eine Karte für Christian Petzolds DDR-Drama „Barbara“, den die Kinopaten Senta Berger und Michael Verhoeven, flankiert von Mitgliedern der Filmcrew, hier am Sonntagabend vorstellen.

„Nina Hoss will kommen“, munkelt Peter Winter. Er und Manuel Wanser sind Filmvorführer im Toni. Zwei von vieren insgesamt, Mittzwanziger, Studenten, Filmverrückte. An diesem Nachmittag, wo nur wenige Zuschauer zur Vorstellung in das 255 Plätze fassende Toni und den 75 Plätze kleinen Zweitsaal Tonino tröpfeln, teilen sie sich den Job spielend in Kasse und Projektion auf. Aber Sonntag schieben alle Dienst, da darf nichts schief gehen, da ist volles Haus.

Das Promi-Ehepaar Berger und Verhoeven kennen Winter, Wanser und Hässelbarth allerdings sowieso, denn der in München ansässige Regisseur ist seit 1992 hier der Besitzer und samt Schauspielerinnengattin Senta gelegentlich zu Filmveranstaltungen oder Lesungen da. Ein Glücksfall, wie Manuela Miethe findet, die das bis 1979 als letztes privates Kino in Ost-Berlin geschlossene und dann ab 1982 von der Bezirksfilmdirektion als Premierenkino wieder eröffnete Haus schon seit 1986 als Theaterleiterin führt. „Toni und Tonino tragen sich nur ganz knapp“, sagt sie und ist froh, dass der Besitzer ein Filmschaffender ist, der nicht auf Gewinnmaximierung schielt, sondern darauf, dass das Programm aus Kinderfilmen und europäischen Produktionen jenseits des Hollywood-Blockbusters stimmt. Selbst die teure Umstellung auf digitale Projektion – ein Horror für viele kleine Kinos – will Miethe noch in diesem Jahr stemmen.

Unvermeidlich, aber auch ein bisschen schade, wenn man auf die hier im Foyer ausgestellte pittoreske Kinotechnik wie den alten Defa-Schneidetisch und den 35-mm-Monsterprojektor blickt. Rainer Hässelbarth zeigt stolz die Museumsstücke. Sein Freundesverein, in dem auch der nebenan in Prenzlauer Berg lebende Schauspieler Axel Prahl Mitglied ist, veranstaltet mit dem Toni außer Filmreihen auch Kabarettabende, Dia-Vorträge oder sogar Wladimir Kaminers Russendisko. Das Kino sei seit der Schließung des Kulturhauses „Peter Edel“ der letzte Vorposten der Kiezkultur in Weißensee, sagt er. Die zu stärken, liegt ihm genauso am Herzen wie seine tiefe Liebe zum Film. Und das nicht nur, wenn am Sonntag die Berlinale ins Toni kommt.

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