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Ein Ofen in einer der provisorischen Unterkünfte in Serbien. Daneben steht ein Sack Brennholz.

© David Pichler

„Warme Orte statt warme Worte”: Der Verein Blindspots setzt sich für Menschen auf der Flucht ein

Menschen, die versuchen illegal in die EU zu gelangen, leben oft unter prekären Bedingungen. Fehlende Wärme in den Unterkünften bedeutet schlimmstenfalls den Kältetod.

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Holz einkaufen, lange Autostrecken zurücklegen und Gespräche mit Google übersetzen. Das gehört momentan zu Livia Schulzes (Name von der Redaktion geändert) Alltag. Die Berlinerin engagiert sich bei dem gemeinnützigen Verein „Blindspots”, der auf die lebensbedrohliche Situation von Menschen auf der Flucht an den EU-Außengrenzen des Balkans aufmerksam macht.

Gerade arbeitet Schulze in Nordserbien, dem Teil des Landes, der an Ungarn, Rumänien und Kroatien grenzt. Von dort aus versuchen Menschen auf der Flucht in die EU zu gelangen, erzählt Schulze. „Sie nennen das aufs Game gehen, weil es wie eine Art Spiel ist: Man muss es häufig probieren, bis man es schafft”, sagt sie. Einige sterben bei dem Versuch.

Die meisten Mitglieder von Blindspots leben in Leipzig und Berlin. Den Verein gibt es seit Juni 2021. Er basiert auf einer Initiative der Berliner und Leipziger Club-, Kunst- und Kulturszene. Mittlerweile gehören 45 feste Mitglieder dazu. Teils finanziert sich Blindspots durch private Spenden, teils durch Stiftungsgelder.

Neben Öffentlichkeitsarbeit in Form von Workshops, Interviews und Spendenkampagnen, organisiert Blindspots Projekte an den Grenzgebieten des Balkans und in der Ukraine. Der Verein entsendet Freiwillige, die versuchen, die Lebensbedingungen an den Grenzgebieten zu verbessern.

Das aktuellste Projekt, in Kooperation mit weiteren Initiativen, befindet sich in Nordserbien, wo Schulze gerade für zwei Wochen gemeinsam mit einer weiteren Person ein vierköpfiges Bauteam betreut. Bis es Menschen gelingt, die Grenze zu überqueren, braucht es oft mehrere Anläufe. Die Überbrückungszeit verbringen sie im Grenzgebiet.

Ein Squat, der nicht isoliert ist, kann bei Minusgraden den Kältetod bedeuten.

Livia Schulze, Ehrenamtliche bei Blindspots

Wer Geld hat, bringt sich selbst unter, alle anderen leben in staatlichen Camps oder in illegalisierten Squats. Das sind Ruinen, verlassene Gebäudekomplexe oder Fabrikgelände, wo manchmal bis zu 600 Menschen gemeinsam wohnen. Teils fließen in den Squats kein Strom und Wasser. Es fehlen Fenster, Türen und Heizungen.

Der Ukraine-Krieg hat die ohnehin prekäre Lebenslage der Menschen auf der Flucht im Balkangebiet noch verschärft. „Die Energiekrise trifft alle, aber nicht alle gleich. Die wenigsten Menschen in Deutschland denken gerade darüber nach, was das bedeutet, wenn die Energiepreise im Balkan steigen. Ein Squat, der nicht isoliert ist, kann bei Minusgraden den Kältetod bedeuten”, sagt Schulze

Blindspots versucht die Lage für Menschen auf der Flucht zu verbessern. Dafür baut der Verein Öfen in provisorische Unterkünfte ein.

© David Pichler


„Warme Orte statt warme Worte”

So lautet der Titel der Winter-Spendenkampagne von Blindspots. Mit den Geldern werden die Lebensbedingungen in den Squats verbessert. Der Verein baut Öfen und Fenster ein und bringt Riegel und Schlösser an den Türen an.

„Wir gehen natürlich nicht einfach dahin und bauen in den privaten Lebensraum von Menschen Sachen ein. Erst suchen wir den Kontakt, zeigen Fotos von Öfen und bieten unsere Unterstützung an”, sagt Schulze. Oft nutzen sie Google, um vom Englischen zum Beispiel in Paschtu, Farsi, Dari oder Arabisch zu übersetzen. Oft reagieren die Menschen positiv auf das Angebot.

Squats sind aber keine dauerhafte Lösung. Sie werden regelmäßig von der Polizei geräumt, die dort lebenden Menschen zwangsweise in die staatlichen Camps zurückgebracht. Die neu aufgebaute Infrastruktur wird zerstört, um so die Rückkehr der Menschen zu verhindern. „Es ist ein Teufelskreis”, sagt Schulze. Für das Team ist das aber kein Grund aufzugeben. Entweder sie fangen von vorne an oder sie verlagern ihre Arbeit auf andere Gebiete. Mehr zum Verein lesen Sie auf der Webseite Blindspots.support.de.

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