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Berlin: Wärme ums Herz

Es soll entgiften, die Haut straffen und das Immunsystem stärken – kann Saunieren all das wirklich? Und was passiert im Körper beim Schwitzen? Ein Mediziner erklärt

Der Körper wird um ein Grad Celsius wärmer, die Temperatur der Haut steigt sogar um zehn Grad: In der Sauna-Kabine ist unser Organismus Extrembedingungen ausgesetzt. Trotzdem gilt Saunieren als ideale Vorbeugung vor Krankheiten. Gerade im Winter suchen Millionen Deutsche die künstliche Hitze, um sich abzuhärten – etwa 17 Millionen Männer und 13 Millionen Frauen, laut einer Umfrage, die der Sauna-Bund beim Umfrageinstitut Forsa in Auftrag gegeben hat.

Dabei tut Saunieren dem Körper streng genommen nicht gut. Auf jede große Hitze reagiert unser Organismus mit Abwehrmaßnahmen. Er versucht, seine Temperatur bei 37 Grad Celsius zu halten. Die peripheren Blutgefäße, etwa in Händen und Füßen, erweitern sich dann. Dadurch verstärkt sich dort die Durchblutung. Ziel des Körpers: Die Wärmeabstrahlung nach außen soll erhöht werden, damit es drinnen kühler wird. Weil so viel Blut in die Randzonen fließt, fehlt es tiefer im Innern des Körpers. Deshalb sinkt der Blutdruck. „Das Herz reagiert darauf natürlich und versucht, regulierend einzugreifen. Es schlägt schneller oder steigert seine Kraft, um sozusagen die entstandenen Tiefdruckgebiete im Körper aufzufüllen“, sagt Jürgen Kleinschmidt, Balneologe, das heißt: Bäderkundler, an der Universität München.

Saunagänge stellen also eine Belastung für den Organismus dar – und genau das sollen sie auch. Denn die Anstrengung hat ihr Gutes. Sie ist ein ausgezeichnetes Training. Wie beim Sport gilt das Prinzip: Je öfter man den Körper fordert, ihm Belastungen zumutet, desto leistungsfähiger wird er.

Laut einer Studie der japanischen Universität Kagoshima hat Saunieren sogar ähnlich positive Effekte wie Ausdauersport – Jogging im Sitzen. Die Fähigkeit der Blutgefäße, sich zusammenzuziehen und zu dehnen, nehme nach häufigen Saunabesuchen deutlich zu. Erkrankungen wie Arteriosklerose, bei der sich die Gefäße in Folge erhöhter Blutfettwerte, Rauchen oder Diabetes verhärten, könnten so abgeschwächt werden. Das Risiko für Schlaganfälle oder Herzinfarkte vermindere sich, heißt es in der Studie.

Die Elastizität der Blutgefäße wird besonders durch gezielte Abkühlung zwischen den Saunagängen trainiert, etwa durch den Sprung in ein Becken eiskalten Wassers. Dann ziehen sich die Gefäße an der Peripherie des Körpers, also der Haut, zusammen. Das Blut strömt vermehrt zurück ins Zentrum, dort steigt der Blutdruck. Das Herz muss seine Leistung deshalb wieder abbremsen – was wie ein Fitnessprogramm auf den Muskel wirkt.

Aber Saunagänge haben noch andere positive Wirkungen. Weil das Herz bei der großen Hitze zur Blutdrucksteigerung härter arbeiten muss, braucht es auch mehr Energie. Deshalb laufen die Stoffwechselprozesse überall im Körper schneller ab als normal. Viele verschiedene Substanzen werden in einzelnen Zellen und in ganzen Organen, zum Beispiel in der Leber oder in den Nieren, rascher abgebaut. Die natürliche „Entgiftung“ des Körpers wird auf diese Weise beschleunigt.

Umstritten jedoch ist der Effekt eines Saunabesuchs auf Lungenerkrankungen. Offenbar haben die Wärme und die damit verbundene bessere Durchblutung zwar eine krampflösende Wirkung auf die Muskulatur der Bronchien, wodurch sich der Abtransport des Schleims verbessert. Außerdem können die Erweiterung und das Zusammenziehen der Bronchien durch den Temperaturwechsel trainiert werden. Dennoch verträgt nicht jeder Asthmatiker den Saunabesuch gut.

Die positive Wirkung auf das Immunsystem, die man dem Saunieren oft nachsagt, hängt wohl vor allem mit der Abkühlung nach den Saunagängen zusammen. Weil Kälte zu schwächerer Durchblutung führt und weniger durchblutete Schleimhäute eine bessere Angriffsfläche für Viren bieten, reagiert der Körper auf sinkende Temperaturen anscheinend mit der Mobilmachung seiner Verteidigungskräfte. Studien haben nachgewiesen, dass spezielle Abwehrzellen, die T-Lymphozyten, nach Heiß-Kalt-Saunabesuchen aktiver sind. Ein weiterer Effekt ist, dass die stärkere Durchblutung der Schleimhaut im Nasen-Rachen-Raum dafür sorgt, dass mehr Abwehrzellen dorthin gelangen und Viren und Bakterien abfangen.

Da Saunieren eine Herausforderung für den Organismus darstellt, sollten insbesondere ältere und gesundheitlich schwache Menschen jedoch vorsichtig sein. Zu den sanften Alternativen gehören türkische Bäder, in denen nur Temperaturen um 35 Grad Celsius herrschen, oder Infrarot-Wärmekabinen, in denen es etwa 50 Grad heiß ist. „Bei längerem Aufenthalt lassen sich dort die gleichen Ergebnisse erzielen wie in der klassischen Sauna, in der die Temperaturen bis zu 100 Grad Celsius erreichen“, sagt Balneologe Kleinschmidt.

Für gesunde Menschen gilt: Ein oder zwei Saunabesuche in der Woche sind optimal. Wie lange man dann in der Kabine bleibt, hängt von der persönlichen Verfassung ab. Auf jeden Fall sollte ein Saunagang nicht länger als 15 Minuten dauern. Sonst droht der Kreislauf-Kollaps. Insgesamt drei solcher Gänge, mit Abkühlphasen von bis zu einer halben Stunde dazwischen, sind ein gutes Training für das Herz-Kreislauf- und das Immunsystem. Und „wer gerade frisch erkältet ist, kann mit der Sauna vielleicht noch Schlimmeres vermeiden“, sagt Bäderkundler Kleinschmidt. Wenn Husten und Schnupfen allerdings schon richtig aufgeblüht sind, muss man die Hitze meiden. Vor dem Saunabesuch zum Arzt gehen sollten Menschen, die unter Herzkrankheiten, Bluthochdruck oder Entzündungen leiden.

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