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Am Tatort, in der Unterführung zum Monbijoupark, wurden Blumen und Kerzen für das 13 Jahre alte palästinensische Opfer abgelegt.

© Paul Zinken / dpa

Messerattacke im Berliner Monbijoupark: Warum starb der 13-jährige Mohammed?

In einem Tunnel am Monbijoupark in Berlin gibt es einen Streit, dann ist ein Junge tot. Der Messerstecher hat sich mittlerweile gestellt. Eine Rekonstruktion.

Er kam vor vier Jahren mit seiner Familie nach Deutschland. Sie hatten in Jarmuk gelebt, einem Lager für palästinensische Flüchtlinge bei Damaskus. Dann flüchteten sie vor dem Krieg in Syrien. Jetzt ist Mohammed A. tot, gestorben in Berlin, im Alter von nur 13 Jahren. Weil ein Mann ihn am Samstagabend mit Messerstichen tödlich verletzt hat. Nach Tagesspiegel-Recherchen könnte es um ein junges Mädchen gegangen sein.

Am Montag hat sich der mutmaßliche Täter bei der Mordkommission des Landeskriminalamtes (LKA) gestellt. Der Druck war offenbar zu groß: Die Polizei hatte einen Zeugenaufruf gestartet und eine Täterbeschreibung herausgeben: ein Mann, Mitte 40, mit Oberkopfglatze und graumeliertem Vollbart. Die Resonanz war groß, es gingen zahlreiche Hinweise ein.

Die Ermittler nahmen den 41 Jahre alten Mann, türkischer Staatsbürger, daraufhin vorläufig fest und vernahmen ihn noch am selben Tag als Beschuldigten. Nach Tagesspiegel-Informationen ist er der Polizei wegen Gewaltdelikten bekannt. Über die Ursache des tödlichen Streits gibt es den Angaben zufolge noch keine Erkenntnisse.

Aus dem Umfeld des Opfers und in den sozialen Medien war der Vorwurf laut geworden, dass sich der Täter rassistisch geäußert haben soll. Doch bislang, so erklärte die Staatsanwaltschaft nun, gibt es „keine Hinweise auf ein etwaiges rassistisches Tatmotiv“. Noch sind viele Fragen offen. Nach den Schilderungen von Augenzeugen handelte der Täter eiskalt – und blieb es offenbar auch direkt nach der Tat.

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Im Tunnel zwischen James-Simon- und Monbijoupark, direkt unter der Stadtbahn, soll der Mann, so stellt es die Polizei zunächst dar, in Streit geraten sein mit einer siebenköpfigen Gruppe. Erst soll er Mohammed mindestens zwei Mal in den Bauch gestochen haben. Als er weggehen wollte und von einem 22- Jährigen angesprochen wurde, stach er auch auf diesen ein. Der 22-Jährige, ein Syrer, erlitt schwere Verletzungen im Schulterbereich, schwebte in Lebensgefahr und liegt im Krankenhaus. Der Täter aber ging ruhig weiter, keine hektische Flucht.

In dieser Unterführung im Monbijoupark ist Mohammed erstochen worden.

© Paul Zinken/dpa

Ermittler der Mordkommission untersuchten die ganze Nacht zum Sonntag den Tatort und befragte Zeugen. Nach Berichten lagen ihr auch Fotos oder Videos des Verdächtigen vor. Die Leiche des Jungen wurde am Sonntagvormittag obduziert. Am Sonntag und Montag standen Kerzen und Blumen an der Unterführung.

Auch Mohammed soll der Polizei bereits aufgefallen sein. Freunde nannten ihn Momo, wie einer von ihnen schreibt. Seit drei Wochen lebte er nicht mehr bei seinen Eltern. So berichtete es sein Vater am Montag dem Tagesspiegel.

Die Eltern hatten demnach beim Jugendamt um Hilfe gebeten, weil sie mit Mohammed nicht mehr zurechtgekommen sind. Auf seine Eltern habe er nicht mehr gehört, sagen sie. Über den Kinder- und Jugendnotdienst nahm das Jugendamt Mohammed in Obhut. Doch in der Einrichtung soll der 13-Jährige selten übernachtet haben. Jedenfalls erklärten ihm das die Mitarbeiter am Telefon, sagt der Vater, als er dort angerufen hatte, um sich nach seinem Sohn zu erkundigen.

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Die Senatsjugendverwaltung hat bislang nur Hinweise darauf, dass das Opfer in einer Einrichtung der Jugendhilfe untergebracht war. Denen gehe die Behörde jetzt nach, sagte eine Sprecherin. Aus Rücksicht auf das besondere Schutzbedürfnis wollte sich die Jugendverwaltung jedoch nicht näher zu dem Fall äußern.

Die Familie hatte auch noch selbst Kontakt zu Mohammed, wie die Geschwister und die Eltern erzählen. Doch drei Tage vor der Tat war er nicht mehr zu erreichen. Der Handyvertrag sei ausgelaufen, sagen sie.

Am Montag hat der Vater das andere Opfer, den 22-jährigen Ahmed A., im Krankenhaus besucht. Hossam A. wollte hören, wie es dazu kommen konnte, dass sein Sohn nun tot ist. Von jenem Mann, der sich für Mohammed eingesetzt hat, den Täter angegangen ist.

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Rückblick, Samstagabend im Monbjioupark in Mitte. In den vergangenen Wochen gab es immer wieder Einsätze der Polizei, Beamte kontrollierten, ob die Corona-Schutzregeln eingehalten werden. Ab und an gab es auch Auseinandersetzungen, wenn Beamte Partys auflösten.

Menschen, Jugendliche, Erwachsene feierten nachts in Park. Die Parks gegenüber der Museumsinsel hatten sich in den Wochenendnächten zu Treffpunkten entwickelt. Zum Teil versammelten sich hunderte junge Männer und Frauen, hörten Musik, tranken und tanzten. Heitere Stimmung in der Corona-Pandemie.

Der Schock sitzt auch bei Zeugen tief

So war es auch diesmal. Eine Zeugin beschreibt die Stimmung am späten Abend als ausgelassen. Viele Menschen seien an diesem Samstagabend im Monbijoupark gewesen, es wurde getrunken, es sammelten sich vor allem Gruppen Jugendlicher. Es sei aber friedlich gewesen, habe keinen Stress gegeben. Die Polizei sei zwei bis drei Mal die Stunde mit einem Wagen durch den Park gefahren, neben der Grünanlage parkten drei weitere Polizeiwagen. „Das war schon auffällig“, sagt sie. Sie verließ den Park nur wenige Minuten vor der Tat, der Schock sitzt auch Tage später tief.

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Mohammed soll an diesem Abend mit einem zwölfjährigen Mädchen unterwegs gewesen sein und nicht mit einer Gruppe, so hat es der Vater im Krankenhaus von Ahmed A. gehört. Sie sei „eine Freundin“ gewesen, heißt es. Mohammed und Ahmed hätten sich schon eine Weile vom Hermannplatz gekannt, sie hingen dort zusammen ab.

Sie grüßten sich kurz an diesem Abend, erzählt Ahmed A. dem Tagesspiegel. Dann sei ihm der spätere Täter entgegenkommen, bei ihm sei eine jüngere Frau gewesen, er soll geflucht haben – auf Deutsch: „Scheiße“. Schließlich hörte Ahmed A. hinter sich Schreie, er drehte sich um, schaute in den Tunnel und sah wie der Mann auf Mohammed einstach.

Auch ein anderer Augenzeuge hörte die Schreie. Er lief in Richtung Stadtbahnviadukt. Er sah, wie Mohammed starb. Und er sah, wie Ahmed A. seine Jacke nahm, sie sich um Hand und Arm wickelte und den Täter stoppen wollte.

Der Täter soll ihm gesagt haben, dass er mit ihm das Gleiche machen würde wie mit dem Jungen, berichtet Ahmed A. Dann rammte der Täter ihm das Messer in den oberen Brustbereich. Die Ärzte im Krankenhaus sagten A. später, als er wieder aufgewacht war: Er habe sehr viel Glück gehabt, dass er überlebt hat.

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