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Neubauten in der Czarnikauer Strasse in Prenzlauer Berg.

© imago/Schöning

Wegen fehlender Wohnungen in Berlin: Ex-Staatssekretär Andrej Holm will Landesfirmen zentralisieren

Zu schwerfällig, zu eigensinnig, zu verkopft: Die Kritik an den Landeseigenen Wohnungsunternehmen ist heftig. Die Lösung ist radikal.

Der Vorschlag ist geeignet, das ohnehin angeschlagene Porzellan zwischen den sechs Landeseigenen Wohnungsunternehmen (LWU) und Teilen der rot-rot-grünen Koalition endgültig zu zerdeppern: Weil die Firmen nicht schnell genug bauen und angeblich die Interessen ihrer Mieter:innen zu wenig beachten, sollen sie zu einer Holding zusammengefasst und dem direkten Zugriff des Senats unterstellt werden.

So steht es in einem Konzept, dass die beiden Stadtentwicklungsexperten Andrej Holm und Jan Kuhnert (ehemals Grüne) gemeinsam erarbeitet haben. Das 40-seitige Papier unter dem Titel „Die nächsten Schritte zur sozialen Ausrichtung und Stärkung der landeseigenen Wohnungsunternehmen“ liegt dem Tagesspiegel vor. Zuerst hatte die „Berliner Zeitung“ darüber berichtet.

Das, was der wegen seiner Stasi-Vergangenheit nach kurzer Zeit im Amt zurückgetretene Staatssekretär Holm und der im Februar von seinem Vorstandsposten in der Wohnraumversorgung Berlin abgelöste Kuhnert vorschlagen, bedeutet nicht weniger als eine Revolution im öffentlichen Wohnungswesen der Stadt. Statt aktuell sechs Gesellschaften soll es am Ende des von den beiden entworfenen Phasenmodells künftig nur noch eine geben.

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In Form einer Anstalt öffentlichen Rechts soll diese die „aufwändige behördenseitige Steuerung der LWU bündeln und zur besseren Umsetzung des Gesellschafterwillens“ – also des Senats – beitragen. „Mit einer einheitlichen Steuerungseinrichtung soll der bisherige Steuerungsaufwand von Verwaltung und Parlament drastisch reduziert und ein effektives Controlling der sechs Gesellschaften eingerichtet werden“, heißt es weiter.

Erreicht werden sollen so gleich zwei Ziele: „Die Schaffung der Neubaufähigkeiten der LWU über das bislang bescheidene Volumen hinaus und der Umbau der derzeit stark zentralisierten Verwaltungsstruktur hin zu einer regionalisierten, an den Interessen der Mieterinnen und Mieter orientierten Wohnungsverwaltung.“

Andrej Holm gilt als kritischer Begleiter der Wohnungspolitik in Berlin.
Andrej Holm gilt als kritischer Begleiter der Wohnungspolitik in Berlin.

© Jörg Carstensen/dpa

Ihre Vorschläge garnieren Holm und Kuhnert mit teils harscher Kritik an den Gesellschaften. Diese hätten politische Beschlüsse zu Mietverzichten „wiederholt unterlaufen“, Widerstand gegen höhere Quoten für Sozialbindungen geleistet und würden sich gegen stärkere Beteiligungsrechte der Mieter:innen stemmen.

Stadt und Land reagiert zurückhaltend auf die Kritik

Ihre Transformationspotenziale seien „begrenzt“, „strukturelle organisatorische Defizite“ würden zur Verfehlung der Neubauziele beitragen und „die Eigeninteressen der LWU bisher einer übergreifenden Kooperation entgegenstehen“. Die von den beiden vorgeschlagene Holding, in der nur noch die Hälfte der aktuell 12 Vorstände der Gesellschaften Platz finden sollen, könnte die Lösung sein.

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Gemessen an der Schärfe der Kritik reagierte Ingo Malter, Geschäftsführer der Stadt und Land und in Vertretung Sprecher aller LWU, zurückhaltend. Er kenne die Studie erst auszugsweise und werte diese aus, erklärte Malter am Dienstag. „Ad hoc lässt sich sagen, dass die LWU deutlich leistungsfähiger sind, als dargestellt“, sagte er und bezeichnete die sechs Unternehmen zusammen als „derzeit größten Projektentwickler Deutschlands im Sektor Wohnungsbau.“

Die Gesellschaften könnten zur Beseitigung der Wohnungsknappheit in Berlin beitragen, „wenn Aspekte wie Beschleunigung der Genehmigungsverfahren und Wirtschaftlichkeit der einzelnen Projekte stärkere Berücksichtigung in der Debatte finden“, sagte Malter und kritisierte damit die allzu langwierigen Genehmigungsverfahren, die öffentliche wie private Bauprojekte gleichermaßen ausbremsen.

Jan Kuhnert, Mit-Initiator des Berliner Mieten-Volksentscheides 2016.
Jan Kuhnert, Mit-Initiator des Berliner Mieten-Volksentscheides 2016.

© imago images/Eventpress

Abseits der offiziellen Verlautbarung führte der Vorstoß von Kuhnert und dem der Linkspartei nahestehenden Holm in der Immobilienbranche zu Verwunderung. Auf der einen Seite sollen Großkonzerne enteignet und zerschlagen werden, auf der anderen Seite will man einen öffentlichen Megakonzern gründen – so kritisiert ein Kenner der Szene die Pläne der beiden mit Blick auf den Volksentscheid zur Enteignung großer Wohnungskonzerne.

Er erinnert daran, dass das Verfehlen der Neubauziele durch die Landeseigenen nicht auf deren fehlende Anstrengungen, sondern auf ausbleibende Baugenehmigungen und Bauprozesse zurückzuführen sei. Forderungen wie jene nach dem dezentralen Aufbau einer Beteiligungsstruktur für Mieter:innen bedürften einer Steuerung in kaum leistbaren Umfang. Mehr Effektivität, wie von Holm und Kuhnert angestrebt, lasse sich so nicht erreichen.

Die Berliner Linke-Fraktion signalisiert Zustimmung

Unklar ist, inwiefern Linke und Grüne, die zuletzt im Clinch mit den Landeseigenen lagen, in die Entstehung des Konzepts eingebunden waren. Tagesspiegel-Informationen zufolge war das Papier einzelnen Mitgliedern der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus bereits vor Veröffentlichung bekannt, Linken-Fachpolitikerin Katalin Gennburg signalisierte Zustimmung.

„Ich finde es erstmal komplett richtig“, sagte Gennburg und erklärte, die Forderungen nach einer Neuaufstellung der landeseigenen Wohnungsbaugesellschaften würden nicht abreißen, „solange diese die Belange der mietenpolitischen Bewegung in Berlin nicht ernst nehmen.“ Gennburg kritisierte „die fehlende Gemeinwohlorientierung“ der LWU sowie „überteuerte Projektankäufe zugunsten der großen Baugiganten und zulasten der Mieten.“

Zuletzt hatte das Ringen um eine neue Kooperationsvereinbarung zwischen Senat und LWU das  Klima zwischen beiden belastet. Verschärft wurde die Lage durch den Streit um die Besetzung des Vorstandspostens der Wohnraumversorgung Berlin. Volker Härtig folgte auf Jan Kuhnert, Linke und Grüne liefen Sturm und scheiterten. Hinzu kamen die Auseinandersetzungen wegen des später vor Gericht gescheiterten Mietendeckels.

Bleiben Linke und Grüne an der Macht und verliert die SPD möglicherweise sogar die Koalitionsführung, dürfte sich das Klima zwischen Senat und Gesellschaften weiter verschlechtern.

Hinweis: In der Ursprungsfassung dieses Beitrags haben wir fälschlicherweise behauptet, Andrej Holm sei Mitglied der Linkspartei. Das entspricht nicht den Tatsachen. Wir bitten den Fehler zu entschuldigen.

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