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Auch er ist jetzt BER: Der frühere Flughafen Schönefeld heißt nun Terminal 5.

© Patrick Pleul/dpa

Die BER-Challenge für Busfahrer: Wer nicht abbiegt, landet auf der Autobahn

Das Wichtigste: Fixpunkte merken. Sonst können sich die BVG-Busse auf dem Weg zum neuen Berliner Flughafen leicht verirren. Eine Testfahrt.

Dann, das Flugfeld liegt längst im Rücken, lauert die folgenreichste Gefahr. Langsam rollt der Bus über die leere Zufahrtsstraße zum BER. „Guck, wo du wieder rauskommst“, ruft einer von hinten, stellt sich hin, zupft nervös an seiner Maske, während vorne ein anderer trocken warnt: „Wer hier jetzt nicht abbiegt, kommt auf die Autobahn.“ Busfahrer, die aus Fenstern starren.

Ein dritter lacht. Das ist der, der vor ein paar Wochen nicht abgebogen ist. Er fuhr seinen Bus über die A10 zurück in die Stadt. War nicht so schlimm, noch üben sie ja.

Seit vier Wochen startet beinahe täglich morgens und mittags ein Bus vom BVG-Betriebshof Lichtenberg in Richtung Flughafengelände. Zehn Busfahrer und Busfahrerinnen dürfen jeweils an Bord sein, bis Mitte der Woche waren insgesamt bereits 200 mitgefahren. Am Ende sollen all jene, die ab dem 31. Oktober 2020 Passagiere vom U-Bahnhof Rudow zu den Terminals bringen werden – oder zurück – die neue Strecke kennen.

Dieser Bus, an diesem Dienstagmorgen, ist eine als Betriebsfahrt getarnte Linie X7. Er befördert Gruppenleiter der BVG, die ihre Beobachtungen später an Fahrer in ihrem Team weitergeben können. Erstmal raus aus Lichtenberg, durch den Weitlingkiez, die Schlichtallee hinab, links auf die Hauptstraße, Richtung Köpenick, dann rechts über die Minna-Todenhagen-Brücke, weiter und weiter, Baumschulenstraße, Königsheideweg, hinein nach Neukölln. Es gibt nicht unendlich viele Wege, die so ein Fahrzeug nehmen kann, Straßenbelag und -breite, Tragfähigkeit, all das muss stimmen.

Einsetzfahrt nennen sie das, diesen Weg, den ein Bus nimmt, bis er überhaupt dort angekommen ist, wo seine Schicht beginnt. „Das Wichtigste, um sich eine neue Strecke merken zu können, sind Fixpunkte fürs Abbiegen“, sagt Boris Malanowski, entspannt im Vierersitz. Hier eine Tankstelle, da ein markantes Haus. Eine Kollegin filmt durch die Frontscheibe, eine andere macht sich Notizen.

[Es ist soweit - der Hauptstadtflughafen soll diesmal wirklich in Betrieb gehen. Aber warum hat das eigentlich so lange gedauert? In unserem 3D-Rundgang können Sie den BER schon vorab besichtigen.]

Boris Malanowski, 39 Jahre alt, Busfahrer in dritter Generation, war laut eigener Aussage der erste, der einen BVG-Bus vor ein paar Wochen auf das neue Flughafengelände steuern durfte. Er weiß bereits, dass die Zeit knapp kalkuliert ist, in der sie von Rudow zum Flughafen kommen sollen. „Bummeln“, sagt er, „darf ein Fahrer hier nicht." Bei seiner ersten Tour musste er gemeinsam mit einem Kollegen noch eine Baustellenabsperrung von der neuen Straße am BER räumen.

Die Anfahrt ist ein Geschicklichkeitsparcours

Sie können darüber lachen und wissen doch, dass man es am Ende vor allem ihnen übel nehmen wird, wenn der Zeitplan aus dem Takt gerät. Dabei ist schon die Anfahrt zu Terminal 5, dem alten Schönefeld-Airport-Bau, ein Geschicklichkeitsparcours. Das heitere Trüppchen wechselt, zunehmend angespannt, in den Konjunktiv: Wäre da die Straße schon fertig, würdest du hier entlangfahren. Gäbe es jene Absperrung nicht, könntest du dort halten. Bis dahin: Mach so, wie du es schaffst.

Boris Malanowski fuhr als einer der ersten einen BVG-Bus zum BER.
Boris Malanowski fuhr als einer der ersten einen BVG-Bus zum BER.

© Katja Demirci

Linkskurve, Rechtskurve, weiter auf die Straße zu den neuen Terminals 1 und 2. Der Kniff, sagt der BVG-Personalrat, der am Steuer sitzt, ist, dass es hier keine gesonderte Beschilderung gibt. Eine Straße für alle und die Busfahrer mittendrin. Er formuliert das unfreundlicher, denn er weiß, dass das den Männern und Frauen, für die er sich einsetzt, einiges abverlangt.

Etwa zu wissen, dass man sich auf dem weiten Weg rund ums Flugfeld rechts halten muss, Richtung Service Areas. „Ich würde mir völlig falsch vorkommen, wenn ich hier zum ersten Mal fahre“, sagt einer und meint: als Passagier. Oder?

Nicht die klassischen Fahrgäste

Elegant kurvt der Bus zur Haltestelle A8, Ausstieg. Schön, befinden die Damen und Herren an Bord. Die Haltestellen sind gelungen. Allein, dass die Menschen knapp hundert Meter weiter erst einsteigen dürfen – das wird für Gerenne sorgen. Ihrer Erfahrung nach.

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Nichts, womit sie nicht umgehen könnten, wenn sie müssten. „Menschen, die zum Flughafen wollen, sind nicht die klassischen Fahrgäste“, sagt Boris Malanowski. Wer sich auf einen anstehenden Urlaub freut oder entspannt von einem zurückkehrt, dessen Frustrationstoleranz liegt über dem Berliner Durchschnitt. Ohnehin, sagt er, „das Anfahren von Flughäfen ist etwas ganz Besonderes“. Er kennt das aus Tegel. Nahverkehrsromantik.

Ausnahmsweise Einsteigen am Ausstieg, dann geht es auch schon zurück. Die Gruppenleiterin, die frisch aus Wedding zum Lichtenberger Betriebshof dazugestoßen ist, filmt wieder – Achtung, Autobahn – kurz vor dem U-Bahnhof Rudow merkt Boris Malanowski auf. Wo ist hier der Ausstieg, vor oder nach der Kreuzung? Davor. Ein Stückchen weiter zeigt er aus dem Fenster. Da steht die Ampel, deren leuchtender Querbalken den Bussen signalisiert, dass hier gewendet wird, einmal quer über die Neuköllner Straße – und zurück zum Flughafen.

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