zum Hauptinhalt
v.l.n.r. Skadi Loist, Jaye Lin, Catherine Lieser und Moderatorin Zoë van Doren vor dem Poster des diesjährigen Taiwan Film Festivals.

© Foto: Terence Li

Whisky und MeToo: Taiwan Film Festival startet in der Berliner Kulturbrauerei

Zum fünften Mal findet in Berlin das Taiwan Film Festival statt. Die Themen reichen von der Beziehung zu China über Queerness bis hin zu MeToo. Ein Ausblick.

Mehr als 200 Menschen wagten sich Freitagabend in das Kino in der Kulturbrauerei in Prenzlauer Berg. Ein Wagnis war es vor allem deshalb, weil das Thema kein einfaches war. Zum Auftakt des diesjährigen Taiwan Film Festivals entschied sich Kuratorin Jaye Lin dafür, den Film Nina Wu zu zeigen. Der Psychothriller handelt von einer jungen Schauspielerin in Taiwan, die für ihre Rollen ihre körperliche und geistige Gesundheit aufs Spiel setzt und sich immer wieder Gewalt und Missbrauch ausgesetzt sieht. Der Film zeigt eindrücklich, dass das Land weit mehr umtreibt als nur seine Beziehung zu China. „Taiwan ist 9.200 Kilometer von hier entfernt, aber ich hoffe, dass wir es euch ein wenig näher bringen können“, führt Lin in die Veranstaltung ein.

Die Protagonistin des Films, der 2019 in Cannes debütierte, gerät nach und nach tiefer in den Sog der taiwanesischen Filmindustrie samt ihrer Ausbeutung und Sexismen. Das Streben nach Anerkennung und Erfolg treibt sie in immer gefährlichere Situationen. Vom Regisseur lässt sie sich würgen, um ihre Szene authentischer zu gestalten und auch ohne Tauchschein und Stuntdouble riskiert sie bei einer Bootsexplosion ihr Leben. Eine kranke Mutter und ein verschuldeter Vater treiben ihr persönliches Martyrium auf die Spitze. Am Ende ihrer wachsenden Psychose kann der Zuschauer kaum noch Filmrealität und Fiebertraum unterscheiden: Bewegt sie ihre verflossene Jugendliebe echt zum Coming Out? Trachtet ihre Rivalin aus dem Casting ihr wirklich nach dem Leben? Wurde sie tatsächlich vom Produzenten missbraucht?

Es ist wie eine Narbe.

Hauptdarstellerin Wu Ke-xi über Mobbing in der Filmindustrie

Der Filmvorführung folgten zwei Diskussionen. Die erste wurde vorab aufgezeichnet, da Regisseur Midi Z und Hauptdarstellerin Wu Ke-xi, die beide auch zusammen das Drehbuch verfassten, nicht anwesend sein konnten. Im Videointerview erzählt Wu, dass die Geschichte auch teilweise auf ihren eigenen Erfahrungen mit Mobbing in der Filmindustrie beruht: „Es ist eine Geschichte über MeToo aus der Perspektive von jemandem mit posttraumatischer Belastungsstörung“. Sie sagt, dass das Skriptschreiben für sie auch eine Art Therapie war. „Es ist wie eine Narbe. Ich kann es als kreativen Fundus nutzen, aber der Schmerz vergeht nicht.“ Für Regisseur Midi Z war es wichtig, auch die Frage der Diversität anzusprechen. „Es gibt auch männliche Opfer und weibliche Malträtierer.“

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Im Vordergrund des Festivals steht auch der Austausch mit Deutschland. So folgte auf das Interview vom Band eine Podiumsdiskussion mit zwei Expertinnen zum Thema MeToo in der deutschen Filmindustrie. Catherine Lieser, Vorständin bei Women in Film and Television, berichtete vom sehr langsamen Umdenken in der Szene, beispielsweise durch das Einführen von Intimkoordinatoren. „Das Bewusstsein, das bei Intimszenen die Seele verletzt werden kann, ist ganz neu.“ Filmprofessorin Skadi Loist nahm Bezug auf das wirkliche Ausmaß des Problems: „Bei MeToo geht es nicht um Einzelfälle, sondern ein System.“

Um den Eröffnungsabend jedoch nicht allzu düster ausklingen zu lassen, lud das Veranstalterteam zum Schluss zu einer taiwanesischen Whiskyverkostung aufs Haus. Das Taiwan Film Festival ist mittlerweile das größte seiner Art in Europa. Organisiert wird es vom Verein Impression Taiwan, der sich um den kulturellen Austausch mit Deutschland bemüht. Die Auftaktveranstaltung wurde in Kooperation mit der Friedrich-Naumann-Stiftung ausgerichtet.

Bis zum 2. Oktober können sich Besucher noch selbst ein Bild von Taiwans Filmkunst machen. Am Sonnabend lädt die Kulturbrauerei gleich doppelt ein. Um 17:30 Uhr wird ein Film gezeigt, der die Proteste in Hong Kong 2019-20 behandelt. Um 20 Uhr folgt eine Aufführung von drei Fantasy-Kurzfilmen. Beide Veranstaltungen werden von Paneldiskussionen begleitet. Der Schlussfilm des diesjährigen Festivals wird Dear Tenant aus dem Jahr 2020 sein, der sich mit der LGBTQIA+-Community und dem Thema der gleichgeschlechtlichen Ehe in Taiwan befasst.

Tickets für das Taiwan Film Festival gibt es ab zehn Euro. Mehr Informationen unter festival2022.impressiontaiwan.org

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false