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„Klassentreffen der Fair-Trade-Bewegung“ in Berlin: Wie nachhaltig kann eine Konferenz sein?
Im Wedding treffen sich gerade 450 Teilnehmende zum Fair Trade Summit. Sie diskutieren über Community interne Richtungsfragen.
Stand:
Damit im Supermarktregal eine Packung Röstkaffee steht, müssen davor sehr viele Menschen Aufgaben erledigen. Zum Beispiel Kaffeekirschen pflücken, Früchte schälen, Bohnen rösten und verpacken, verschiffen, ausfahren und sie dann im Supermarkt einsortieren.
Und je tiefer die zu erledigende Aufgabe im globalen Süden liegt desto schlechter wird sie bezahlt: Meistens, weil dieser Teil der Welt ökonomisch benachteiligt ist, da er oft im Kolonialismus ausgebeutet wurde .
Für die Teilnehmenden, des seit Dienstag in Wedding stattfindenden „Fair Trade Summit“ soll das nicht so bleiben. Sie finden das unfair, haben häufig selbst mit der Lieferkette des Kaffees zu tun und und kommen deshalb zur größten Versammlung von Fair-Handels-Unternehmen weltweit zusammen.
Abgehalten wird die Konferenz im Silent Green, einem alten Krematorium in Wedding, das mittlerweile ein Kulturort ist. Zur Veranstaltung gehört ein Fair-Trade-Markt, auf dem es Kulturbeutel aus Kambodscha gibt, Holzlöffel aus der Türkei und Würzsoßen aus Südafrika. Viele der Anwesenden tragen bunte Kleidung, großen Schmuck und Trekkingrucksäcke.
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Insgesamt sind 450 Teilnehmer:innen gekommen. 330 aus dem Ausland. Viele sind aus Sri Lanka, Äthiopien oder Indien angereist. Allerdings werden so etliche Tonnen CO2 ausgestoßen. Sie hätten vermieden werden können, wenn die Veranstaltung digital abgehalten worden wäre.
Das sieht Katrin Frank vom Forum Fairer Handel anders: „Natürlich ist es ökologisch nicht nachhaltig, wenn Menschen hierher fliegen, aber nach mehr als zwei Jahren Pandemie ist es einfach wichtig, sich wieder persönlich zu sehen.“
Die Teilnehmenden protestieren vor dem Brandenburger Tor
Frank hofft, dass durch die Vernetzung der unterschiedlichen Lieferketten-Akteure Ideen zustande kommen, die in den Herkunftsländern wiederum etwas Nachhaltiges bewirken. Die letzte Konferenz fand 2019 in der peruanischen Hauptstadt Lima statt.
Ziel der Zusammenkunft ist es, Community interne Richtungsfragen zu klären. Zum Beispiel, wie man damit umgeht, dass Fair-Trade plötzlich Mainstream wird und sich jeder Discounter vermeintlich fair produzierte Ware ins Regal stellt – oder wie man sich als Fair-Trade-Produzentin auf Instagram präsentiert. Außerdem sollen Handelspartnerschaften geschlossen werden. „Das hier ist ein bisschen wie ein Klassentreffen der Fair-Trade-Bewegung“, sagt Frank.

© Joana Nietfeld
Und Aufmerksamkeit soll auch generiert werden. Dafür trafen sich am Dienstag dieser Woche ungefähr die Hälfte der Teilnehmer:innen zu einer Protestaktion vor dem Brandenburger Tor. Eine Kette von Einkaufswagen wurde von ihnen rund um den Pariser Platz geschoben.
Auf der einen Seite der Wagen waren Plakate angebracht, die den Zustand der aktuellen Produktionsbedingungen beschreiben: „Zwangsarbeit und moderne Sklaverei“, steht auf einem, auf einem anderen: „Anheuern und Feuern-Mentalität“.
Auf der anderen Seite der Wagen waren die Zustände formuliert, wie sie sein sollten: „Selbstbestimmtes Leben für alle“, und: „Kündigungsschutz“. Als die Gruppe zum Höhepunkt der Veranstaltung im Chor rief: „Change the chain, all trade should be fair“ – auf Deutsch: Ändert die Kette, jeder Handel sollte fair sein“, schauten ein paar Touristen beim Selfiemachen kurz von ihren Smartphones hoch.
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