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Ein erneuertes Radwegenetz in Marzahn-Hellerdsdorf ist eines der Themen im morgigen Newsletter.

© Britta Pedersen/dpa

„Wir haben erst einen Minimalanteil erledigt“: Erst 4,2 Prozent von 2700 Kilometern Radwegenetz in Berlin fertiggestellt

Noch immer ist nur ein Bruchteil des Berliner Radnetzes errichtet. Dennoch wachse der Widerstand dagegen unverhältnismäßig an, kritisieren Aktivisten. Dem Autoverkehr sei bisher kaum Fläche genommen worden.

Der Ausbau der Radwege in Berlin kommt noch immer nur schleppend voran. Auch rund viereinhalb Jahre nach Einführung des Mobilitätsgesetzes ist erst ein Bruchteil der stadtweit geplanten Verbindungen errichtet worden. Das geht aus einer Auswertung der Verkehrswende-Initiative Changing Cities hervor, die am Dienstag vorgestellt wurde.

Bis 2030 sollen in der Hauptstadt ein riesiges Vorrangnetz, Radschnellwege und Routen an allen Hauptstraßen für den Radverkehr auf einer Länge von 2700 Kilometern entstehen. Doch fertiggestellt seien davon seit 2018 bislang lediglich 113 Kilometer; nur 4,2 Prozent des Zielwerts.

Noch schlechter falle die Bilanz aus, wenn berücksichtigt werde, ob auch die neuen baulichen Standards für die Breite der Radwege eingehalten wurden. Nur 27 Kilometer und damit nur ein Prozent der Routen entsprächen tatsächlich den Vorgaben im Mobilitätsgesetz.

Die Radweg-Planungen der kommenden Jahre sind kaum zu schaffen

„Wir haben erst einen Minimalanteil erledigt“, resümiert Jens Steckel von Changing Cities. Er warnt vor weiteren Enttäuschungen. In den ersten Jahren nach Beschluss des Mobilitätsgesetzes habe sich der Senat noch keine anspruchsvollen Ziele gesetzt.

Nun sehen die Planungen jedoch eine „massiv ansteigende Kurve“ vor, denen das Personal in der Senatsverkehrsverwaltung und den Bezirken nicht gewachsen sein dürfte, mahnt er. „Wir sehen nicht, wie man die exponentielle Steigerung des Plans umsetzen möchte.“

Zu den bereits 80 Planstellen brauche es daher 270 weitere Mitarbeiter, um das Pensum zu schaffen. Um effizienter zu werden, müsse auch endlich klar geregelt sein, dass die Senatsverkehrsverwaltung eigenständig für Planung und Bau von Radwegen an Hauptstraßen zuständig ist. Geplant ist dieser Schritt, jedoch nicht umgesetzt.

Zwar habe es seit Amtsübernahme durch Bettina Jarasch (Grüne) eine Veränderung gegeben. Doch noch immer bewege sich zu wenig, sagte Ragnhild Sørensen von Changing Cities. „Wir nehmen wahr, dass da etwas passiert ist, aber es hängt immer noch unglaublich viel.“

Genauso groß sehen die Aktivisten jedoch die Gefahr, dass der wachsende politische Widerstand in Senat und Bezirken die Umsetzung der Verkehrswende in Berlin verhindere. „Es ist noch fast nichts geschehen, trotzdem sehen wir, wie sich die Gegner der Verkehrswende bereits formieren und warnen, es sei zu viel gegen den Autoverkehr geschehen“, konstatiert Jens Steckel.

Es ist noch fast nichts geschehen, trotzdem sehen wir, wie sich die Gegner der Verkehrswende bereits formieren und warnen, es sei zu viel gegen den Autoverkehr geschehen.

Jens Steckel, Changing Cities

Mit der CDU, FDP und SPD gebe es eine Gruppe von Parteien, die erklärten, dass bereits die bislang umgesetzten Strecken zu viel seien, fügte Ragnhild Sørensen hinzu.

Auf 21 Kilometern wurden dem Autoverkehr Fahrstreifen genommen

Die tatsächliche Situation auf den Straßen gebe diese Sicht nicht her, argumentieren die Aktivisten. 5342 Kilometer umfasse das Berliner Straßennetz für den Autoverkehr. Nur auf 21,7 Kilometern davon, lediglich 0,4 Prozent des Netzes, seien bislang Fahrstreifen für Kraftfahrzeuge entfallen, um einen Radweg einzurichten.

Insgesamt entspreche das einer umgenutzten Fläche von 90.000 Quadratmetern. Werde Ende 2024 der 16. Bauabschnitt der A100 in Betrieb genommen, überstiegen allein die dort für den Autoverkehr geschaffenen 110.000 Quadratmeter Strecke diese Fläche deutlich. „Das bisschen, was in den letzten Jahren dem Autoverkehr durch Radstreifen weggenommen wurde, wird überkompensiert“, sagte Steckel.

Auch vor diesem Hintergrund finden die Aktivisten die Debatte um die autofreie Friedrichstraße nur bedingt hilfreich. „Angesichts der Größe der Aufgabe, die bevorsteht, sind die 600 Meter marginal“, sagte Steckel.

Man müsse an vielen Stellen im Berliner Stadtgebiet gleichzeitig etwas voranbringen. „Dass man sich da verkämpft, ist zu bedauern.“ Das betreffe jedoch auch die Kritiker der Fußgängerzone. Es sei ein Fingerzeig, sagte Steckel, wie schnell man sich an manchen Stellen in der Verkehrswende verhake.

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