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Auch Jüngere sollten wählen dürfen, meint der Landesjugendring Berlin.

© imago

„Wir sind bereit mitzubestimmen“: Warum Berliner ab 16 wählen können sollten

Vier Stimmen fehlen für das Wahlalter ab 16. Die Berliner CDU sollte ihre Blockadehaltung aufgeben. Ein Gastbeitrag.

Ramona Hinkelmann ist Vorsitzende und Tilmann Weickmann Geschäftsführer des Landesjugendrings Berlin.

Gerade erst hat ein Berliner Parteienbündnis aus SPD, Grünen, Linken und FDP die CDU dazu aufgefordert, die für eine Verfassungsänderung noch fehlenden vier Stimmen für das Wahlalter 16 in der Hauptstadt zu liefern. In Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz haben die neuen Koalitionen beschlossen, dass auch 16- und 17-Jährige an Landtagswahlen teilnehmen dürfen. Es ist ein Trend, der an der CDU (#aufgehtsberlin) vorbeigeht. In der Hauptstadt spricht die Union jungen Menschen die Kompetenz für eine Wahlentscheidung ab.

„Wir wollen erst mehrere Ideen umsetzen, um das politische Interesse junger Leute zu wecken“, sagt der Parlamentarischer Geschäftsführer der CDU-Fraktion, Danny Freymark. Hält die Partei die jungen Menschen, die den Alten in der Corona-Pandemie die Stange halten und vor der Pandemie mit gehörig politischem Interesse 250 000 Menschen bei Fridays-for-Future-Demos auf die Straße bringen, tatsächlich für zu ungebildet und desinteressiert?

Die Forschung sieht dafür jedenfalls keine Anzeichen. In ihren aktuellen Studien kommen sowohl die Bertelsmann-Stiftung als auch die Otto-Brenner-Stiftung zum Ergebnis, dass 16-Jährige die nötige persönliche Reife, das politische Wissen und das Interesse für Wahlen haben. Vielmehr: Nichts steigert die Motivation zu politischer Bildung mehr, als wählen zu dürfen. Sätze wie die von Freymark riechen stark danach, das „Problem“ Wahlalter 16 einfach verschieben zu wollen.

Der Aufschrei wäre sicherlich groß, wenn wir von Erwachsenen verlangen würden, dass sie vor der Wahl nachweisen sollen, dass sie politisch gebildet sind. Von dieser Voraussetzung steht weder etwas im Grundgesetz, noch in der Berliner Landesverfassung. Mit welchem Recht verbieten wir 16- und 17-Jährigen also weiterhin, direkt teilhaben zu dürfen? Stattdessen treffen wir lieber Entscheidungen über ihre Köpfe hinweg. Die Zustände in den Schulen während der Corona-Pandemie sind dafür ein Beispiel – die Alten entscheiden, die Jungen haben zu kuschen.

Geht es nach der CDU, sollen junge Menschen erst einmal das Abgeordnetenhaus von innen gesehen haben, ehe sie wählen dürfen. Das soll in den Lehrplänen der Schulen verankert werden, denn damit könne man die politische Bildung stärken. Nichts gegen mehr politische Bildung – aber haben Sie schon einmal das Berliner Parlament von innen gesehen? Wählen dürfen Sie trotzdem. Für die Jungen gelten wohl andere Maßstäbe. Sie sollen sich ihr demokratisches Grundrecht erst verdienen müssen. Eine solche Sichtweise auf die junge Generation ist nicht mehr zeitgemäß und hat etwas Altbackenes und Staubiges.

Jugendparlamente reichen nicht

Auch die Jugendparlamente will die CDU zuerst stärken, bevor das Wahlalter 16 kommen darf. Sicher, diese Beteiligungsformate können ein Baustein für mehr Mitbestimmung junger Menschen sein, mehr aber auch nicht. Jugendparlamente haben keinen direkten Einfluss, sie sind maximal eine Art „Beirat“. Den jungen Menschen dort wäre mehr geholfen, wenn sie wählen gehen dürften.

Die CDU klagt, dass die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen bei den BVV-Wahlen (ja, hier dürfen sie) „desaströs“ sei. Wir stellen uns hier die Frage, ob die Kommunalwahl an sich nicht eher ein Imageproblem hat: Der öffentliche Diskurs konzentriert sich in Berlin nun mal voll und ganz auf die Abgeordnetenhauswahl.

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Aussagekräftiger wäre der Blick auf die Wahlbeteiligung 16- und 17-Jähriger in Bundesländern, in denen das Wahlalter 16 für Landtagswahlen schon gilt. Schaut man etwa nach Brandenburg wird klar: Die Wahlbeteiligung der 16- und 17-Jährigen war 2019 sogar um elf Prozentpunkte höher, als die ihrer Altersgenoss:innen zwischen 18 und 20.

Vier Stimmen der CDU fehlen für die nötige Zweidrittelmehrheit für das Wahlalter 16 im Berliner Parlament. 103 Abgeordnete sind dafür. Die CDU muss sich überlegen, ob sie die einzige Partei neben der AfD bleiben möchte, die jungen Menschen verbieten will, über ihre Zukunft direkt mitzubestimmen. Wie viel steckt wirklich hinter dem CDU-Slogan „#bereitfürmehr“? Die 60 000 Berliner:innen im Alter von 16 und 17 sind jedenfalls bereit.

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