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Die drei Betreiber:innen der Kulturschänke Bajszel in Neukölln

© Madlen Haarbach

Update

„Wir wollen, dass sie für immer schweigen“: Erneut antisemitische Drohungen gegen Neuköllner Kneipe „Bajszel“ – DIG warnt vor Terrorgefahr

Seit Jahren wird die Neuköllner Programmkneipe von Israelfeinden attackiert. Jetzt kursiert ein Flyer mit direkten Drohungen gegen die Betreiber. Die Deutsch-Israelische Gesellschaft ist alarmiert.

Stand:

Die Neuköllner Programmschänke „Bajszel“ ist erneut antisemitischen Attacken ausgesetzt. An verschiedene Häuserwände rund um die Kneipe in der Emser Straße wurde ein Plakat geklebt, auf dem die drei Betreiber:innen persönlich bedroht werden.

Unter der Überschrift „Make Zionists afraid“ (Macht Zionisten Angst) sind Bilder der drei Betreiber:innen Alexander Carstiuc, Alexander Renner und Andrea Reinhardt zu sehen. Jedes der drei Bilder ist mit einem roten umgedrehten Dreieck im Sinne der Hamas markiert. Eine Aufnahme des Plakats liegt dem Tagesspiegel vor.

Auf dem Plakat werfen die unbekannten Autor:innen den drei Kneipenbetreiber:innen vor, in ihrem Lokal „offen ihre Unterstützung für den Kolonialstaat Israel“ zu „propagieren“. Zudem behaupten die Unbekannten, dass die drei eine israelfreundliche Kundgebung organisieren würden.

Danach folgen explizite Drohungen: „Wer sich während eines Völkermordes auf die Seite der Täter stellt, sollte sich nirgendwo sicher fühlen“, heißt es. Und: „Wir wollen, dass diese drei für immer schweigen und als Warnung für alle Zionisten in Berlin und Neukölln gelten können.“ Darunter steht die Parole „From the river to the sea, Palestine will be free“, die von der Berliner Staatsanwaltschaft als strafbar betrachtet wird.

Betreiber sehen klaren Aufruf zum Mord

Andrea Reinhardt sagte dem Tagesspiegel, dass sie die Drohungen der Polizei angezeigt habe. Zu den Attacken auf die Kneipe ermittelt die EG Nahost beim Berliner Landeskriminalamt, die sich speziell Straftaten aus dem propalästinensischen Milieu widmet.

Im Mai dieses Jahres wurde eine Scheibe mit einem Pflasterstein beschädigt.

© dpa/Soeren Stache

Für die Betreiber:innen ist das Poster „eine neue Qualität“ und ein klarer Aufruf zum Mord, sagt Reinhardt. Überrascht seien die drei aber nicht: „Sowas ist schon anderen passiert und wir haben quasi nur darauf gewartet“, sagt sie. Mit Plakaten in ähnlicher Auffassung seien auch schon Journalisten und Aktivistinnen bedroht worden. „Es geht darum, die Täter zu fassen“, sagt sie.

Seit 2023 wird die Kneipe immer wieder attackiert: Mal wurden Hamas-Dreiecke geschmiert, mal die Klos verstopft, mal Gäste und Mitarbeiter:innen als „Jüdische Kindermörder“ beleidigt und bedroht. Mehrfach wurde die Scheibe, etwa mit einem Pflasterstein, eingeschlagen.

Das sind keine pro-palästinensischen Aktivisten, das sind Hamas-Unterstützer.

Alexander Carstiuc, einer der Betreiber, im Mai bei einem Treffen mit Polizei und Politik

Im September 2024 verübten Unbekannte einen Brandanschlag auf das „Bajszel“ und versuchten, die Scheibe mit einem Sicherheitshammer einzuschlagen, während einer der Betreiber und Gäste noch in der Kneipe waren. „Das sind keine pro-palästinensischen Aktivisten“, sagte Carstiuc bei einem Termin mit Bezirk und Polizei im April. „Das sind Hamas-Unterstützer.“

Vor allem bemängeln die Kneipenbetreiber:innen und ihre Stammgäste, dass es bislang keine spürbaren Konsequenzen für die Tatverdächtigen gibt. Dabei wurden einige sogar auf bloßer Tat ertappt.

In der Kneipe finden regelmäßig Veranstaltungen zu verschiedenen Themen statt. In der öffentlichen Wahrnehmung werde die Kneipe jedoch sehr auf das Engagement gegen Antisemitismus reduziert, sagte Reinhardt dem Tagesspiegel schon im vergangenen Jahr.

Deutsch-Israelische Gesellschaft fordert sofortigen Schutz

„Unsere Bar ist ein öffentlicher Diskussionsraum, gerade bei Veranstaltungen darf auch kontrovers diskutiert werden“, sagte sie. „Leider mussten wir dabei feststellen, dass ein Teil der sich selbst als propalästinensisch bezeichnenden Bewegung immer mehr als autoritärer Mob auftritt. Dann muss man dem auch so begegnen, da bleibt kein Raum für Diskussionen mehr.“

Die Deutsch-Israelische Gesellschaft verurteilt die antisemitischen Morddrohungen gegen die Betreiber des „Bajszel“ und warnt am Donnerstag in einer Mitteilung vor wachsender Terrorgefahr. Sie fordert schnelle Ermittlungen sowie sofortige Schutzmaßnahmen für das Bajszel und seine Betreiber.

„Die Verbreitung der Morddrohungen durch Flugblätter hat eine neue Qualität. Dass solche Hetze in Berlin offen verteilt werden kann, ist ein Armutszeugnis für den Zustand der Gesellschaft. Die Verbreiter der Flugblätter fühlen sich offensichtlich sicher“, sagte der Präsident der Deutsch-Israelischen Gesellschaft, Volker Beck. „Wenn in Berlin Menschen, die sich offen zu Israel bekennen, mit dem Tode bedroht werden, ist das Terror im Alltag – und der darf nicht hingenommen werden.“

Die Festnahme von drei mutmaßlichen Hamas-Mitgliedern in Berlin, die laut Bundesanwaltschaft Schusswaffen und Munition für Anschläge auf jüdische und israelische Einrichtungen beschaffen wollten, zeige: „Die Bedrohung ist real, organisiert und akut. Wer diese Gefahr verharmlost, handelt verantwortungslos“, sagt Beck.

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