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„Wo bleibt der Aufschrei?“: Berliner Grüne fordern fünf Maßnahmen gegen Femizide
In den vergangenen Wochen wurden vier Frauen in Berlin umgebracht - weil sie Frauen waren. Die Grünen-Fraktion fordert entschiedenes Handeln. Dafür bekommt sie prominente Unterstützung.
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Die Grünen-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus fordert die Umsetzung von fünf Sofortmaßnahmen zur Verhinderung von Femiziden und für einen besseren Gewaltschutz für Frauen. „Für viele Frauen ist das Zuhause kein sicherer Ort“, sagte Bahar Haghanipour, frauenpolitische Sprecherin der Fraktion am Donnerstag auf einer Pressekonferenz.
Der Anlass für den Vorstoß: Seit Ende Mai sind innerhalb weniger Wochen vier Frauen in Berlin von Männern getötet worden, zu denen sie in einer Beziehung standen. Die drei mutmaßlichen Täter waren Ex-Partner, Partner oder Sohn. Einer von ihnen tötete erst seine Partnerin, dann seine Mutter.
Die Grünen-Fraktion fordert vor diesem Hintergrund, fünf Maßnahmen direkt umzusetzen. Sie plädieren für die Einführung von sogenannten multiinstitutionellen Fallkonferenzen, bei denen Polizei, Bezirksämter und beteiligte Beratungsstellen zusammenkommen, um gemeinsam eine Schutzstrategie für eine betroffene Frau zu besprechen. Wenn die beteiligten Institutionen sich an einen Tisch setzten, könnten sie sich ein genaues Bild von der Gefährdungslage machen, sagte Haghanipour.
In Berlin finden solche Fallkonferenzen zwar bereits statt, allerdings nur für Hochrisikofälle. Haghanipour warf dem Senat vor, Fallkonferenzen für andere Betroffene aus Datenschutzbedenken nicht umzusetzen. Dabei sei das Vorgehen in anderen Bundesländern längst gängige Praxis. Wiebke Wildvang von der Berliner Initiative gegen Gewalt (BIG), die ebenfalls bei der Pressekonferenz anwesend war, verwies auf Schleswig-Holstein. Das Bundesland habe sogar einen Leitfaden dazu öffentlich gemacht. „Vor dem Hintergrund können wir nicht verstehen, warum das hier im Land auf derartige Probleme stößt“, sagte sie.
Kontaktverbot soll ins Berliner Sicherheitsgesetz aufgenommen werden
Die Grünen erneuerten ebenso die Forderung, die Wohnungsverweisung, auch Wegweisung genannt, zu verlängern. Bei einer Wegweisung untersagt die Polizei einer Person den Zugang zu einer Wohnung und dem unmittelbaren Bereich, wenn diese Person etwa für eine Partnerin oder Ex-Partnerin eine Gefahr darstellt. Dieses Verbot ist bislang auf 14 Tage begrenzt, die Grünen wollen es auf vier Wochen ausweiten. „14 Tage sind nicht ausreichend“, sagte Haghanipour. Betroffene befänden sich in einer Ausnahmesituation und bräuchten Zeit, sich zu stabilisieren und sich Hilfe zu suchen. Die Forderung hatte die Grünen-Fraktion bereits vor anderthalb Jahren aufgestellt.
Im Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz solle zudem ein Kontakt- und Näherungsverbot aufgenommen werden. Dann könnten diese Verbote auch kurzfristig von der Polizei ausgesprochen werden, sagte Haghanipour.
Damit verbunden ist auch die Forderung, ein Bußgeld von bis zu 5000 Euro verhängen zu können, wenn die Verbote nicht eingehalten werden.
Alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt.
Rechtsanwältin Asha Hedayati
Die Fraktion ruft den Senat zudem auf, die Haushaltsmittel für den Gewaltschutzetat auszugeben. Dies sei in der ersten Jahreshälfte noch nicht erfolgt. Haghanipour fordert auch, den Landesaktionsplan zur Umsetzung der Istanbul-Konvention zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen mit einem konkreten Zeitplan zu hinterlegen. „Ich sehe Bedarf, da nachzuarbeiten“, sagte sie.
Vasili Franco, innenpolitischer Sprecher der Grünen-Fraktion, bekräftigte: „Es reicht nicht aus, sich in Empörung zu üben, aber nichts zu tun.“ Der Schutz von Frauen und Mädchen sei kein politisches Randthema, sondern Priorität.

© Mario Heller/Tagesspiegel
„Alle zwei Minuten wird in Deutschland ein Mensch Opfer von häuslicher Gewalt“, sagte die bekannte Rechtsanwältin Asha Hedayati, die von Gewalt betroffene Frauen vertritt. Die Zahlen stiegen seit Jahren. „Aber wo bleibt der Aufschrei?“, fragte sie. Gewalt gegen Frauen sei zum Normalzustand geworden.
Sie glaube, dass die Zahlen nicht trotz, sondern wegen der Emanzipation von Frauen stiegen. „Weil die Gewalt immer dann erheblich wird, wenn die Frauen emanzipatorische Schritte gehen“, sagte Hedayati. Wenn sie sagten, sie wollten ihre Freundinnen wieder treffen oder einem Beruf nachgehen. Oder sich trennen.
Hedayati plädiert dafür, die Täter mehr in den Blick zu nehmen. Bei Fällen von Gewalt gegen Frauen fände eine Verantwortungsverschiebung statt – die Frauen stünden im Zentrum. Es werde von ihnen erwartet, dass sie sich schützten.
Stattdessen müssten Therapien, Elternkurse und Anti-Aggressionskurse für Täter verstärkt in den Blick genommen werden. „Und zwar unabhängig davon, ob die Männer es wollen oder nicht“, sagte Hedayati.
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