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Berlin, Heidestraße - hinterm Hauptbahnhof entstehen Wohnungen, größtenteils Eigentumsobjekte

© Kitty Kleist-Heinrich

Update

Wohnungsnot in Berlin: Noch keine Wohnung? Wir haben eine für Sie: in Marzahn

Andernorts wird es schon schwieriger. So viel wie 2017 wurde lang nicht gebaut: 15.000 Wohnungen – trotzdem zu wenig.

Noch keine Wohnung in Berlin? Dann wollen wir mal sehen: Suchmaschine anwerfen, Bezirk Mitte auswählen, schon hagelt es Treffer: 210 Wohnungen, sortiert nach der „niedrigsten Kaltmiete zuerst“: Drei Zimmer, 80 Quadratmeter, 1000 Euro, 12,50 Euro je Quadratmeter. Halt, plus drei Euro für Verwaltung, Nebenkosten und Heizung (Gasetagen-Kessel kommen teuer): 15 Euro kommen da schon zusammen für die Wohnung im „Arbeiterviertel“ Wedding – dit is’ Berlin im Jahr fünf des akuten Wohnungsmangels, durch den die Mieten für die meisten in unbezahlbare Höhen getrieben werden.

1,93 Millionen Wohnungen haben die Mitarbeiter vom Amt für Statistik Ende des vergangenen Jahres in Berlin gezählt, 0,8 Prozent mehr als ein Jahr zuvor, so die aktuelle Meldung. Und trotzdem wächst der Mangel. Durch den Neubau von Häusern seien im vergangenen Jahr 12.814 Wohnungen entstanden, knapp 3000 weitere durch „Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden“. Doch das ist zu wenig, weil die Stadt im vergangenen Jahr ebenfalls wuchs, und zwar um knapp 30.000 Menschen aus anderen Ländern und durch den Geburtenüberschuss. Dazu kommt noch der über Jahre aufgestaute Bedarf von 70.000 Wohnungen – und das ist noch eine wohlwollende Schätzung, denn sie stammt vom Senat, der die Wohnungsnot verantwortet.

Zu wenig Neubau

„Die Neubauzahlen bleiben hinter den Erwartungen zurück“, sagt Wibke Werner vom Berliner Mieterverein. „Dürftig“ nennt sie die Bilanz, „vor allem bei den preiswerten Wohnungen, die am meisten in der Stadt gebraucht werden“. Nicht nur bräuchte es jährlich gut 20.000 zusätzliche Wohnungen, sondern das auch „im richtigen Segment für Menschen mit geringen und mittleren Einkommen“ – also für 7,50 bis 8 Euro nettokalt.

Aber halt, wer die Maschine nach Wohnungen in ganz Berlin suchen lässt, wird fündig: Auch solche Wohnungen gibt es wirklich, sofort zu haben: In der Trusetaler Straße 39, vier Zimmer, 81,8 Quadratmeter für 450 Euro kalt. Die Trusetaler ist in Marzahn und die Wohnung in einem Plattenbau. Aber wie sagte noch ein Regierender Bürgermeister, der den Wohnungsmangel ignorierte: Sollen die Leute doch umziehen, „es gibt kein Recht auf Wohnen in der Innenstadt“.

Kita und Schule wechseln, lange Wege zur Arbeit, Freunde und Bekannte zurücklassen? „So einfach ist es nicht, und deshalb rücken die Menschen zusammen und zahlen die Mieterhöhungen“, sagt Werner. Entlastung könnte der Neubau bringen. Aber den landeseigenen Firmen fehlten die Bauflächen und die Privaten bauten zu teuer für die meisten Berliner.

Senat verfehlt Neubauziele erneut

Immerhin wird gebaut, so das Amt für Statistik, und zwar am meisten im Bezirk Lichtenberg, wo der Bestand um 2550 Wohnungen wuchs, fast genauso viele zusätzliche Wohnungen entstanden in Mitte (2510). Viel gebaut wird außerdem in Treptow-Köpenick (2100) sowie in Friedrichshain-Kreuzberg (1829), wo sogar mehr Wohnungen hinzukamen als im zuletzt stark gewachsenen Bezirk Pankow (1550). Dafür hat Pankow die meisten Wohnungen unter allen Bezirken (215.686), gefolgt von Mitte (196.533) sowie Charlottenburg-Wilmersdorf (184.748). Am langsamsten wächst die Stadt in Tempelhof-Schöneberg, wo der Bestand um nur 313 Wohnungen wuchs. Auch in Neukölln wird eher wenig gebaut, 638 Wohnungen. Schwach ist die Neubautätigkeit auch an den Rändern der Stadt: in Reinickendorf (609) etwa und besonders in Spandau (407).

Der Senat verfehlt damit erneut seine politischen Ziele im Wohnungsbau: die Fertigstellung von 20.000 neuen Wohnungen jährlich. Diese Zielmarke nennen auch Experten als Minimum, damit jedenfalls statistisch die vielen Neuberliner mit Wohnraum versorgt werden können. In den vorangegangenen Jahren lag der Zuwachs bei durchschnittlich 40.000 Neuberlinern, im Jahr 2016 kamen sogar 60.000.

Deshalb hatte der Senat in seinem „Stadtentwicklungsplan Wohnen“ bereits mit Stichtag Ende 2016 den „akuten Entlastungsbedarf“ mit „rund 77.000 Wohnungen“ beziffert. Und bis zum Jahr 2030 müssten fast 200.000 Wohnungen zusätzlich gebaut werden. Mit Menge allein ist es nicht getan und das verschärft die Lage: Das größte Problem besteht auch aus Sicht des Senats darin, dass „zu wenig preiswerte Wohnungen gebaut werden“. Mehr als ein Drittel der neu gebauten Wohnungen werden als Eigentumsobjekte zu hohen Kaufpreisen angeboten, so dass die Erwerber – auch wenn sie die Wohnungen nicht selber nutzen – entsprechend hohe Mieten verlangen.

„Die Kauf- und Mietpreisentwicklung wird für viele Berliner Haushalte zunehmend eine starke Belastung“, heißt es in der Senatsuntersuchung weiter. Hintergrund: Die Hälfte aller Berliner verdient so wenig, dass sie einen Anspruch auf eine subventionierte Mietwohnung hat. Auch kommt die Mehrheit der Neuberliner aus von Krieg, politischen oder wirtschaftlichen Krisen gebeutelten Ländern – ihren Platz auf dem Arbeitsmarkt müssen diese Menschen erst noch finden – teure Mieten können auch sie sich nicht leisten.

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