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Integrationsdebatte: Wowereit kontra Sarrazin: Der Regierende schreibt ein Buch

Wahlkampfschrift oder Bestseller-Replik? Auch der Regierende Bürgermeister Wowereit verfasst ein Buch zur Integrationsdebatte. Im Mai soll die Gegenposition zu Thilo Sarrazin erscheinen.

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Es klingt wie eine 120 Seiten lange Antwort auf Thilo Sarrazin: Wenige Monate vor den Wahlen zum Abgeordnetenhaus will der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) ein eigenes Buch zur Integrationsdebatte veröffentlichen. Es trägt den Titel „Mut zur Integration: Für ein neues Miteinander“ und erscheint im Berliner Verlag „Vorwärts Buch“, der zur parteieigenen Medienholding DDVG gehört. Laut Verleger wird Wowereit darin argumentieren, warum es sich lohne, „für eine integrative, sozial gerechte Gesellschaft in Deutschland zu kämpfen“. Der Regierende wolle herausarbeiten, dass es „mit Hilfe einer klaren politischen Prioritätensetzung auf Bildung, Qualifizierung und Arbeit möglich ist, mehr Menschen eine Perspektive zu geben und den Grundstein für sozialen Aufstieg zu legen – egal bei welcher Herkunft.“

Die Inhaltsangabe legt nahe, dass Wowereit in dem Buch eine deutliche Gegenposition zu den umstrittenen Thesen Thilo Sarrazins aus dessen Bestseller „Deutschland schafft sich ab“ beziehen wird. Bereits im September hatte der Regierende Bürgermeister seinen ehemaligen Finanzsenator aufgefordert, die SPD zu verlassen, da dieser nicht den Grundkonsens der Partei teile. Außerdem werfe Sarrazin nur Fragen auf, ohne Antworten zu präsentieren. Letzteres will Wowereit nun selbst übernehmen.

Am gestrigen Donnerstag wollte sich Wowereit zunächst nicht zu dem Buchprojekt äußern. Aus seinem Umfeld heißt es jedoch, die Idee dazu sei bereits vor Beginn der Sarrazin-Debatte entstanden. Wowereits Schrift sei Teil einer Reihe des Verlags, in der prominente Sozialdemokraten zu unterschiedlichen Politikfeldern publizieren. Es sei schon länger geplant gewesen, in dem Rahmen auch die Integrationspolitik Deutschlands zu beleuchten – für dieses Thema ist im SPD-Parteivorstand Vize-Chef Wowereit zuständig.

Doch auch wenn das Buch nicht als expliziter „Anti-Sarrazin“ verstanden werden soll, werde sich der Regierende deutlich von einer öffentlichen Diskussion distanzieren, die Ausländer und Deutsche mit Migrationshintergrund ausgrenzt, heißt es aus seinem Umfeld. Es soll eine persönlich eingefärbte Streitschrift sein, angereichert mit anschaulichen Beispielen, wie Integration trotz aller Probleme funktionieren kann – geschrieben mit der fast zehnjährigen Erfahrung als Regierender Bürgermeister einer Stadt, in der jeder vierte Einwohner ausländische Wurzeln hat. Der zweite Teil des Buches ist Programmatik: Wie fördern, wie fordern? Laut Verlag setze Wowereit dabei „auf Motivation statt auf Sanktion, auf Anreize, auf Angebote, auf Aktivierung statt Alimentierung“. Erscheinen soll das Buch voraussichtlich im Mai – genau in dem Monat, in dem Wowereit von einem Landesparteitag der Berliner SPD zum Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl am 18. September gekürt werden soll.

Ein Buch zur Integration – das ist Wowereit eigentlich nicht auf den Leib geschrieben. Schon als Volksbildungsstadtrat in Tempelhof interessierte er sich vor allem für die Berliner Kultur, das ist bis heute geblieben. Eher aus einer Abwehrhaltung heraus wandte sich der Regierungschef in den vergangenen Jahren der Integrationspolitik zu. Erstens, weil die Probleme nicht mehr zu übersehen waren, und zweitens, weil er populistische oder gar fremdenfeindliche Ansätze zur Lösung dieser Probleme verabscheut. Außerdem ist Wowereits Traum von Berlin eine weltoffene Stadt, ein Ort der Zuwanderung und multikultureller Vielfalt. Vergangenes Jahr hatte der Wowereit-Senat als erstes Bundesland ein Integrations- und Teilhabegesetz vorgelegt, das allerdings nur einen kleinen Teil dessen abdeckt, was Integrationspolitik sein müsste.

„Mut zur Integration“ soll nicht die einzige Veröffentlichung Wowereits zu diesem Thema sein. Bereits im März bringt er im Bonner Dietz-Verlag ein weiteres Buch heraus, diesmal nicht als Autor, sondern Herausgeber. In „Ich wär’ gern einer von uns: Geschichten übers Ein- und Aufsteigen“ porträtieren Autoren wie Tanja Dückers den Alltag von Menschen, die in Deutschland leben, aber eine andere Herkunft haben. Zu den Beschriebenen gehören etwa zwei jugendliche Rapper libanesischer Herkunft und ein türkischer Kioskbetreiber. Das Buch soll rechtzeitig zur Leipziger Buchmesse fertig sein.

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