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Schülerinnen und Schüler nehmen im Klassenzimmer einer 9. Klasse  am Geografieunterricht mit Hilfe von Laptops und Tablets teil. 

© picture alliance/dpa

Zähe Digitalisierung an Berlins Schulen: Der Techniker für IT-Probleme kommt nur einmal pro Woche

Wenn die Computer streikt, dauert Hilfe bis zu einer Woche – nicht nur am Sartre-Gymnasium in Hellersdorf. Die Bildungsverwaltung reagiert ausweichend.

Die Probleme der Berliner Schulen mit der Digitalisierung waren bereits vor Corona bekannt, wurden mit dem Ausbruch der Pandemie aber immer offensichtlicher. Die landeseigene Homeschooling-Plattform „Lernraum Berlin“, die ihrem eigenen Anspruch wegen mangelnder Ausstattung und zahlreicher technischer Probleme nicht gerecht werden konnte, ist da exemplarisch.

Ein weiteres Beispiel dafür, wie stiefmütterlich die Schulen bei der Bereitstellung einer adäquaten digitalen Infrastruktur behandelt werden, ist der Fall des Sartre-Gymnasiums in Hellersdorf. Weil für Konfiguration, Wartung und Reparatur der von rund 700 Schüler:innen genutzten elektrischen Geräte nur an einem Tag pro Woche ein Techniker zur Verfügung steht, drängt die Gesamtelternvertretung (GEV) seit Monaten vehement auf eine Verbesserung der Lage.

Der gesamte Schriftwechsel liegt dem Tagesspiegel vor und legt offen, wie die Bildungsverwaltung das Problem verschleppte, Antworten hinauszögerte und konkrete Maßnahmen lange schuldig blieb. Angefangen hatte alles am 1. März dieses Jahres. 

GEV-Vorsitzende Anne Japke schickte ein Beschwerdeschreiben an Bildungsverwaltung und Schulaufsicht des Bezirks, in dem sie auf die aus ihrer Sicht desolate IT-Situation an der Schule aufmerksam machte und schwere Vorwürfe gegen die Bildungsverwaltung erhob. Diese hätte „die Zeichen der Zeit bezüglich der Herausforderungen des digitalen Lernens in den Schulen nicht verstanden“, sehe weder Chance noch Notwendigkeit des digitalen Lernens, verstecke sich „hinter bürokratischem Kompetenzgerangel“ und weigere sich, Verantwortung und Kosten zu übernehmen. 

Der Regionalbetreuer bat erst mal um Darstellung der Probleme

Konkret monierte Japke ein „kompliziertes, sehr unprofessionell entwickeltes Ticketsystem“, über das Probleme an den aus ihrer Sicht viel zu selten in der Schule ansprechbaren IT-Betreuer übermittelt werden können. Sie forderte im Namen der GEV einen IT-Mitarbeiter, der fünf Tage die Woche vor Ort tätig ist sowie eine Vertretung für Urlaubs- oder Krankentage und bat um Stellungnahme innerhalb eines Monats.

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Es passierte – nichts. Mitte April, sechs Wochen später und damit deutlich hinter der von der GEV gesetzten Frist, erreichte Japke eine Mail des IT-Regionalbetreuers im Bezirk, vermittelt über die Bildungsverwaltung. Statt Antworten auf die Fragen und Forderungen der GEV zu geben, bat dieser um „Darstellung der dringendsten Probleme“. Ein Vorgehen, das Japke und die GEV „mit Befremden“ zur Kenntnis nahmen. 

Computer, Beamer, Drucker und Co. müssen gewartet werden

Es folgte laut Japke ein „Brandbrief“ der für die Schul-IT zuständigen Lehrerin am Sartre-Gymnasium. Auch dieser liegt dem Tagesspiegel vor. Darin wird, genau wie zuvor seitens der GEV, ein täglich verfügbarer IT-Experte für die Schule gefordert, da sonst „der Unterricht stark gefährdet“ sei.

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Computer, elektronische Tafeln, Beamer, Drucker, Headsets, Monitore, Lautsprecher, Laptops und Pads – allesamt mit sehr unterschiedlichen Ausstattungen, Baujahren und Bestandteilen – müssten eingerichtet, gewartet und am Laufen gehalten werden, schreibt die Lehrerin. Ihren Brief schließt sie mit den Worten: „Wir hoffen auf schnellstmögliche Veränderung der Betriebspraxis.“

Es dauerte bis zum 8. Juni, ehe die Bildungsverwaltung auf den Brandbrief reagiert. Wieder muss der IT-Regionalbeauftragte des Bezirks in die Bresche springen, versucht die Wogen zu glätten, bleibt aber oberflächlich. Das Problem sei erkannt, Abhilfe aber nicht zeitnah zu organisieren, so die Zusammenfassung des zweiseitigen Schreibens. 

„Unglaublich! Fern von der Praxis“

Für die Bildungsverwaltung scheint der Fall damit erledigt. Nicht so für Anne Japke und die GEV. Ein weiteres Schreiben wird formuliert, noch schärfer im Ton und erneut voller Vorwürfe in Richtung Bildungsverwaltung. 

Diese versuche, „vom eigentlichen Problem abzulenken“, wird Schulleiterin Doris Rachel zitiert. Mit den Worten „Unglaublich! Fern von der Praxis“ soll Rachel laut Japke auf das Schreiben der Bildungsverwaltung reagiert haben und die GEV selbst kommt zu dem Schluss: „Aus unserer Sicht bestehen die größten Defizite des Berliner Senats insgesamt und Ihrer Behörde im Besonderen in der Unkenntnis der konkreten Situation, in und um die Schulen.“

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Womit die Verfasserin des emotionalen Schreibens wohl selbst nicht gerechnet hatte: Die Bildungsverwaltung kam der GEV-Forderung nach „konkreten Antwort auf unsere Fragen“ nach, reagierte vor der Fristsetzung zum 30. Juni. Laut Japke wird der bis dato allein für die gesamte Schule verantwortliche IT-Betreuer seit dem 24. Juni von einem zusätzlichen Kollegen unterstützt. Zwar begannen am selben Tag die Sommerferien, aber immerhin.

Ausgestanden ist der Streit zwischen Elternvertretung und Bildungsverwaltung deshalb aber noch lange nicht. „Das ist natürlich überhaupt nicht ausreichend“, sagt Japke mit Blick auf die nun zugesicherte Unterstützung in einer Mail an den Tagesspiegel. 

Die mangelnde IT-Betreuung betreffe viele andere Schulen im Bezirk ebenso. „Der Berliner Senat hat es verschlafen, die vorhandene IT- Infrastruktur angemessen zu verwalten“, kritisiert Japke. Die Bildungsverwaltung wird weitere Schreiben dieser Art erwarten dürfen – das Sartre-Gymnasium ist ganz sicher kein Einzelfall.

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