Berlin: Zwangsehe im Namen der Familienehre
Wie türkische Blätter über das „Drama von Fidan“ berichten
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Zwangsehen sind ein Topthema in der Integrationsdebatte. Wer eine Frau gegen ihren Willen verheiratet, kann seit 2005 mit bis zu fünf Jahren Haft bestraft werden. Das ist auch der Hintergrund für das „Drama von Fidan“, so die Überschrift auf einer Schwerpunktseite der „Hürriyet“ zum Weltfrauentag. Eine junge Frau aus der Türkei wurde mit einem 32 Jahre älteren, gewalttätigen Türken, der in Berlin lebt, zwangsverheiratet – und nun wird sie möglicherweise abgeschoben. Auf der anderen Seite wird sie von ihrer Familie in Südostanatolien mit dem Tod bedroht, der wie ein Unfall ausehen würde – zum Beispiel dem Ertrinken in einem Fluss während eines Picknicks –, sollte sie zurückkehren. „Weil sie mit ihrem Ehemann nicht im gleichen Bett schlafen wollte, hat er sie auf die Straße gesetzt“, berichtete „Hürriyet“. In ihrer Not wandte sich die Frau an die Rechtsanwältin Canan Bayram. „Sie will ihren Ehemann wegen Vergewaltigung, Körperverletzung und Zwangsheirat anzeigen“, kündigte die SPD-Abgeordnete jetzt gegenüber dem Tagesspiegel an. Die Rechtsprechung sieht jedoch vor, dass eine Frau zwei Jahre mit einem Mann verheiratet sein muss, damit sie dauerhaft hierbleiben kann. Lässt sie sich vorher scheiden, wird sie ausgewiesen. Expertinnen wie die Frauenrechtlerin Seyran Ates, Politikerinnen der Grünen und Frauenverbände fordern daher, dass Frauen wie Fidan vor der Frist von zwei Jahren eine eigene Aufenthaltserlaubnis bekommen.
Die Leidensgeschichte der Frau begann schon im Alter von 14 Jahren in der Türkei. „Damals wurde sie erstmals mit einem 20-jährigen Cousin verlobt“, berichtete die „Hürriyet“ über das Schicksal der Mandantin von Canan Bayram. „Als ich ihm mit Selbstmord drohte, löste er die Verlobung auf“, erzählte die junge Frau der Zeitung. Damit hatte sie bereits die Ehre der Familie befleckt. Und zu allem Unglück ging im heimatlichen Dorf auch noch das Gerücht um, die Verlobung sei aufgelöst worden, weil die zukünftige Braut nicht mehr Jungfrau sei.
Da erschien das Angebot des Türken aus Berlin, Fidan zu heiraten, wie eine Erlösung. Eine Verwandte in der deutschen Hauptstadt hatte ihn gefunden. „Als ich 18 Jahre alt wurde, haben sie mich dann mit ihm verheiratet. So konnte mein Ruf im Dorf wiederhergestellt werden“, berichtete die junge Türkin ihrer Anwältin. Ob er Geld an die Eltern gezahlt hat, ist nicht bekannt.
In Berlin angekommen, lebte sie dann mit diesem Mann zusammen in einer Ein-Zimmer-Wohnung. „Jedes Mal, wenn er mich berühren wollte, habe ich mich geekelt“, zitiert sie die „Hürriyet“. „Die Verwandten hier sagten, da sei doch nichts dabei. Er sei doch schließlich mein Ehemann.“ Mehrfach habe ihr Mann sie geschlagen. Und immer wieder drohte er, dafür zu sorgen, dass sie ausgewiesen werde, wenn sie nicht gehorche.
„Fidan erlebt ein Drama. Ich werde ihren Fall Berlins Innensenator Ehrhardt Körting melden“, kündigte die Anwältin Canan Bayram an.
Suzan Gülfirat
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