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Berliner Lehrergewerkschaft fordert kleinere Klassen: Finanzsenator drängt auf Absage des Streiks – und will dann reden
Von Dienstag bis Donnerstag wollen Lehrer ihre Arbeit niederlegen, um per Tarifvertrag die Arbeitsbelastung zu senken. Der Landeselternausschuss ist solidarisch, warnt aber, „den Bogen nicht zu überspannen“.
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Kurz vor dem 15. Streik der angestellten Lehrkräfte an den öffentlichen Schulen hat die Senatsverwaltungen für Finanzen die Berliner Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) kritisiert und ihr einen Alleingang vorgeworfen. „Sie versucht bundesweit als einzige Gewerkschaft, einen derartigen Tarifvertrag außerhalb der Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) zu erzwingen und die Tarifgemeinschaft dadurch aufzuspalten“, teilte die Senatsverwaltung mit.
Die GEW ruft von Dienstag bis Donnerstag zu ganztägigen Arbeitsniederlegungen auf. Sie will damit den Senat an den Verhandlungstisch zwingen. Das Ziel ist ein „Tarifvertrag Gesundheit“. Darin soll eine Absenkung der Klassengrößen festgeschrieben werden, obwohl Berlin weder kurz- noch langfristig genug Räume und Personal für kleinere Klassen hätte.
Dass sie dennoch diese Forderung erheben, begründet die GEW – flankiert durch den Landeselternausschuss – damit, dass zumindest der vertragliche Einstieg erfolgen solle. Andernfalls sehe sich die Politik nicht gezwungen, entsprechende Vorkehrungen wie mehr Lehramtsstudienplätze zu schaffen.
Das Vorgehen der GEW spricht für sich, aber nicht für sie.
Stefan Evers (CDU), Finanzsenator
Der Senat verweigert die Gespräche nach eigenem Bekunden aus zwei Gründen: zum einen wegen des Personalmangels, zum anderen, weil die TdL mit dem Rauswurf Berlins drohe. Die Finanzverwaltung teilte auf Anfrage mit, dass sie die neuerlichen Forderungen der GEW zum Anlass nehmen werde, bei der nächsten Mitgliederversammlung Ende Oktober „nochmals zu eruieren, ob in der TdL eine Bereitschaft besteht, den Mitgliedsländern künftig einen entsprechenden tarifrechtlichen Handlungsspielraum zu eröffnen“. Dies sei der GEW auch mitgeteilt worden.
Die GEW will dennoch streiken. Dazu sagte Finanzsenator Stefan Evers (CDU) dem Tagesspiegel: „Das Vorgehen der GEW spricht für sich, aber nicht für sie“.
Der letzte dreitägige Streik fand im Juni statt
„Selbstverständlich“ seien die Senatsverwaltung für Bildung und die Senatsverwaltung für Finanzen auch weiterhin offen für Gespräche mit der GEW, betonte eine Sprecherin der Finanzverwaltung. Mit Schreiben vom 26. September 2023 hätten die Senatoren ein weiteres Gespräch – „dieses Mal in der Senatsfinanzverwaltung“ – angeboten. Voraussetzung dafür sei, dass die GEW von dem angekündigten Streik „bis auf Weiteres“ absehe. Der letzte dreitägige Streik fand im Juni statt.
Der Landeselternausschuss unterstützt die Forderung nach kleineren Klassen. Er schlug daher den Berliner Eltern jüngst vor, im Vorfeld des aktuellen Streiks Mails an den Senat zu schreiben, in denen sie der Forderung Nachdruck verleihen sollten. Allerdings gibt es auch kritische Stimmen aus der Elternschaft, die den Streik kontraproduktiv finden, da er nur noch mehr Unterrichtsausfall produziere.
Der Landeselternausschuss lässt sich nicht von der GEW instrumentalisieren.
Norman Heise, Berliner Landeselternsprecher
Landeselternsprecher Norman Heise sagte dem Tagesspiegel am Samstag, die Beschlusslage des Landeselternausschusses sei weiterhin, dass er nicht den Streik, sondern das GEW-Ziel der kleineren Klassen unterstütze. Angesichts der Anzahl der Streiktage und angesichts dessen, dass manche Schulen „ganz geschlossen werden“, drohe aber „der Bogen überspannt zu werden, was die Streiks anbelangt“. Der LEA lasse sich „nicht von der GEW instrumentalisieren“.

© Jörg Carstensen/dpa
Die Finanzverwaltung erläuterte, dass die von der GEW Berlin geforderten Tarifverhandlungen für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz für Lehrkräfte im Widerspruch zur TdL-Beschlusslage stehe. Da Berlin Mitglied der TdL sei, könne das Land Tarifverträge nur in Abstimmung mit der TdL abschließen.
„Die Aufnahme von Tarifverhandlungen für einen Tarifvertrag Gesundheitsschutz für Lehrkräfte ohne Zustimmung der TdL wäre ein Satzungsverstoß, der zum endgültigen Ausschluss des Landes Berlin aus der TdL führen könnte“, betonte die Sprecherin der Finanzbehörde. Sie verwies zudem darauf, dass bundesweit ein erheblicher Mangel an Lehrkräften bestehe.

© Christian Marquardt für den Tagesspiegel
Wie berichtet, könnten allein in diesem Jahr 700 Stellen nicht besetzt werden, obwohl Quereinsteiger und sogar andere Berufsgruppen hinzugezogen wurden, um den Mangel zu dämpfen. Mindestens ein Drittel der Berliner Lehrerschaft besteht nach Schätzungen bereits aus Quereinsteigern. In den Grundschulen ist der Anteil noch wesentlich höher. Fachkräfte, die gelernt haben, zu alphabetisieren, gibt es mancherorts kaum noch.
„Eine Reduzierung der Klassengröße würde den Bedarf an Lehrkräften nochmals deutlich erhöhen und ist daher nicht mit dem Ziel einer adäquaten Versorgung der Schulen mit Lehrkräften vereinbar“, betonten die Finanz- und Bildungsverwaltung. Vor dem Hintergrund „dieser Unerreichbarkeit der Ziele der GEW“ sei der erneute Streikaufruf“ unverständlich“.
Bildungssenatorin Katharina Günter-Wünsch und Finanzsenator Stefan Evers (beide CDU) forderten die GEW daher – „auch im Namen der betroffenen Schüler und Eltern“ – dazu auf, die Streiks „bis auf Weiteres auszusetzen“.
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