Stadtnatur fit für den Klimawandel machen: Dagegen ist (k)ein Kraut gewachsen
Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern untersucht das Citizen-Science-Projekt „Pflanze Klima Kultur!“, wie Pflanzen auf den Klimawandel reagieren.
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Violette, ährenartig anmutende Blütenstände und samtige hellgrüne Blätter: Der Steppen-Salbei ist nicht nur hübsch anzusehen. Bienen, Hummeln oder Schmetterlinge fliegen im Wortsinn auf seinen aromatischen Duft. Obendrein ist die Pflanze ziemlich robust: Sie trotzt Minusgraden ebenso wie hochsommerlichen Temperaturen und ist deshalb längst auch in vielen deutschen Großstädten heimisch.
Der widerstandsfähige Steppen-Salbei ist eine von elf krautigen Pflanzen des vom BMBF geförderten Projekts „Pflanze KlimaKultur!“, dem bürgerwissenschaftlichen Vorhaben am Botanischen Garten der Freien Universität. Dutzende Hobbygärtner und -gärtnerinnen leisten ihren Beitrag dazu, den Einfluss des Klimawandels auf das Stadtgrün zu untersuchen, indem sie Klimabeete in ihren Gärten anlegen und das Wachstum der Pflanzen dokumentieren.
Wie verschieben sich die Wachstumsphasen - und wie wirkt sich das auf die Bestäuber aus?
„Wann kommt eine Pflanze aus dem Boden heraus? Wann blüht sie auf? Blüht sie am Stadtrand eventuell später als im Stadtzentrum? Gemeinsam mit Bürgerinnen und Bürgern wollen wir auf diese und weitere Fragen Antworten finden“, sagt Birgit Nordt, Biologin am Botanischen Garten Berlin und Projektkoordinatorin. Ziel der Kooperation mit dem Deutschen Zentrum für Integrative Biodiversitätsforschung Halle-Jena-Leipzig ist es, ein besseres Verständnis davon zu erlangen, wie die Pflanzen auf den Klimawandel reagieren, wie sich Wachstumsphasen verschieben und wie Bestäuber und andere Insekten ihr Verhalten ändern.
Hobbygärtnerinnen und -gärtner in Berlin, Jena, Leipzig und Halle wurden im April dieses Jahres mit elf Pflanzen und einem Pflanzplan ausgestattet. In jedem „Klimabeet“ messen Sensoren Bodenfeuchte und Temperatur. Im Wochentakt sollen die Gartenfreunde die Entwicklungsstadien einer jeder Pflanze erfassen. Ende 2024 wollen die Forschenden Bilanz ziehen. „Durch die Einbindung der Bevölkerung haben wir die einmalige Möglichkeit, betreute Versuchsflächen in der ganzen Stadt zu verteilen“, sagt Birgit Nordt. Die heimische Stadtnatur fit für den Klimawandel zu machen, das funktioniere nur gemeinsam, betont die Biologin.
Bürgerdialoge sind wichtig für ein stärkeres gesellschaftliches Bewusstsein
Birgit Nordt und ihre Kolleginnen und Kollegen können bei der Datenauswertung auf das globale Netzwerk „PhenObs“ aufbauen; die Abkürzung steht für Phenological Observation Network: Hier fließen seit 2017 auch Daten zu den Entwicklungsschritten von krautigen Pflanzen von Botanischen Gärten aus verschiedenen klimatischen Zonen zusammen.
Bei „Pflanze KlimaKultur!“ sei ein weiterer Aspekt wichtig, sagt Birgit Nordt: „Wir möchten das Thema Klimawandel und Stadtgrün in die Gesellschaft tragen.“ Fester Teil des Projekts sind deshalb Bürgerdialoge mit lokalen Akteuren wie Gartenarbeitsschulen, privat organisierten Gartenvereinen oder mit Vertreterinnen und Vertretern der Stadtverwaltung. Diskutiert werden dabei konkrete Lösungsansätze zu Naturschutz oder der Klimaanpassung von städtischen Grünflächen. Städte könnten dem Land in Sachen Biodiversität längst die Stirn bieten, erklärt die Biologin. Denn das Stadtgrün ist in der Regel weder Insektiziden noch Düngemitteln ausgesetzt, und Pflanzen finden an Gebäuden Schutz vor zu starker Sonne oder Wind. Auf der anderen Seite wirken sich Temperatur- und Niederschlagsextreme in der Stadt stärker aus als auf dem Land: „Pflanzen reagieren besonders sensibel auf Klimaveränderungen“, sagt Birgit Nordt. Welches Kraut gegen den Klimawandel gewachsen ist und so auch zu einer nachhaltigen und lebenswerten Stadt beitragen kann, hoffen die Beteiligten bei „Pflanze KlimaKultur!“ herauszufinden.
Für den Inhalt des Textes ist die Freie Universität Berlin verantwortlich.
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