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Engagiert für die Demokratie. Chefredakteur Jeffrey Goldberg mit den Autoren Helen Lewis, Ashley Parker und George Packer

© Annette Hornischer

Denkfestival der American Academy: Jeffrey Goldberg spricht über die Zukunft der US-Demokratie im Kino Babylon in Berlin

Vor vollem Haus diskutieren herausragende US-Autoren über den 250. Geburtstag der USA, und wie es um die Demokratie bestellt ist.

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Eigentlich soll es um den 250. Geburtstag und die Zukunft der USA gehen an diesem Abend, den die American Academy ausnahmsweise in Berlins Mitte organisiert hat. Aber Jeffrey Goldberg und seine Autoren haben ein komisches Gefühl, als sie vom Hotel kommend auf das alte Kino Babylon zugehen.

Sie müssen an den Beginn der 30er Jahre in Deutschland denken. Das Kino ist erstaunlich voll. Es wundert den Chefredakteur des Magazins „The Atlantic“, dass so viele Deutsche interessiert sind, wenn Amerikaner auf Englisch über US-amerikanische Politik sprechen.

Goldberg war der Hauptdarsteller im sogenannten „Signal-Gate“, bei dem im März die US-Regierung versehentlich hochgeheime militärische Dokumente in sein Mail-Fach geschickt hat. Es fällt schwer, sich auf die Zukunft zu konzentrieren.

Politik nach dem Vorbild einer Fernsehserie

Stattdessen ploppen immer wieder andere Fragen auf. Kann es sein, dass diese so besondere Demokratie der USA sich in eine Art Fernsehserie verwandelt hat, deren Hauptdarsteller unter dem Zwang steht, immer wieder neue Cliffhanger zu schaffen, Spannungsmomente, die das Publikum dazu kriegen, sich die nächste Folge in jedem Fall auch noch anzuschauen?

Seine Vorstellungskraft habe total versagt, schon vor der ersten Wahl von Donald Trump, erst recht bei der zweiten Amtszeit, gibt Autor George Packer zu. Die Welt schaut gebannt auf das, was gerade in den USA passiert und kommt davon nicht los. Auch hier nicht.

Die Unabhängigkeitserklärung als Podcast

Dass die heilige Unabhängigkeitserklärung den derzeit Mächtigen nur noch ein Stück Papier ist, steht als Frage im Raum. Der Vorschlag, das Papier besser in einen Podcast zu verwandeln oder in ein TikTok-Video, klingt in diesem Kontext nicht mal mehr wie reiner Zynismus.

Ein Gutes immerhin hat das Serienkonzept mit seinen unerwarteten Wendungen. Die Autokraten der Welt hätten Angst vor dem US-Präsidenten, weil er so völlig unberechenbar ist, glaubt die Runde, der auch die britische Autorin Helen Lewis und die Kennerin des Weißen Hauses, Ashley Parker, angehören.

Wetten sind nicht mehr möglich

Parker hat einen Rat für die Verbündeten parat auf die Frage, was Europa tun könne, um sich zu schützen. Auf militärische Stärke setzen, das zuerst. Oder dem US-Präsidenten große Geschenke machen, wie es die Briten kürzlich getan hätten, mit einem pompösen Staatsbesuch.

Würde jemand darauf wetten, dass der derzeitige US-Präsident im NATO-Fall die Balten verteidigen würde? Wie unvorhersagbar das derzeit ist, symbolisiert die Antwort von Goldberg, der vor zehn Jahren Stipendiat der American Academy am Wannsee war: Litauen nicht, Estland wohl.

Die Arroganz der Medien und die Arbeiter

Es geht auch um die Fehler der Demokraten, um die Arroganz der Medien, von denen sich die Arbeiter so abgestoßen fühlen, wie von der abgehobenen Allianz aus Wall Street, Hollywood und Silicon Valley. Deren Sorgen sind nicht die Sorgen der kleinen Leute, die die Medien als Blase empfinden, weit entfernt von ihren Sorgen.

Vielleicht habe sich Amerika seine herausragende Rolle in der Welt verloren und nähere sich mehr Europa an, auch diese These wird aufgestellt. Und die Zukunft? Jetzt kann Packer nur darauf hoffen, dass seine Vorstellungskraft noch mal versagt, aber diesmal zugunsten der exzeptionellen Rolle, die die US-Demokratie in den letzten 250 Jahren für die Welt gespielt hat.

Eine ganze Woche lang geht es bei diesem gemeinsamen Denk-Festival der American Academy und des Magazins „The Atlantic“ um dringliche globale Themen, auch über das Klima und die Zukunft der Demokratie.

Daniel Benjamin, der Präsident der American Academy, sieht hier eine gute Gelegenheit für wirklich schwierige Fragen. Nur hält die Gegenwart offensichtlich so viele Spannungsmomente bereit, dass es schwer scheint, sie gedanklich einfach hinter sich zu lassen.

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