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Der Anteil der Athletinnen in Paris liegt bei 45 Prozent. Obwohl noch nicht alles perfekt läuft, hat sich die Quote in den letzten Jahren stetig verbessert. 

© IMAGO/Beautiful Sports

Frauenanteil bei den Paralympics: Auf dem richtigen Weg

Der Anteil der Athletinnen in Paris liegt bei 45 Prozent. Obwohl noch nicht alles perfekt läuft, hat sich die Quote in den letzten Jahren stetig verbessert.

Von
  • Lilli Heim
  • Tim Rosenberger

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Für das Internationale Paralympische Komitee (IPC) ist das Thema Frauen bei den Paralympics ein wichtiges Anliegen. Präsident Andrew Parsons sagt dazu: „Seit 2016 hat das IPC jedes Jahr Millionen von Euro in paralympische Sportentwicklung gesteckt, wobei ein echter Schwerpunkt auf der Steigerung der weiblichen Beteiligung in allen Ebenen lag.“ Diese Arbeit beginne Früchte zu tragen.

Tatsächlich: Die Teilhabe von Frauen bei den Paralympics hat sich in den letzten Jahren verbessert. Insgesamt treten bei den Paralympics in Paris 1983 Athletinnen an. Bei 2417 männlichen Teilnehmern macht das eine Quote von 45 Prozent. So hoch wie noch nie – in Tokio lag sie noch bei 42 Prozent. Bei den Spielen 2000 in Sydney traten mit 988 Athletinnen, weniger als halb so viele an (2883 Männer).

Von der 50/50-Quote, wie sie dieses Jahr bei den Olympischen Spielen erreicht wurde, ist man bei den Paralympics noch entfernt. „Es gibt definitiv Fortschritte. So viele Nationen wie noch nie haben Frauen zu den Paralympics geschickt“, sagt Andrea Bundon, Assistenzprofessorin an der University of British Columbia und Expertin auf diesem Gebiet: „Und auch wenn es noch nicht perfekt ist, mit der Berichterstattung in den Medien hatte ich das erste Mal das Gefühl, dass Athletinnen für ihr Talent wahrgenommen werden.”

Bundon nahm bei den Paralympischen Winterspielen 2010 und 2014 teil und trat als Guide für seheingeschränkte Skifahrerinnen aus Kanada an.

Acht Frauen im Rollstuhlrugby – ein Erfolg

Als Beispiel für die gelungene Inklusion von Frauen nennt sie Rollstuhlrugby. Die Sportart ist die Einzige, bei der Männer und Frauen im gleichen Team spielen. Der Frauenanteil ist zwar so groß wie noch nie, aber viele Frauen sind es trotzdem nicht. Von insgesamt 96 Rugbyspielern- und spielerinnen sind acht weiblich. In drei der acht Mannschaften sind gar keine Frauen vertreten. Und das, obwohl ein möglicher körperlicher Nachteil mit einem Frauenbonus ausgeglichen wird. Bei der Klassifizierung wird jedem Spieler und jeder Spielerin eine Punktzahl zugewiesen. Bei Athletinnen wird zusätzlich ein halber Punkt abgezogen. Insgesamt darf ein Team acht Punkte auf das Feld bringen.

Im Vorfeld der Spiele äußerte sich die deutsche Spielerin Mascha Mosel zu den unausgeglichenen Geschlechterverhältnissen. Sie ist im deutschen Team mit Britta Kripke eine von zwei Frauen. Sie fände es cool, wenn die Sportart nicht so männerdominiert wäre, glaubt jedoch, dass es eine steigende Tendenz beim Frauenanteil gibt: „Wir hatten bei der letzten Weltmeisterschaft mit 13 die meisten Frauen in der Geschichte. Es wäre schon cool, wenn sich immer mehr Frauen trauen, das auszuprobieren.“

Die Verbesserung der Teilhabe von Frauen bei den Paralympics liegt auch dem Präsidenten des Deutschen Behindertensportverbandes (DBS), Friedhelm Julius Beucher, am Herzen: „Von den 148 Athletinnen und Athleten, inklusive Guides, sind 67 Frauen in Paris dabei.“ Das entspricht einer Quote von 45 Prozent und einer Steigerung im Vergleich zu Tokio (43 Prozent). Neben den „selbstverständlich“ gleich hohen Prämien bei Männern und Frauen gibt es auch eine finanzielle Förderung bei einer Schwangerschaft und dem Wiedereinstieg in den Profisport.

Beucher sagt, die 50/ 50-Quote bei den Paralympics sei die logische Konsequenz aus den Maßnahmen des DBS und IPC. Er gibt jedoch zu bedenken, dass die Zielsetzung erst umgesetzt werden könne, wenn die entsprechende Basis und Strukturen dafür vorhanden seien. Bei den Spielen in Los Angeles 2028 ist ein Blindenfußballturnier der Frauen in Planung.

In Paris wird zurzeit ausschließlich ein Turnier der Herren gespielt, obwohl die Sportart im nicht- paralympischen Kontext von Frauen und Männern gemischt gespielt wird. Auf eine Presseanfrage des Tagesspiegels verweist das IPC auf ihre Website, bei der die Entwicklung der Partizipation von Frauen aufgelistet sei. Konkrete Maßnahmen, wie diese in Zukunft noch weiter verbessert werden soll, nennt das IPC nicht.

Bei den Winterspielen ist man noch nicht so weit

Die langsamen, aber durchaus positiven Entwicklungen in den Sommersportarten stehen in Kontrast zu den Paralympischen Winterspielen, wo sich deutlich weniger tut. Bei den letzten Winterspielen in Peking lag der Anteil der Frauen bei 24 Prozent. Laut Bundon hänge das von verschiedenen Faktoren ab und sei auch schwieriger zu ändern. Zum einen liege es an dem insgesamt kleineren Umfang der Winterspiele, aber auch an einem sehr männerdominierten Umfeld.

In der Mixed-Sportart Para-Eishockey gab es gerade mal eine Frau. „Die gemischte Kategorie schadet eher, als dass es hilft. Sie erlaubt es den Sportorganisationen zu sagen, dass sie das Frauenprogramm nicht unterstützen müssen, da es bereits eine Möglichkeit für Frauen gibt, in einer Mannschaft zu spielen, auch wenn das für die meisten keine Option ist“, sagt Bundon.“

Für die Kanadierin liegt das eigentliche Ziel nicht im Erfüllen einer Quote. „Das IPC muss besser definieren, was es unter Geschlechtergerechtigkeit versteht. Momentan sprechen sie eher von Geschlechtergleichgewicht, das geht jedoch nicht auf den Kern der Frage ein, warum Frauen im geringeren Maße am Sport teilnehmen als Männer“, sagt sie. Generell ist sie optimistisch, dass sich die Situation in den nächsten Jahren weiter verbessert.

Lange Zeit sei es ein Tabu gewesen, die „Wohlfühlgeschichte“ Paralympics zu kritisieren. Die neue Generation von Athletinnen und Athleten sei bereit, die Probleme anzugehen. Einige harte Gespräche müssten noch geführt werden.

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