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© imago/Manngold/imago

Freie Wähler in Bayern: Schon wieder Antisemitismus?

Ein FW-Kandidat für den bayrischen Landtag postet antisemitische Kommentare. Für die Vorwürfe hat er wenig Verständnis.

Von Johann Aschenbrenner

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Gesundheitsminister Karl Lauterbach hat sich kürzlich mit seinem Doktorvater getroffen, und die Begegnung auf X veröffentlicht: Auf dem Foto lächeln der 89 Jahre alte Harvard-Professor Amartya Sen und seine Frau Emma Rothschild. In der Folge musste sich Lauterbach allerdings auch mit Verschwörungstheoretikern und Antisemiten beschäftigen, der Grund: der Nachname der Gattin des Professors.


So kommentierte auch ein Rechtsanwalt aus Mühldorf in Bayern namens Markus Saller: „Rothschild?“ Saller tritt für die Freien Wähler im bayrischen Landtagswahlkampf an, am übernächsten Sonntag ist Wahl. Sein Kommentar fand sich umgeben von allerlei antisemitischen Kommentaren und Verschwörungstheorien. Die Rothschild-Verschwörungserzählung besagt, dass die jüdische Familie Rothschild die Geschicke der Welt lenke und für alles Übel in der Welt verantwortlich sei.

Eindeutig antisemitisch.

Antisemitismusforscher Uffa Jensen über den Post.

Saller will die anderen Kommentare vor dem Verfassen nicht gelesen haben. Warum er das so kommentiert hat? Er sei darüber gestolpert, so Saller gegenüber dem Tagesspiegel, dass Lauterbachs Doktorvater „mit einer Frau aus der Familie Rothschild verheiratet ist.“ Es sei immer interessant zu erfahren, in welchem Umfeld ein Politiker ausgebildet wurde. „Dass es sich dabei um eine jüdische Familie handelt, ist für mich völlig belanglos.“ 

Als „eindeutig antisemitisch“ bezeichnet der Antisemitismusforscher Uffa Jensen von der TU Berlin Sallers Kommentar unter dem Lauterbach-Foto. „Antisemiten äußern sich selten klar und sagen nicht etwa: Ich hasse Juden. Sie benutzen Codes und der Rothschild-Mythos ist einer davon.“

Ein anderer Tweet, den Saller zuvor abgesetzt hatte, passe da ins Bild, glaubt Jensen. Darin ist die Rede vom „Great-Reset-Spiel“. Der Great Reset ist eine Verschwörungstheorie, nach der Eliten während der Coronapandemie die Gesellschaftsordnung umkrempeln wollten.

Unter diesem Foto von Lauterbach, seinem Doktorvater und dessen Frau fanden sich zahlreiche antisemitische Posts.

© twitter.com/Karl_Lauterbach

DIe Verschwörungstheorie kenne er nicht, sagt Saller dazu. „Den Begriff ,Great Reset’ kenne ich nur als Buchtitel des Begründers des Weltwirtschaftsforums Klaus Schwab aus dem Jahre 2021.“ Zunächst zeigt Saller wenig Verständnis für die Vorwürfe: „Jede Form von Antisemitismus war von mir weder beabsichtigt noch kann ich diesen Vorwurf objektiv nachvollziehen.“

Später gibt er sich gegenüber dem Tagesspiegel demütiger: „Ich kann nach dem heutigen Tag allerdings verstehen, wenn jemand diesen Zusammenhang herstellen und herauslesen möchte.“ Ein Zusammenhang sei von ihm aber nicht gewollt. „Ich distanziere mich ausdrücklich von jeglicher Form von Antisemitismus, im Nachhinein war dieser Post dumm“, sagt Saller. „Sollte ich damit die Gefühle von Menschen verletzt haben, bitte ich um Entschuldigung.“

Gerade erst musste sich der Spitzenkandidat der Freien Wähler Hubert Aiwanger für ein antisemitisches Flugblatt verantworten. Das Flugblatt war an seiner Schule im Umlauf und mehrere Exemplare wurden in seiner Schultasche gefunden. Aiwanger bestritt, das Flugblatt verfasst zu haben. Sein Bruder meldete sich zu Wort und bekundete, das Papier stamme von ihm. Aiwanger wurde auch für den Umgang mit der Affäre kritisiert, unter anderem weil er sich als Opfer einer medialen Kampagne darstellte. 

„Ziemlich entsetzt“ sei sie von dem, was sie gelesen hatte, erzählt Angelika Kölbl, Ortsvorsitzende der SPD in Mühldorf. Bislang war Saller ihr nicht als antisemitisch aufgefallen. „Aber als einer, der häufig übers Ziel hinausschießt“. Auch habe Saller die Flugblatt-Affäre um Hubert Aiwanger relativiert. Gerade im Lichte dieser Affäre frage sie sich: „Warum passt der nicht doppelt auf?“

Uffa Jensen glaubt, dass auch die Art, wie Aiwanger mit der Affäre umging, etwas ins Rollen gebracht habe: „Herr Aiwanger stellt sich als Opfer einer Verschwörung dar.“ Indirekt greife Saller das nun auf: „Jetzt insinuiert Herr Saller, dass es Verschwörungen durch Juden wie den Rothschilds gibt.“

Saller hat seinen X-Account inzwischen gelöscht. Er sieht sich einem „Shitstorm“ ausgesetzt, den er nicht mehr meistern könne.

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