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Ausreisepflichtiger Afghane tötet zwei Menschen: Was wir über den Messerangriff in Aschaffenburg wissen – und was nicht
Ein 28-jähriger Mann griff offenbar gezielt eine Kindergartengruppe an. Der ausreisepflichtige Asylbewerber wurde verhaftet. Doch es sind noch Fragen offen.
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Nach der Gewalttat mit zwei Toten und drei Verletzten im fränkischen Aschaffenburg steht die Suche nach dem Tatmotiv im Fokus der Ermittler. Zeugen müssen befragt und Spuren ausgewertet werden. Zudem dürfte der verdächtige 28-Jährige einem Haftrichter vorgeführt werden. Ob er gewillt ist, sich dort zu seinen Gründen für die Attacke zu äußern, ist ungewiss.
Was ist über den Tathergang bekannt?
Der Tatablauf ist nach wie vor noch nicht gesichert. Nach Informationen des bayerischen Innenministers Joachim Herrmann (CSU) hat ein 28-jähriger Verdächtiger am Mittwoch gegen 11.45 Uhr im Park Schöntal nahe der Innenstadt „unvermittelt und gezielt“ eine Kindergartengruppe mit einem Küchenmesser angegriffen. Dabei tötete er zunächst einen zweijährigen Jungen.
Mindestens ein Passant versuchte wohl dazwischenzugehen und wurde ebenfalls getötet. Ein zweijähriges Mädchen und ein weiterer Mann wurden schwer verletzt, eine Erzieherin der Gruppe verletzte sich auf der Flucht.
Der Verdächtige wurde nach der Attacke von weiteren Passanten verfolgt und später von der Polizei festgenommen. Bei einer zweiten, zunächst festgenommenen Person konnte ein Tatverdacht ausgeschlossen werden. Es handelt sich um einen Zeugen, der aktuell befragt wird.
Was ist über die Opfer bekannt?
Der getötete zweijährige Junge aus der Kindergruppe war marokkanischer Abstammung, das schwerverletzte Mädchen stammte aus Syrien. Der 41-jährige Passant, der beim Versuch den Täter zu stoppen getötet wurde, war offenbar Deutscher. Ebenso der verletzte 61-Jährige, der operiert werden musste.
Herrmann hob hervor, dass durch das mutige Einschreiten dieser Menschen „weitere Kinder vor dem Tod bewahrt“ wurden.
Was ist über den mutmaßlichen Täter bekannt?
Der namentlich nicht identifizierte 28-jährige Afghane soll im November 2022 über die Balkanroute nach Deutschland eingereist sein und hatte Anfang 2023 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bamf) einen Asylantrag gestellt. Nach den Dublin-Regeln wäre allerdings Bulgarien für seinen Fall zuständig gewesen, dort war er erstmals auf europäischem Boden mit Fingerabdrücken registriert worden. Herrmann bestätigte, dass es ein Dublin-Verfahren gab.
Die bulgarischen Behörden sollen einer Rücküberstellung auch zugestimmt haben. Woran eine Abschiebung am Ende scheiterte, ist bislang unklar. Nach Ablauf einer Frist wurde Deutschland für ihn zuständig.
Doch sein Verfahren sei beendet worden, nachdem er selbst Anfang Dezember 2024 gegenüber den Behörden schriftlich angekündigt habe, ausreisen zu wollen. Herrmann zufolge gab er dabei an, beim afghanischen Generalkonsulat die nötigen Papiere besorgen zu wollen. Daraufhin sei er vom Bamf zur Ausreise aufgefordert worden. Ausgereist sei er vor der Tat aber nicht.
Verdächtiger fiel wegen Gewalttaten auf
Wie Herrmann weiter sagte, sei der 28-Jährige in der Vergangenheit dreimal wegen Gewalttaten aufgefallen. Deshalb sei er jeweils zur psychiatrischen Behandlung in Einrichtungen eingewiesen, dann aber jedes Mal wieder entlassen worden.
Im Dezember 2024 habe das Amtsgericht Aschaffenburg eine gerichtlich bestellte Betreuung angeordnet. Herrmann zufolge befand sich der Mann weiterhin in psychiatrischer Behandlung.
Was ist über das Motiv des Täters bekannt?
Bundeskanzler Olaf Scholz hat die Messerattacke als „unfassbare Terror-Tat“ bezeichnet. „Terror können wir mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausschließen“, sagte hingegen ein Behördensprecher dem „Spiegel“. Nach einem Treffen mit den Chefs des Verfassungsschutzes, des Bundeskriminalamts und der Bundespolizei im Kanzleramt teilte Scholz mit: „Wir werden diesen Fall schnell aufklären und die nötigen Konsequenzen ziehen. Jetzt.“
CDU-Chef Friedrich Merz forderte „politisch klare Antworten“. „Wir werden darüber sprechen müssen, sobald die Umstände dieser schrecklichen Tat aufgeklärt sind“, sagte der Kanzlerkandidat der Union.
FDP-Fraktionschef Christian Dürr forderte schnellstmöglich ein Treffen der Innenminister von Bund und Ländern. „Die Politik muss darauf reagieren. Die Innenminister von Bund und Ländern müssen so schnell wie möglich zu einer Sonderkonferenz zusammenkommen“, sagte Dürr dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).

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Herrmann zufolge gibt es bisher keine Hinweise auf ein islamistisches Motiv. „Im Moment geht die Mutmaßung sehr stark in Richtung seiner offensichtlich psychischen Erkrankungen“, sagt der CSU-Politiker am Mittwochabend in Aschaffenburg. In der Unterkunft des Afghanen seien entsprechende Medikamente gefunden worden.
Als Extremist war der Tatverdächtige nach Informationen aus Sicherheitskreisen nicht bekannt. Auch Polizei und Staatsanwaltschaft teilten mit, dass es bislang keine Hinweise auf eine islamistische Gesinnung des Mannes gebe. „Zur Motivlage sind die Ermittlungen angelaufen“, sagte ein Polizeisprecher und bat darum, auf Spekulationen zu verzichten.
Wo fand die Tat statt?
Tatort war ein Park in Aschaffenburg in Bayern. Die Polizei ist nach dem Angriff am Mittag rasch vor Ort gewesen, womöglich auch, weil Fußstreifen hier regelmäßig unterwegs sind. Der Park namens Schöntal befindet sich in der Innenstadt und ist zunehmend als Kriminalitäts-Hotspot bekannt.
In der jüngsten Vergangenheit kam es in dem Areal vermehrt zu Straftaten, wie die Aschaffenburger Polizei Ende 2024 dem „Main-Echo“ sagt. Oberbürgermeister Jürgen Herzing (SPD) betont damals: „Die Beschwerden darüber, dass sich Menschen im Schöntal nicht mehr sicher fühlen, häufen sich.“
Die Tat erinnert an einen tödlichen Messerangriff auf Passanten in Würzburg am 25. Juni 2021. Damals hatte ein psychisch kranker Mann arglose Menschen in der Innenstadt mit einem Messer attackiert. Drei Frauen starben, neun Menschen wurden verletzt und viele weitere traumatisiert. (Trf, lem, dpa)
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