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Mode: Fashion Week: Berliner Mode führt in Sachen Nachhaltigkeit

Die Messen während der Modewoche zeigten deutlicher denn je, dass der Trend in Richtung Umweltfreundlichkeit geht. Berlin ist dabei Vorreiter.

Sollte auf den Berliner Modemessen ein Objekt gewählt werden, das diese Saison besonders gut verkörpert, dann hätte dieses Mal ein recht unscheinbarer Kandidat beste Chancen: die profane Pet-Flasche. Auffällig oft stand sie in der vergangenen Woche auf den Ständen der Aussteller im Mittelpunkt. Dabei ging es natürlich nicht um die schnöde Flasche selbst. In Vorher-Nachher-Installationen wurde vorgeführt, welche schönen Dinge aus wiederverwertetem Kunststoff entstehen können.

Die Flaschen symbolisierten den größten Trend, der sich an den drei Messetagen abzeichnete. Nachhaltigkeit ist nun augenscheinlich im modischen Mainstream angekommen – nicht nur bei der ohnehin auf umweltfreundliche Kleidung spezialisierten Neonyt, sondern auch auf den konventionellen Modemessen Premium und Seek war Umweltfreundlichkeit ein unübersehbares Leitmotiv.

Die Münchener Traditionsfirma Roeckl zum Beispiel, die schon lange mit recycelten Materialien arbeitet, stellte das Thema bei ihrem Auftritt auf der Premium diese Saison stärker in Vordergrund als je zuvor – mit einem Stand, auf dem die Plastikflaschen mit den aus ihnen hergestellten Taschen um Aufmerksamkeit wetteiferten. Der neue Schwerpunkt habe mit der aktuellen Stimmungslage zu tun, hieß es dort. Durch die immense Medienberichterstattung über Klimaschutzdemos oder Müllprobleme in den Ozeanen sei Nachhaltigkeit in der öffentlichen Diskussion gegenwärtig wie noch nie. Damit wird sie auch ein Anreiz für Einkäufer, die den Kunden Produkte mit einer zeitgemäßen Botschaft anbieten wollen.

Die Veranstalter der Premium hatten das frühzeitig erkannt und nachhaltigen Marken den zentralen Bereich der Haupthalle des ehemaligen Postgüterbahnhofs am Gleisdreieck eingeräumt. Und weil umweltfreundliche Produktionsmethoden immer auch großen Gesprächsbedarf wecken, organisierte die Messe dort die passenden Diskussionsrunden zum Thema.

Auch auf der Freizeitmodemesse Seek in der Treptower Arena, die ebenfalls der Berliner Firma Premium Exhibitions gehört, präsentierten sich umweltfreundliche Aussteller offensiver als zuvor. Nur auf der Panorama, der Großmesse für eher kommerzielle Marken, wurden noch die alten Grenzen eingehalten. Dort zeigten ökologische Labels zwar in einem ihnen vorbehaltenen Bereich namens Xoom Präsenz, kaum aber in den übrigen Hallen des Messezentrums unter dem Funkturm.

Noch sind konventionelle und grüne Mode in der Berliner Messelandschaft nicht komplett verschmolzen

Insgesamt hat nachhaltige Mode in Berlin einen großen Schritt aus ihrer Nische gemacht. So fühlten sich die Macher der Neonyt in ihrer Vorreiterrolle bestätigt: „Der Wandel ist greifbar“, erklärt Olaf Schmidt vom Ausrichter Messe Frankfurt im Abschlussbericht der Veranstaltung. Die Veränderungen verliehen dem Standort Berlin zudem ein dringend benötigtes Profil im Wettstreit mit deutlich glamouröseren Modemetropolen: Die Fashion Week könne „weltweit als Vorreiterplattform in puncto Nachhaltigkeit glänzen“, schreibt Schmidt.

Das ist umso wichtiger in Zeiten, in denen angesichts gravierender Umbrüche in der Bekleidungsbranche die Existenzberechtigung konventioneller Messeformate immer wieder grundsätzlich infrage gestellt wird. Auch auf den Berliner Messen schien es in der vergangenen Woche deutlich ruhiger zuzugehen als in früheren Saisons. Eine noch konsequentere Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsthemen könnte da neue Perspektiven für die Modewoche eröffnen, die mit zehntausenden Besuchern aus dem In- und Ausland nach wie vor nicht nur ein internationaler Branchentreffpunkt ist, sondern auch ein wichtiger Wirtschaftsfaktor für die Stadt.

Noch sind konventionelle und grüne Mode in der Berliner Messelandschaft aber nicht komplett verschmolzen. Daher ist beispielsweise das niederländische Label Rhumaa, das umweltfreundliche Herstellungsprinzipien mit hohen ästhetischen Ansprüchen verbindet, in Berlin auf zwei Messen vertreten. „Auf der Neonyt sind wir zum Netzwerken, auf der Premium zum Verkaufen“, sagt GründerDaniël Beernink. Schließlich zögen die Messen immer noch unterschiedliche Zielgruppen an: „Während man auf der Neonyt vor allem über die Materialien redet, steht auf der Premium das Design im Vordergrund.“

Denn immer noch ist letztlich entscheidend, ob die Kleider den Geschmack der Kunden treffen. Und ob der besondere Fokus auf Nachhaltigkeit tatsächlich mehr ist als ein Modethema für die Branche, muss sich spätestens in einem halben Jahr erweisen. Dann kommen die vielen umweltfreundlichen Produkte in die Läden, und die Verbraucher werden entscheiden, was ihnen ein gutes Gewissen wirklich wert ist. Dann wird sich zeigen, wie sehr das Thema Nachhaltigkeit schon in der Gesellschaft verankert ist.

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