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Bundesweit liberalstes Bestattungsrecht: In Rheinland-Pfalz darf die Asche Verstorbener bald im Wohnzimmer stehen
Wie und wo Tote bestattet werden dürfen, ist in Deutschland schon länger ein emotionales Thema. Der Landtag in Mainz hat sein Gesetz dazu nun umfassend novelliert.
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Viele Menschen hätten die Asche ihrer Liebsten nach deren Tod gern in ihrer Nähe, zum Beispiel in der Urne im Wohnzimmerschrank. Doch die gesetzlichen Regelungen lassen dies in Deutschland bisher nicht zu. Auch alternative Formen der Bestattung sind bisher schwierig und meist teuer. So sind beispielsweise Urnenbeisetzungen in Nord- und Ostsee erlaubt, aber das Ausstreuen der Asche in Flüssen ist – anders als in manchen Nachbarländern – verboten.
Der Landtag in Mainz hat nun am Donnerstag mit den Stimmen der regierenden Ampel-Koalition und der AfD eine umfassende Novellierung des Bestattungsgesetzes verabschiedet. Damit werden viele alternative Bestattungsformen erlaubt und der Friedhofszwang für die Asche Verstorbener aufgehoben. Angehörige können die Totenasche künftig grundsätzlich auch privat verwahren.
In Rheinland-Pfalz gilt damit künftig das bundesweit liberalste Bestattungsrecht. Die Novelle des rund 40 Jahre alten Gesetzes soll im Laufe des Oktobers in Kraft treten.
Möglich ist in Rheinpfalz-Pfalz damit künftig:
- Asche Verstorbener darf privat aufbewahrt werden
- Die Sargpflicht entfällt, Tuchbestattungen werden ermöglicht
- Bestattungen der Asche in größeren Flüssen wie dem Rhein, der Mosel und der Saar werden möglich
- Auch das Ausstreuen außerhalb des Friedhofs wird erlaubt
- Aus der Asche Verstorbener dürfen Diamanten hergestellt werden
Voraussetzung für die neuen Möglichkeiten soll demnach sein: Die Menschen müssen Rheinland-Pfälzer sein und schriftlich vor dem Tod ihren Wunsch niederlegen, wie Gesundheitsminister Clemens Hoch betonte. Sie müssten auch mit jemandem darüber sprechen, der dann die Verantwortung für die Totenfürsorge übernehme.
Die ausgehändigte Urne darf aber nicht außerhalb des Friedhofs, etwa im eigenen Garten, bestattet werden. Aber: „Wer gerne unter dem heimischen Apfelbaum verstreut werden möchte und das schriftlich festlegt, dem soll das ermöglicht werden“, so der SPD-Politiker dem Sender SWR zufolge.

© dpa/Sebastian Gollnow
„Jeder trauert unterschiedlich und jeder braucht andere Formen des Halts“, betonte Hoch, dessen Haus das Vorhaben federführend vorangetrieben hatte, der Agentur KNA zufolge. Das Land gehe „im Interesse der Menschen für ein würdevolles Ableben einen Schritt voran“, sagte der Minister mit Blick auf Reformüberlegungen in verschiedenen anderen Bundesländern.
Das Gesetz schränke niemanden ein, der eine traditionelle Form der Bestattung wünsche. „Wir sehen den Friedhof in unserem Bestattungsgesetz immer noch als Regelfall an“, erklärte er.
Der SPD-Abgeordnete Oliver Kusch sagte der Agentur epd zufolge, bislang seien viele Angehörige, die sich beispielsweise aus der Asche ein Schmuckstück anfertigen lassen wollten, ins Ausland ausgewichen: „Die Menschen mussten in ihrer Trauer noch ein schlechtes Gewissen und zusätzlichen Stress haben.“ Die Trauerkultur habe sich im Laufe der Zeit stets verändert, erklärte der Grünen-Abgeordnete Josef Winkler demnach. Auch Friedhöfe müssten sich verändern, sie seien „eben gerade keine Museen“.
Herr Minister, Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe!
Christoph Gensch, CDU-Abgeordneter
Die Opposition betonte ihre grundsätzliche Kritik an dem Gesetz. Oppositionsführer Gordon Schnieder von der CDU sagte KNA: „Insbesondere das Aufheben des Friedhofszwangs sehen wir sehr kritisch.“ Das Gesetz bedrohe den Fortbestand der Friedhöfe in Rheinland-Pfalz. Es müsse daher nach Inkrafttreten zeitnah überprüft werden.
„Die Novelle beerdigt die Bestattungskultur in diesem Land“, kritisierte auch der Unionsabgeordnete Christoph Gensch. Würde- und pietätvolle Bestattungen auf dem Friedhof würden tendenziell dadurch „unerschwinglich teuer“. Er rief Hoch im Plenum zu: „Herr Minister, Sie sind der Totengräber unserer Friedhöfe.“ Die Möglichkeit zur privaten Verwahrung von Urnen erzeuge gesellschaftlichen Druck, insbesondere Ärmere würden in Zukunft schneller aus dem Gedächtnis der Mitmenschen verschwinden.
Diese Gefahr sieht Minister Hoch nicht. Er traue den Kommunen im Land zu, Friedhöfe so weiterzuentwickeln, dass sie auch in Zukunft Orte der Trauer und des Gedenkens bleiben können. Allerdings stelle sich die Frage, ob Städte künftig noch in jedem Vorort einen eigenen Friedhof unterhalten müssten.
Kritik an dem Gesetz kam auch von den christlichen Kirchen. „Es hat etwas mit Menschenwürde zu tun. Auch der tote Leib hat seine Würde. Und das war bisher auf den Friedhöfen gut gewährleistet. Da setze ich jetzt ein Fragezeichen, ob das alles gut durchdacht ist“, sagt der Bischof des katholischen Bistums Mainz, Peter Kohlgraf, dem ZDF. Er ist gegen Urnen im Wohnzimmer: „Wenn es keine öffentliche Kontrolle mehr gibt, keine Friedhofspflicht, dann weiß eigentlich niemand, was mit der Urne, die zu Hause ist, passiert.“
Bestattungskultur verändere sich mit der Zeit – das neue Gesetz trage dem Rechnung, sagte Dorothee Wüst, Kirchenpräsidentin der Evangelischen Kirche der Pfalz. „Gleichzeitig sehe ich kritisch, wenn Bestattungen zur reinen Privatsache werden und der Tod aus dem öffentlichen Bewusstsein verschwindet. Abschiede gehören in die Gemeinschaft – sie sind Orte von Würde, Anteilnahme und Halt“, sagte Wüst.
„Ich möchte mir auch nicht vorstellen, dass Urnen beim Umzug vergessen oder Schmuckstücke aus Asche verloren gehen. Das widerspricht jeder Vorstellung von Würde“, so Wüst.
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