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WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn wird „Neffenwirtschaft“ vorgeworfen.

© Foto: WDR/Annika Fußwinkel

Debatte um die öffentlich-rechtlichen Medien: Läppischer geht’s immer

Die Springer-Presse macht vor, wie sich eine notwendige Diskussion in Nebensächlichkeiten verlieren kann. Warum Schreihals-Sender wie Bild-TV Kritik verdienen.

Joachim Huber
Ein Kommentar von Joachim Huber

Stand:

Springer betreibt die Fernsehkanäle Bild-TV und Welt-TV. Von wenigen Ereignissen und Terminen abgesehen laufen beide Programme unter oder nur knapp über der Wahrnehmungsgrenze. Das muss für einen Konzern, der Deutschlands mächtigste Boulevardzeitung betreibt und mit den Homepages von Bild und Welt sehr erfolgreich ist, eine schlimme Erfahrung sein.

Hoher Schreihals-Faktor bei Bild-TV

Nun gäbe es die Möglichkeit, das Programmangebot deutlich zu verbessern, also attraktiver zu machen. Bei Welt-TV sind Ansätze, gerade im Talk-Sektor, vorhanden, bei Bild-TV wird der Schreihals-Faktor verstärkt. Aber von konkurrenzfähigen Angeboten sind die Springer-Kanäle weit, weit entfernt.

Ob aus Frust oder Lust, auf jeden Fall wird auf die öffentlich-rechtlichen Medien geschossen. Nun ist es der ARD noch vor dem ZDF und dem Deutschlandradio zu eigen, die Skandalnudel zu spielen. Die Vorgänge namentlich beim RBB wie beim NDR taugen für Empörung, provozieren berechtigte Rufe nach Reform bis hin zur Erneuerung. Da scheint sich die veröffentlichte Meinung mit der öffentlichen einig.

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Doch zeigt sich, dass Springer, aus den eingangs genannten Gründen, nicht mehr zwischen richtig und nichtig, zwischen gerechtfertigt und ungerechtfertigt unterscheiden kann und will. So überraschte die „Bild“-Zeitung ihre Leser mit der Ungeheuerlichkeit, dass die MDR-Intendantin Karola Wille ihren Dienst-Audi 2020 in Leipzig auf einem Behindertenparkplatz abgestellt hatte.

„Die Welt“ wusste jüngst zu berichten, dass ein Neffe der Ehefrau von WDR-Programmdirektor Jörg Schönenborn seit 20 Jahren in der Produktionsfirma der ARD-Talkshow „hart aber fair“ arbeitet. Was „Bild“ veröffentlichte, war dümmlich, was die „Welt“ berichtet hat, war läppisch.

Harte Kritik ist notwendig

Der öffentlich-rechtliche Rundfunk verdient jede harte Kritik, jede Investigation, wird das Beitragsprivileg missbraucht, liegt eben Missbrauch öffentlicher Gelder vor. Kein Kinkerlitzchen und eben Treibstoff für die notwendige Debatte, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk strukturiert, welchem Programmauftrag er zu folgen hat.

Das sind große Fragen, die zu einem wesentlichen Faktor des demokratischen Gemeinwesens gehören und in entsprechender Dimension behandelt werden müssen.

Zur Wahrheit gehört allerdings dazu, dass die erkennbar nervös und unsicher gewordenen Anstalten auf die Berichterstattung der Springer-Presse reagieren. So habe Karola Wille einen wichtigen Arzttermin in Leipzig wahrnehmen müssen, heißt es entschuldigend vom MDR. So werde WDR-Programmdirektorin Andrea Schafarczyk als weitere Entscheidungsinstanz in die Produktionsabläufe bei „hart aber fair“ eingebunden, heißt es eilfertig vom WDR.

Klasse, oder? Beim öffentlich-rechtlichen Rundfunk greift jetzt die Sippenhaft, anderswo werden wohl bald Peilsender an Dienstagwagen angebracht. Natürlich kann sich die Springer-Presse darauf berufen, dass ihre Rechercheergebnisse von anderen Medien aufgegriffen wurden und werden. Egal, welchen Sack du schlägst, du triffst immer einen Richtigen, oder?

Vielleicht treten jetzt mal alle einen Schritt zurück, um die Problemlage genauer und schärfer zu erkennen, um vom Detail zum Großen und Ganzen zu kommen. Wenn „Bild“ und „Welt“ in ihrer Wadenbeißerei das nicht schaffen, dann müssen das die anderen Medien schaffen - aus der schlichten Erkenntnis heraus, dass es dieser Gesellschaft nicht gut bekäme, wenn Springers TV ARD und ZDF ersetzen würde.

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