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Mutig: ZDF-Kommentatorin Claudia Neumann mit Regenbogen-Armbinde.

© Foto: dpa/ZDF

Die WM im Fernsehen: Lasst das das ZDF machen!

Es ist kein Spaß, bei dieser Fußball-WM zu kommentieren. Warum es gut ist, die öffentlich-rechtlichen Sender auch einmal zu loben.

Ein Kommentar von Markus Ehrenberg

Es bleibt nicht alles so selbstverständlich, wie es war, hat Hans Blumenberg mal sinngemäß über den Nutzen der Nachdenklichkeit und der Philosophie gesagt. Auf den Eindruck nach dem ersten langen Fernseh-WM-Tag im ZDF übertragen, heißt das: Fast nichts wird bei diesem fragwürdigen Fifa-Event in den Medien selbstverständlich genommen, schon gar nicht ein Fußballspiel.

Die übertragenden Fernsehsender überschlagen sich fast im Bemühen, den Spagat zwischen Kritik am Gastgeber/Fifa und sportlicher Analyse hinzukriegen. Bestes (symbolisches) Beispiel: die ZDF-Reporterin Claudia Neumann, die vor dem Montagabendspiel USA gegen Wales im TV mit Regenbogen-Shirt auftrat.

Fast hatte man Angst, dass da gleich eine Aufsicht vom Gastgeber dazwischen springt. Die englische BBC-Moderatorin Alex Scott trug die verbotene Armbinde während der Berichterstattung. Weniger Stunden vorher hatte es die Fifa teilnehmenden Teams wie England oder Deutschland quasi untersagt, mit einer One-Love-Armbinde ähnliche Botschaften zu verbreiten wie Claudia Neumann - eine Aktion für Gleichberechtigung und Meinungsfreiheit.

Neumann setzte damit die Arbeit vom Kollegen Béla Réthy fort, der am Sonntag bei Eröffnungsfeier und Eröffnungsspiel nicht müde wurde zu betonen, wie fragwürdig diese ganze Veranstaltung ist. Das hatte der Reporter, der nach dieser WM nach 35 Jahren in Rente geht, vorher im Tagesspiegel-Interview angekündigt: „Alles so schön bunt hier? Das wird man nicht erzählen können.“

Ein Zeichen, das man nur dann setzt, wenn man dadurch keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat, ist kein Zeichen.

Jochen Breyer, ZDF-Moderator

Kaum ein Réthy-Satz zu dem, was er im Stadion sah ohne Parenthese zur Lage der Menschenrechte in Katar, der Situation der Frauen dort oder den verdächtig guten Kontakten von Fifa-Boss Infantino zu den arabischen Gastgebern.

Es ist kein Spaß, das zu kommentieren. Zwischen den Zeilen schimmerte durch: Hättet Ihr mir dir doch bloß eine saubere Fußball-WM zum Abschied gegönnt..

In die Richtung analysierte auch am Montagnachmittag und abends das ZDF-Team. Jochen Breyer, Christoph Kramer, Per Mertesacker, Martina Voss-Tecklenburg, zugeschaltet Sven Voss aus Katar - wann immer die drei WM-Spiele des Tages und die Pausen dazwischen Gelegenheiten ließen, gab der öffentlich-rechtliche Sender kritisch Gas. Fast zehn Stunden „Sportstudio“ live als eine Art „heute-“ oder „auslandsjournal“.

Gerade auch Breyer, der zuletzt eine kritische, entlarvende Doku aus Katar beisteuerte,  gab den Investigativmann. Fragte bei Kramer und Mertesacker im Mainzer Studio hartnäckig nach, kritisierte auf Twitter die Entscheidung des DFB, die One-Love-Binde außen vor zu lassen: „Ein Zeichen, das man nur dann setzt, wenn man dadurch keinerlei Konsequenzen zu befürchten hat, ist kein Zeichen.“

Viel Nachdenklichkeit. Man kann ARD, ZDF & Co. vorwerfen, viel, zu viel Geld für diese Fifa-WM ausgegeben zu haben. Und sich vielleicht auch über Quoten zu freuen.  Am Montag erreichte kein WM-Fußballspiel auch nur annähernd fünf Millionen Fans.  Was man den Sendern nicht vorwerfen kann: sich vom PR-Glanz, den die Gastgeber und die Fifa verbreiten (wollen), blenden zu lassen. Mal sehen, welcher Reporter, welche Reporterin als Nächstes ein Regenbogen-Shirt trägt. Ob da ein Katari dazwischen springt oder schnell aufs Weltbild gegangen wird.

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