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So war das Modejahr: Es geht voran

2010 war bestimmt kein schlechtes Jahr für die Mode in Berlin: Hiesige Labels machten gute Geschäfte, Debütantinnen konnten überzeugen, Ökomode gewann an Bedeutung. Was aber sagen die Beteiligten selbst? Jan Schröder hat einige gefragt

Verkauft sich einheimische Luxusmode mittlerweile auch in Berlin?

JOHANNA KÜHL: Der Wirtschaft geht es besser, allgemein wird wieder mehr Geld ausgegeben. Es sind mehr Touristen da, aber auch die Berliner geben ihr Geld gerne für Mode aus. Das merkt man auch an den Umsätzen bei uns im Shop. Außerdem wächst das Interesse an den Berliner Modelabels. Dabei geht es nicht nur um Authentizität. Bei uns im Shop können wir eben direkt auf individuelle Wünsche eingehen. Aber auch in anderen Läden verkaufen sich unsere Sachen besser. Wir können jetzt neben internationalen, sehr hochpreisigen Marken bestehen. Bei unseren Taschen spielt sicher auch das Label eine Rolle, aber generell geht die Kundin in Deutschland sehr stark nach dem Produkt und weniger nach der Marke. In Japan ist das anders. Bei Kaviar Gauche ist natürlich inzwischen auch das Markenimage ziemlich prägnant – dadurch, dass Prominente unsere Kleider tragen, aber natürlich auch, weil wir jetzt über mehrere Jahre Präsenz gezeigt haben. Und insgesamt öffnet sich auch der Handel stärker für hiesige Designer. Das gilt aber vor allem für die Berliner Labels, die vorher schon im Ausland in sehr hochwertigen Shops verkauft haben. Die Berliner Einkäufer waren erst zurückhaltender, sagen jetzt aber: „Ok, wenn das schon so lange besteht...“ Das ist die deutsche Vorsichtigkeit. Man wartet erst einmal, ob etwas funktioniert. Da sind die Japaner schon neugieriger – weil sie die Ersten sein wollen. Bei uns war es so, dass wir am Anfang wirklich nur in Japan gekauft wurden.

Johanna Kühl und Alexandra Fischer-Roehler gründeten ihr Label „Kaviar Gauche“ 2004. Den Durchbruch schafften sie mit ihren charakteristischen Taschen, inzwischen haben sie sich als Luxusmodemarke etabliert. Im Sommer eröffneten sie einen Flagshipstore in der Linienstraße.

Wie erlebt ein neues Label sein erstes Jahr?

PERRET SCHAAD: Es war für uns ein Jahr voller Adrenalin, in dem wir sehr starke Momente erlebt haben. Was wir erfahren haben – als wir den Mut hatten, unseren Traum anzufangen – ist, dass wir immer positive und inspirierende Reaktionen und Unterstützung von Familie, Freunden und Fachleuten erhalten haben. Wirklich überrascht hat uns allerdings nichts. Wir haben einfach unsere Sache gemacht – und wir hatten von Anfang an einen Plan und unsere Ziele. Vor einem Jahr haben wir uns schon gewünscht, dahin zu kommen, wo wir heute sind. Aber es ist auch einfach so viel passiert, dass wir alles wohl erst in zwei Jahren realisieren werden. Wir hatten eigentlich gar keine Zeit, richtig überrascht zu sein. Schön war jedenfalls, dass so viele verschiedene Leute von sich aus auf uns zugekommen sind. Dass die Resonanz so positiv sein würde, damit konnten wir nicht rechnen. Solche Ziele kann man sich ja nicht selbst setzen.

Johanna Perret und Tutia Schaad feierten mit ihrem Label „Perret Schaad“ im vergangenen Januar ihr Debüt auf der Mercedes-Benz Fashion Week. Seither gelten sie als große Nachwuchshoffnungen der deutschen Modeszene.

Wie sieht der ideale Standort für die Fashion Week aus?

DANIEL AUBKE: Der optimale Standort für die Mercedes-Benz Fashion Week ist ein zentral gelegener, repräsentativer Platz in Berlin-Mitte. Wir begreifen Mode als Kulturgut und möchten sie gern auch dementsprechend verorten – Opernhäuser und Museen sind ja in aller Regel auch im Herzen einer Stadt, genau dort sehen wir uns auch. Unseren Gästen ist eine gute Infrastruktur wichtig, mit entsprechenden Hotels und Restaurants in der Nähe. Entscheidend ist, dass wir den Platz für mehrere Saisons im Voraus zugesagt bekommen und nicht alle sechs Monate umziehen müssen.

Daniel Aubke ist in Berlin für die Öffentlichkeitsarbeit der Agentur IMG zuständig, die die Mercedes-Benz Fashion Week veranstaltet. Im vergangenen Jahr gab es heftige Diskussionen über den bisherigen Standort auf dem Bebelplatz. Nun wird nach einer Alternative gesucht.

Wird das Thema Ökomode weiter an Bedeutung gewinnen?

FRANS PRINS: Es wird in Berlin immer wichtiger. Das fing mal mit wenigen grünen Labels an und inzwischen gibt es zahlreiche Messen und Plattformen. Im Sommer haben sich schon über hundert grüne Modemarken in Berlin präsentiert. Ich glaube, diese Entwicklung wird weitergehen. Noch ist Ökomode ein bisschen Avantgarde, aber sie wird in die vorhandenen Strukturen hineinwachsen. Das braucht noch Zeit, aber es passiert schon. Hier entwickelt sich das auch deswegen so gut, weil Berlin eine Stadt ist, die sich sehr für Neues interessiert. Und die Modebranche ist auch nicht so festgefahren. Sie ist noch jung und daher offener. Wir veranstalten unsere Messe also nicht nur hier, weil es in Berlin so viele Ökointeressierte gibt... Aber was grünen Konsum angeht, ist Berlin natürlich schon eine Pionierstadt. Hier gibt es gerade viele schöne Projekte und Designer. Wir möchten diese Entwicklung fördern, deshalb öffnen wir unsere Messe an einem Tag für alle Interessierten. Das hat auch mit Aufklärungsarbeit zu tun, wir bieten deshalb zum Beispiel Workshops an. The Key.to ist nicht nur eine Fachmesse, sondern auch eine Plattform für Visionen.

Im Sommer 2009 gründeten Frans Prins und Gereon Pilz van der Grinten die The Key.to, eine Messe für „grünen Lifestyle“, die während der Fashion Week stattfindet. Inzwischen ist die Veranstaltung so gewachsen, dass sie im kommenden Januar in die Columbiahalle umziehen wird.

Wie entwickelt sich die Modeszene in China?

MICHAEL MICHALSKY: Kappa China ist einer der großen Sportswear-Hersteller in China. Obwohl erst im Jahr 2005 gegründet, verkauft die Firma ihre Produkte heute bereits in über 4000 Stores. Als ich 2009 den Auftrag bekam, das Design einer Kappa-Kollektion zu übernehmen, war mir diese Schnelligkeit noch nicht klar. Bei Michalsky entsteht eine neue Kollektion in sechs Monaten. So viel Zeit gibt es nicht in China. Es muss alles schneller gehen und deshalb werden von Anfang an mehr Designentwürfe erwartet. Das ist für einen Designer eine große Herausforderung, gleichzeitig aber auch eine schöne Aufgabe. Wir haben darauf reagiert, indem wir eine separate Design-Unit, das Michalsky DesignLab, gegründet haben. Das Verhältnis der Chinesen zur Mode und deren Einfluss auf den täglichen Lifestyle wurde mir erst so richtig bewusst, als ich mit dem Chefredakteur des chinesischen Harpers Bazaar, einer High-Fashion-Zeitschrift, sprach. Die Entwicklung erfolgt in drei Schritten. Die meisten Chinesen sind extrem Markenbewusst. Sie wollen die Logos auf den Produkten haben und zeigen. Weil sich viele Menschen am Anfang ihres Berufslebens die Originale nicht leisten können, kaufen sie Fakes. Das ist die erste Stufe. Sobald ein Chinese jedoch genug Geld verdient, will er das Original. Also leistet er oder sie sich eine Hermès-Tasche oder kauft Gucci-Schuhe. Doch dann passiert etwas Interessantes. Nach der „Uniformierung“ auf hohem Niveau suchen wohlhabende Chinesen wieder die Individualisierung. Es geht dann nicht mehr um Geld oder Status, sondern um individuellen Stil. Dann werden neue chinesische Labels mit eigener Designsprache oder junge westliche Designer wie Michalsky gekauft. In den wohlhabenden Kreisen und in der enorm wachsenden Mittelschicht Chinas sieht man deshalb mehr individuell gestylte Menschen als im Westen. Das hat natürlich Abstrahleffekte und der Nebeneffekt ist, dass junge Menschen anfangen, gleich die coolen Designerprodukte zu kaufen. Sozusagen ohne den Umweg über die großen Marken. Dieser Trend ist noch am Anfang, aber bei der Masse der Chinesen nicht zu unterschätzen.

Michael Michalsky entwirft nicht nur für sein eigenes Label, sondern auch für die Sportswearmarke Kappa in China. Er hat persönlich erfahren, was modisch im Reich der Mitte passiert.

Muss Herrenmode eigentlich konventionell sein?

MADS DINESEN: Ich habe angefangen, Mode zu machen, weil ich die traditionelle Männermode langweilig fand. Für meine Kollektion habe ich Elemente aus verschiedenen Kulturen gesammelt. Dabei habe ich mich nicht nur auf Männerkleidung beschränkt. Aber wenn man sich die Herrenmode im Laufe der Geschichte anschaut, dann ist die eigentlich meist recht bunt und auffallend. Meine eigenen Entwürfe finde ich daher auch gar nicht so ausgefallen. Ich achte genau darauf, wie wir Kleidung als Ausdrucksmittel verwenden. Man sieht das gut bei kleinen Szenen, für die Kleidung ein sehr wichtiger Teil des Selbstbildes ist. HipHop-Mode ist zum Beispiel überhaupt nicht konventionell, sondern total bunt und ziemlich übertrieben. Für den „normalen“ Mann auf der Straße ist das eine völlig fremde Welt. Man sollte daher grundsätzlich aufpassen, was man „auffällig“ nennt oder „fremd“ und „anders“ findet. Da muss man im Kopf umschalten, denn für andere ist genau das völlig normal. Aber für den „normalen Mann“ sind die Möglichkeiten schon noch begrenzt. Man muss das aber einfach mal umdrehen und fragen: Was ist denn die „normale Frau“? Es gibt keine „normalen“ Frauen – Frauen können eigentlich tragen, was sie wollen. Aber insgesamt sehe ich gerade eine Entwicklung. So langsam langweilen sich die Männer mit ihrer Kleidung. Sie haben Lust, wilder und individueller auszusehen.

Mads Dinesen sorgte im vergangenen Sommer auf der Modenschau der UdK mit seiner spektakulär inszenierten Abschlusskollektion für Aufsehen. Er sucht neue Wege in der Männermode.

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