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Geflüchtete an Grenze zwischen Belarus und Polen: Was wurde aus Lukaschenkos Erpressungsversuch?
Vergangenes Jahr wollte Belarus Zehntausende Migranten in die Europäische Union schicken. Das sorgt bis heute für viel Leid – und Rechtsbrüche durch Polens Polizei.
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Es war ein perfider Plan des belarussischen Machthabers Alexander Lukaschenko: Um Druck auf die Europäische Union auszuüben, lockte er vergangenes Jahr Zehntausende Migranten aus dem Nahen Osten und Nordafrika ins eigene Land, um sie dann zur Grenze nach Polen eskortieren zu lassen und dort, notfalls gewaltsam, Richtung Westen zu treiben.
Die polnische Regierung schickte Polizisten und Soldaten zur Grenzsicherung, ließ Tränengas gegen Geflüchtete einsetzen und verhängte eine mehrere Hundert Kilometer lange und drei Kilometer breite Sperrzone für Hilfsorganisationen, Journalisten und Anwälte. Durch die russische Invasion in der Ukraine geriet die Situation wenig später aus dem Fokus der Weltöffentlichkeit. Wie sieht es heute vor Ort aus?
An der Grenze
Seit Juli ist die Sperrzone offiziell aufgehoben, Berichterstatter haben wieder Zugang zum Grenzgebiet. Sie finden dort massiv ausgebaute Grenzanlagen vor, zu denen auch fünfeinhalb Meter hohe Stahlzäune gehören. Gleichzeitig hält das Lukaschenko-Regime weiter an seiner Taktik fest, lässt Migranten in die Hauptstadt Minsk einfliegen und von dort zur Grenze bringen. Trotz der Sicherungen gelingt es Migranten immer wieder, polnisches Staatsgebiet zu erreichen, etwa über den Fluss Bug oder durch Sumpfgebiete, in denen kein Stahlzaun errichtet werden konnte.
Werden die Migranten auf polnischer Seite von Grenzschützern aufgegriffen, werden sie umgehend zurück nach Belarus transportiert, ohne ihr individuelles Recht auf Asyl zu prüfen. Dabei handelt es sich um systematische „Pushbacks“, die gegen europäisches Recht verstoßen. Betroffene Migranten berichten von Schlägen und Demütigungen durch polnische Sicherheitskräfte. Ihnen werden zudem Wertgegenstände wie Mobiltelefone abgenommen, bevor sie auf die andere Grenzseite zurückgebracht werden.

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Die humanitäre Lage
Um den illegalen Pushbacks zu entgehen, verstecken sich Migranten auf polnischer Seite in Wäldern und versuchen von dort aus, weiter Richtung Westen zu ziehen. Augenzeugen berichten dem Tagesspiegel am Telefon von dramatischen Zuständen: Die Geflüchteten, die es auf die polnische Seite schafften, seien erschöpft, litten an Unterkühlung, Frostbeulen und Hunger, seien oft dehydriert. Medizinische Versorgung gebe es nur durch lokale Hilfsorganisationen, die aber größtenteils im Verborgenen arbeiten müssten. Ehrenamtliche Helfer klagen über Repressionen und werfen der polnischen Regierung Rassismus vor: Während ukrainische Geflüchtete im Land willkommen seien und die humanitäre Hilfe für diese gefeiert werde, würden Migranten anderer Hautfarbe und jeder, der ihr Leid mindern wolle, kriminalisiert.
Die Politik
Im November besuchte Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckhardt die Grenze und kritisierte anschließend die dortigen Zustände scharf. Der polnische Grenzschutz umgehe das Asylrecht, den Geflüchteten werde ihr Recht auf faire Verfahren genommen. Göring-Eckhard sagte: „Das ist mit europäischem Recht und unseren Werten nicht vereinbar.“
Unterdessen verstärkt Polen seine Außengrenze auch in anderen Regionen. Entlang der mehr als 200 Kilometer langen Grenze zur russischen Exklave Kaliningrad wird aktuell ein zweieinhalb Meter hoher Stacheldrahtzahn errichtet. Die Arbeiten begannen im November. Nach Angaben des polnischen Verteidigungsministers Mariusz Blaszczak ist der durchgehende Zaun nötig, weil Flüchtende aus dem Nahen Osten und Nordafrika inzwischen verstärkt mit dem Flugzeug nach Kaliningrad reisten und von dort in die EU gelangen wollten.
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