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Am Todesstreifen in Berlin-Kladow: Das Schweigen der Grenzhunde

Das Leben mit Blick auf den Todesstreifen war eigentlich nichts Aufregendes für den West-Berliner Jungen. Aber trotzdem gibt es Momente, die André Görke, heute Tagesspiegel-Redakteur, nicht vergisst.

Ich bin in Kladow aufgewachsen, einem Dorf tief im Süden Spandaus. Es war ein schöner Ort, eine Insel in der Inselstadt West-Berlin. Im Süden war Wald, im Westen war Wald, im Osten der Wannsee, im Norden - naja - die grünen Rieselfelder, auf denen die Kloake der Großstadt versickerte.

Und immer und überall war Militär: Grenzsoldaten der NVA standen hinter dem Zaun (den hatten sie auf unserer Seite gegen die Mauer ausgetauscht) . Bis heute kann ich den Anblick nicht vergessen, wenn meine Eltern mit mir nachts durch den dunklen Wald die Potsdamer Chaussee entlangfuhren, die einen Ortsnamen trug, den wir auf dieser Straße nie erreichten.

Fünf Kilometer rollten wir auf dieser Potsdamer Chaussee Tag für Tag parallel zum Grenzstreifen, der grell erleuchtet war. Ich sah Grenztürme alle 300 Meter, ich sah Scheinwerfer im Wald, ich hörte das Kläffen der Schäferhunde, die in den langen Gattern hin und her liefen. Ich sah in diesem Streifen, den wir nie betreten durften, dunkelgrüne Jeeps und manchmal ein paar Menschen. In den Osten konnte ich nicht gucken. Da war Mauer.   Auch auf unserer Seite waren Soldaten: Wenn die Queen landete, sind wir mit der Schulklasse zum Flughafen am Ritterfelddamm gegangen und haben mit hunderten Schülern geguckt, wie die alte Frau mit dem großen Hut aus ihrem weißen Flugzeug kam. Warum, wussten wir nicht. Saßen wir in Kladow im Garten, hörten wir das Röhren der Motoren, obwohl der Flughafen zwei Kilometer weg war. Wir hörten oft Schüsse, das waren die britischen Soldaten in ihrer riesigen Schussanlage, links von der Potsdamer Chausse. Rechts war der Mauerstreifen.

Wir alle sahen Panzer. Wir sahen Uniformen und Gewehre. Wir hörten Hunde und Schüsse und Flugzeuge jeden Tag und oft auch in der Nacht.

Und dann kam das Jahr 1989 und es wurde immer stiller in diesem Dorf, das Kladow heißt.

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