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Das Parteilogo der Alternative für Deutschland (AfD).

© IMAGO/Andreas Franke

„Geschichtspolitisches Rollback“: Gedenkstättenleiter kritisiert gezielte Verharmlosung von Nazi-Rhetorik durch AfD

Der Vorsitzende der NS-Gedenkstätte Buchenwald findet auch deutliche Worte zum Wahlprogramm der Union und ihrem Umgang mit Erinnerungskultur – weder Auschwitz noch NS-Verbrechen würden explizit erwähnt.

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Die AfD betreibt aus Sicht des Leiters der KZ-Gedenkstätte Buchenwald, Jens-Christian Wagner, eine gezielte Verharmlosung von NS-Rhetorik. Ziel sei es, dadurch sowohl das rechtsradikale Milieu als auch die bürgerliche Mitte als potenzielle Wähler anzusprechen, „indem man Begriffe aufweicht und sich darüber lustig macht“, sagte Wagner im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ (Dienstag online).

Als Beispiel nannte er das Urteil gegen den Thüringer AfD-Chef Björn Höcke wegen der Nutzung der früheren SA-Parole „Alles für Deutschland“. Von Anhängern der Partei sei das verharmlost und das Urteil lächerlich gemacht worden. „So wird NS-Rhetorik und damit auch NS-Ideologie enttabuisiert“, warnt Wagner.

Ebenso sei der Begriff „Nazi“ inzwischen dadurch entwertet worden, dass er von AfD-Funktionären gegen Demonstranten und politische Gegner verwendet würde. So habe Parteichefin Alice Weidel bei AfD-Parteitagen die Gegendemonstranten als „rot lackierte Nazis“ und „SA-Horden“ bezeichnet.

„Weidel benutzt diese Rhetorik der Begriffsverwirrung, um die heutige völkische Rechte, die Anhängerschaft der AfD, davon zu befreien, mit der Ideologie der Nationalsozialisten der 1930er-, 1940er-Jahre in Verbindung gebracht zu werden“, erklärt Wagner. „Das ist, abgesehen von der Begriffsverwirrung, eine aberwitzige Verharmlosung des historischen Nationalsozialismus.“

Laut dem Gedenkstättenleiter versucht zudem die AfD in Thüringen, die Arbeit seiner Institution zu behindern. So würden der Gedenkstätte politische Parteinahme unterstellt sowie deren Aktivitäten durch häufige Kleine Anfragen im Landtag hinterfragt. Diese bänden Ressourcen der Gedenkstätte und könnten Mitarbeiter für Wochen beschäftigen. „Das einzige Ziel solcher Anfragen ist es, unsere Arbeit in der Gedenkstätte zu erschweren und uns nebenbei Geldverschwendung zu unterstellen“, so Wagner.

Gleichzeitig kritisiert er auch, wie die Union in ihrem Wahlprogramm die Erinnerungskultur behandelt. Darin würden weder Auschwitz noch die NS-Verbrechen als solche explizit erwähnt, dafür aber die Flucht und Vertreibung von Deutschen nach 1945. „Das ist ein geschichtspolitisches Rollback in die 1950er-Jahre und liest sich, als seien in den Augen der CDU die Deutschen die Hauptopfer des Zweiten Weltkriegs“, kritisiert der Gedenkstättenleiter.

Zudem sei mit Verweis auf die SED-Herrschaft in der DDR im Wahlprogramm von den beiden totalitären Regimen in Deutschland die Rede. „Diese terminologische Gleichsetzung des Nationalsozialismus mit der SED-Diktatur fällt hinter alles zurück, was wir seit den 1990er-Jahren diskutieren.“ (KNA)

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