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Advent, Advent, die Hütte brennt!

© IMAGO/Marius Schwarz

„Last Christmas“ als Krisensong: Nicht mehr lange, dann ist das letzte Mal Weihnachten

Das Ohrwurmlied handelt von der Verstrickung in falsche Gewohnheiten. Davon gibt es auch in der Politik jede Menge. Dagegen hilft nur: Leidenschaft.

Adrian Schulz
Ein Kommentar von Adrian Schulz

Stand:

Der so harmlose wie nervige Song „Last Christmas“ von Wham! bekommt in diesem Jahr einen ganz neuen Beiklang. Inmitten all der Krisen kann man schnell denken: Die letzten Weihnachten stehen vor der Tür. Ein finales Fest gibt es noch, danach ist die Welt am Ende.

Dieses Szenario erscheint mit jeder schlechten Nachricht plausibler. Ukraine, Klima, Viren, fehlende Medikamente, alles wird teurer. In Großbritannien streikt die Post, Ratten und Füchse nagten an den sich in den Lagern stapelnden Geschenkpaketen. In Berlin platzt ein Großaquarium, 1500 Fische sterben. Geht es noch dystopischer?

Auch der Songtext selbst klingt, als gehe es um die Probleme der Gegenwart. „Last Christmas“ handelt von einer unerwiderten Liebe, von Verstrickung und Abhängigkeit, vom Versuch sich zu lösen. Dieser Versuch scheitert. But if you kissed me now, I know you’d fool me again. Eine toxische Beziehung würde man das heute nennen.

Pflegt unsere Gesellschaft nicht viele solcher Beziehungen? Die zu billigem Gas, das jetzt teuer ersetzt werden muss. Die zur Arbeit: Viele schuften sich kaputt, andere bräuchten dringend einen Job, um klarzukommen. Und die zu Autokratien, denen wir Waffen verkaufen, und uns dann wundern, warum das mit den Menschenrechten einfach nicht klappen will.

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Im Laufe des Liedes vergeht die Furcht, betrogen zu werden. Uh, uh, now, I’ve found a real love / You’ll never fool me again. Doch warum soll die neue Liebe halten, was sie verspricht? Vor Täuschung ist man niemals sicher.

To save me from tears. „Last Christmas“ wirkt wie Selbsttherapie. Eine Beschwörung, mit der man die Gefahr bändigen will, sie kleinreden, und vor allem: sie übertönen. Aber gerade dass es dieser Beschwörung bedarf, zeigt, dass man anfällig für Verführungen ist – und bleibt.

Vielleicht läuft „Last Christmas“ deshalb jedes Jahr in Dauerschleife. Als ständig neuer Schutzzauber. Ob er wirkt oder nicht, muss uneindeutig bleiben, auch damit man das Lied immer und immer wieder anhört. Es kennt einfach kein Ende, obwohl es genau davon handelt: vom Abschließen.

Gruppen wie die „Letzte Generation“ drängen darauf, dass das tatsächliche Ende unserer gewohnten Lebensweisen bedrohlich nah rückt. Wie schützen wir uns vor der Zerstörung, die wir selbst über uns bringen? Die Popmusik lehrt: Es ist nahezu unmöglich. Aber wenigstens kann man leidenschaftlich dagegen anschmettern.

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