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Artikel nur noch mit KI: Bei Axel Springer ist die Künstliche Intelligenz nun überall
KI ist schon lange das treibende Element bei Springer. Nun soll es auch durchgängig bei journalistischen Inhalten eingesetzt werden. Belegschaft und Branchenvertreter sind alarmiert.
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Axel Springer ordnet konzernweit viele Prozesse neu und setzt dabei voll auf „Artificial Intelligence“ (AI), beziehungsweise Künstliche Intelligenz (KI). In der sogenannten „Premium-Gruppe“ sollen nun offenbar auch alle journalistischen Inhalte mithilfe von KI erstellt werden. Unter dem Dach der sogenannten „Premium-Gruppe“ wurden die Springer-Marken „Politico“, „Business Insider“ und „Welt“ zusammengefasst.
Springer-Vorstandsmitglied Claudius Senst, CEO der„Premium-Gruppe“, kündigte nun in einer E-Mail an die Belegschaft, die der Tagesspiegel einsehen konnte, ein „neues Kapitel“ für das Unternehmen an. Zuerst hatte das Branchenportal Medieninsider darüber berichtet.
Fünf-Punkte-Plan für fast alle Gewerke
Senst verpflichtet laut Mail die Journalistinnen und Journalisten der „Premium-Gruppe“, aber offenbar auch die nicht-redaktionellen Gewerke, zum massiven und vorrangigen Einsatz von Künstlicher Intelligenz bei nahezu allen täglichen Arbeitsroutinen.
Es sind unsere Inhalte. Es ist unsere Arbeit.
Springer-Vorstandsmitglied Claudius Senst, CEO der „Premium-Gruppe“
Sein Fünf-Punkte-Plan verlangt von den Redakteurinnen und Redakteuren, anstatt Google nun ChatGPT als „Standard für Recherche, Ideenfindung und schnelle Antworten“ einzusetzen. Suchmaschinen sollten erst genutzt werden, wenn die Ergebnisse von ChatGPT nicht überzeugend ausfielen. Alle Artikel, Papiere, Konzepte, Präsentationen und Angebote sollten zudem künftig nach ihrer Erstellung eine KI-Prüfung durchlaufen und „jede Routineaufgabe“ automatisiert werden.
Für neue Aufgaben und Prozesse verlangt Senst: Für jeden und jede in der „Premium-Gruppe“ neu anfallenden Prozess oder Aufgabe, journalistisch oder außer-redaktionell, soll künftig als Erstes ein „KI-Prototyp“ erstellt werden. Nur wenn die Automatisierung keine brauchbaren Ergebnisse liefere, würden „neue Stellen oder Budgets“ bewilligt. Das klingt nach: weniger Mitarbeiter, mehr Technik.
Im fünften und letzten Punkt seines Plans versucht Senst offenbar, mögliches Unbehagen der Beschäftigten einzufangen. Die KI solle „keine Content-Wüsten erzeugen“, schreibt Senst. Er betont: „Es sind unsere Inhalte. Es ist unsere Arbeit.“
„Die Stimmung ist auf dem Nullpunkt“
Die Fünf-Punkte-Richtlinie stimmt manche in der Belegschaft besorgt: „Die Stimmung in den Redaktionen ist auf dem Nullpunkt. Es gibt einige große Namen wie Paul Ronzheimer oder Robin Alexander, die gepusht und mit Top-Verträgen gehalten werden. Aber wer kann, schaut, ob er nicht anderswo unterkommen kann“, sagt ein Mitarbeiter aus Springers „Premium-Gruppe“ dem Tagesspiegel.
Senst setzt mit seinen neuen Vorschriften die Strategie von Springer-Unternehmenschef und Großaktionär Mathias Döpfner um. Dieser hatte auf einer internen Managementkonferenz im Juni angekündigt, den Firmenwert innerhalb von fünf Jahren verdoppeln zu wollen. Im Fokus stünden dabei auf künstlicher Intelligenz basierter Journalismus, der Ausbau der Marketing-Plattformen und die Erschließung neuer Wachstumsfelder. Das Print-Geschäft hat keine Priorität mehr.

© dpa/Sebastian Gollnow
Im Rahmen der Neubündelung von „Politico“, „Business Insider“ und „Welt“ zur Springer-„Premium-Gruppe“ wurde bislang viel Personal abgebaut. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und auch Volontärinnen und Volontäre klagen nach Informationen des Tagesspiegels immer öfter über die zunehmende Arbeitsverdichtung, mangelnde Wertschätzung und fehlendes Feedback seitens der Vorgesetzten. Der „Welt“-Betriebsrat hatte sich auch lange und massiv gegen die Verschmelzung zur „Premium-Gruppe“ gewehrt.
Wieder „mehr und direkter miteinander sprechen“
Für die „Unsicherheit und Unklarheit“ bittet Senst in seiner Mail um Verständnis. „Der Prozess hat uns alle sehr gefordert“, schreibt er und kündigt an, man wolle künftig wieder „mehr und direkter miteinander sprechen“.
Einige sind auch besorgt über die massive Implementierung von ChatGPT in die Unternehmensabläufe. Sie befürchten, dass man sich zu sehr von einem einzelnen Unternehmen abhängig machen könnte. Das sagen Springer-Mitarbeiter, die sich nicht zitieren lassen wollen, dem Tagesspiegel. Besonders auffällig in dem Zusammenhang: Chat-GPT-CEO Sam Altman wird im September mit dem Axel Springer Award ausgezeichnet.
Die Vorstellung, man könne mit KI im redaktionellen Alltag an menschlicher Intelligenz sparen, halte ich für naiv. Die digitale Revolution erfordert eher mehr Investition in menschliche journalistische Expertise als weniger. Wir brauchen diese Fachkräfte, die einordnen, kritisch Quellen hinterfragen und erklären.
Mika Beuster, Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV)
Dieser Preis wurde in der Vergangenheit unter anderem bereits an Mark Zuckerberg, Jeff Bezos und Elon Musk verliehen. Letzterer ist ein Freund Döpfners und durfte in Springers Welt AfD-Wahlkampf betreiben. Schon immer hat der Springer-CEO die Nähe zu den US-Tech-Unternehmern gesucht. Sein Sohn Moritz Döpfner arbeitet als Chief of Staff für den umstrittenen Trump-nahen Investor Peter Thiel.
Der US-Medienjournalist Ben Smith vom Portal „Semafor“ analysierte kürzlich, Döpfner pflege enge Kontakte „in die kleine Welt der neurechten Leader“. Für deren Strategen spielt KI eine wichtige Rolle. Branchenvertreter sehen die Entwicklungen bei Springer hingegen mit Sorge.
„Manipulation muss verhindert werden“
„Künstliche Intelligenz kann ein wertvolles Werkzeug, auch für Redaktionen, sein, wenn es um die Entlastung von Routineaufgaben geht oder das Auswerten von großen Datensätzen“, sagt der Bundesvorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Mika Beuster, dem Tagesspiegel. Es müsse jedoch klare Regeln geben. „Eine davon ist, dass immer gekennzeichnet sein muss, wenn journalistische Beiträge mithilfe von KI erzeugt wurden, sonst ist die Glaubwürdigkeit in Gefahr.“
KI sei zu oft eine „Black Box“, bei der nicht klar sei, wie der Algorithmus zu seinem Ergebnis gekommen sei, so Beuster weiter. „Manipulation muss verhindert werden.“
Der Journalistenvertreter hat Zweifel an dem Fünf-Punkte-Plan für die Springer-„Premium-Gruppe“: „Die Vorstellung, man könne mit KI im redaktionellen Alltag an menschlicher Intelligenz sparen, halte ich für naiv. Die digitale Revolution erfordert eher mehr Investition in menschliche journalistische Expertise als weniger. Wir brauchen diese Fachkräfte, die einordnen, kritisch Quellen hinterfragen und erklären“, so Beuster. Das Publikum wolle nicht von Robotern informiert werden, sondern von Menschen.
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