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Eine Million Euro für ein Jahr Glück. Das spielen (von links nach rechts) Katharina Schüttler, Lena Dörrie, Eko Fresh, Sergej Moya und Karolina Lodyga durch.

© ARD/BR/ORF/WDR/die film gmbh

ARD-Serie „Die Glücksspieler“: Die Millionen-Suche

Dialoge, die nicht aus dem Musterkatalog der Partnerberatung stammen. „Die Glücksspieler" im Ersten ist ein verlockendes Serien-Angebot.

Geld macht nicht glücklich. Den Spruch kennt fast jeder und auf jeden Fall kennen ihn all jene, die kein Geld haben. Was aber, wenn eine Million Euro lockt?

Der ebenso reiche wie unglückliche Multimillionär Gottlieb Herzinger (Branko Samarowski) macht dieses Angebot: Wenn Ines Schickling (Katharina Schüttler), Firat Bozoklu (Eko Fresh) und Jasper Lipp (Manuel Rubey) versuchen, ein Jahr lang glücklicher zu werden, bekommt jeder von ihnen eine Million Euro. Drei Bedingungen stellt er.

Erstens darf niemand und noch nicht mal die Ehepartner (Karolina Lodyga, Lena Dörrie und Sergej Moyal) dürfen etwas von dem Projekt erfahren. Die drei treffen sich, zweite Bedingung, jeden Woche einmal beim Notar und tauschen sich aus. Herzinger schaut per Webcam zu, hört zu, greift aber nicht ein. Schließlich muss das Trio ein geschlagenes Jahr durchhalten. Wird auch nur gegen eine der Bedingungen verstoßen, ist die Glückspartie sofort beendet.

Herauskommt die sechsteilige ARD-Serie „Die Glücksspieler“. Die Anlage wirkt leicht überdreht, fern der Realität – aber warum soll nicht die Fiktion fiktive Möglichkeiten durchspielen? Also bitte.

Die erste Antwort auf das Warum liefert Herzinger selber. Er hat sich Zeit seines Lebens lieber um die Akkumulation seines Reichtums gekümmert als um die Vermehrung seines persönlichen Glücks. Vier Ehen sind gescheitert und die einzige Tochter, die daraus hervorging, hat den Kontakt abgebrochen.

Nachdem ein Luftballon mit einem Hilferuf an den Weihnachtsmann, geschrieben von Ines’ Kindern, im Garten seiner Villa gelandet ist, beschließt er, mit seinem Geld etwas Sinnvolles, auf jeden Fall Ungewöhnliches zu machen. Vielleicht werden nicht nur die Kandidaten, sondern auch er selbst glücklicher.

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Das Trio ziert sich, schüttelt den Kopf, Firat nennt den Millionär und seinen Butler, den Herrn Wagner (Ovidiu Schumacher) mal „Komiker“, mal „Clowns“. Also nein? Kaum kehren die drei in ihre gewohnte Welt zurück, überfällt sie der Zweifel. Die Ehen sind in die Jahre gekommen, die Kinder werden größer, die jeweiligen Lebenswege gleichen Sackgassen. („Die Glücksspieler“, ARD, Mittwoch, um 20 Uhr 15)

Nicht nur bei Ines, einer ehrgeizigen Anwältin, deren Mann Max die gemeinsamen Töchter hütet und statt in Konzertsälen das Klavier zu bemühen die Tasten in Seniorenheimen drückt. Oder Firat Bozoklu, er macht mit seiner Firma in Straßenreinigung und Winterdienst. „Also auf den ersten Blick der Türke, der den Deutschen den Dreck wegräumt. Aber auf den zweiten Blick arbeiten Deutsche für mich.“

Seine Frau und er haben drei Töchter, Hausfrau Natascha glaubt, ihren Mann im Griff zu haben. Sie hat keine Ahnung, dass Firat ein Verhältnis mit Frau Unger (Bettina Mittendorfer) von der Stadtverwaltung hat, die ihm lukrative Verträge zuschanzt. Firat, großmäulig, wirbelig und frei von Sitzfleisch, findet in Jasper Lipp, den Dritten im Glücksbund, sein Gegenteil.

Jasper ist ein nerdiger Versicherungsmathematiker. Motto: „Überraschungen sind was Widerliches. Ich habe nicht die geringste Ahnung, wie das geht.“ Seine Ehefrau Simone hat die Arbeit als Krankenhausärztin aufgegeben, um sich um den siebenjährigen Sohn Ron zu kümmern, der kein Wort spricht.

Wie glücklich ist Dein Leben in der Mitte Deines Lebens?

Die Serie von Bert Koß und Michael Hofmann, der auch Regie führt, geht sehr geschickt vor. Während sich die drei Kandidaten in der Kanzlei begegnen, treffen sich ihre Ehepartner auf der Bank im Spielplatz. Die einen drei kennen sich also, die anderen drei lernen sich erst kennen.

Das Trio auf der Bank reflektiert stets auch das Ehe- und Familienleben – und damit die Erfolge wie Misserfolge ihrer Partner und ihrer selbst nicht zuletzt in der Glückskekswerdung.

Die sechs Folgen spielen dabei diverse Konstellationen, Kommunikationsmuster und Kapriolen durch. Wenig bleibt, wie es so lange, so beharrlich gewesen ist. Die Sehnsucht nach dem Glück bekommt etwas von der Jagd nach dem Glück.

Nach der Spielaufstellung in der ersten Folge steigen Ines, Firat und Jasper quirlig in die Umsetzung ein. Und immer am Freitag um 18 Uhr geht es zur Besprechung zum Notar, verfolgt von Herzinger und seinem Butler.

Schon beim ersten Mal jubelt der Verführer, er habe noch niemals ein besseres Fernsehprogramm gehabt. Folglich heißt die zweite Folge auch „Das Jahresabo“.

Das alles passiert auf Komödienniveau. Drei Menschen mit der Karotte vor der Nase, um das einzig wirklich Wichtige in ihrem Leben hinzukriegen: ein glückliches Leben für sich, für den Partner/die Partnerin, für die Kinder, für die Umwelt. In der Weise, wie die sechs Episoden geschrieben und inszeniert sind und gespielt werden, überträgt sich die Grundfrage ohne Qual und Mühsal ins Publikum?

Was würdest Du tun, wie Dich entscheiden? Und, und vor allem: Wie glücklich ist Dein Leben in der Mitte Deines Lebens?

Es gelingt der Serie schnell, ihre Konstruktion zu verstecken und die „Menschheitsfrage“ nach dem Glück glaubhaft in den Vordergrund zu schieben. Und es gelingt, weil die Figuren keine Prothesenträger sind, sprich, keine Aussage- und Aufsagesätze formulieren. Persönlichkeit und persönliches Umfeld sind dergestalt ausgestattet, dass sich der wesentliche Wirkstoff entfalten kann: lebenskluge Glaubwürdigkeit.

Und mit wem hält es der Zuschauer? Mit der karriereorientierten Anwältin Ines, dem Hallodri Firat oder dem gemobbten Zahlenfetischisten Jasper? Katharina Schüttler, Eko Fresh und Manuel Rubey machen einem die Entscheidung schwer, sehr schwer, dadurch, dass sie Schatten- wie die Sonnenseiten ihrer Glücksspieler akzentuieren, präsentieren.

Und Dialoge sprechen können, die nicht aus dem Musterkatalog der Partnerberatung stammen, sondern die Qualität zur Charakterisierung besitzen. Die Bücher sind besonders, das Ensemble ist besonders, das Ergebnis ist besonders. Der Zuschauer bekommt Glücksgefühle.

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