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„Da wird ja eine richtige Vergewaltigung gezeigt“. Die fünf Mütter Mirjam, Karina, Jasmine, Britta und Bianca sind entsetzt, welche Clips frei zugänglich im Netz zu finden sind. Bevor sie ihren eigenen Film drehen, müssen sie zunächst tief in die Porno-Industrie eintauchen.

© Sat 1/Marvin Koche

TV-Projekt „Mütter machen Porno“: „Der Penis nicht zu groß“

„Mütter machen Porno“: Für Sat 1 wollen fünf Frauen zeigen, dass Sexfilme nicht verstörend sein müssen.

Rund 40 Prozent der deutschen Kinder suchen im Internet nach pornografischen Inhalten. Das Durchschnittsalter, mit denen sie erstmals mit solchen Filmen in Berührung kommen, liegt bei elf Jahren. „Solche Clips vermitteln ein falsches Bild von Lust und Liebe“, sagt TV-Sex-Expertin Paula Lambert am Anfang der Sat-1-Dokumentation „Mütter machen Porno“.

Weil sie Angst haben, dass ihre Kinder durch solche Szenen an Sexualität herangeführt werden, haben sich fünf Frauen zu einem radikalen Schritt entschieden. Sie wollen ihren eigenen Porno produzieren, um Kinder vor falschen Erwartungen schützen. Sat 1 zeigt die zweiteilige Dokumentation, die auf dem britischen Format „Mums make Porns“ basiert, an diesem und am nächsten Mittwoch zur besten Sendezeit. Auch ihr Film ist am kommenden Mittwoch in Ausschnitten zu sehen.

[„Mütter machen Porno“, Sat1, 22. und 29. Juli, jeweils 20 Uhr 15. „Vanilla X – Der Film“, Ausschnitte aus dem Film, 29. Juli, 22 Uhr 30]

Die Kinder von Mirjam, Karina, Jasmine, Britta und Bianca sowie andere befragte Jugendliche kennen sich mit Pornos bestens aus. „Es gibt German, Bukkake, Big Cock, Hard Core“, zählen sie einige Kategorien auf. „Ich war in der ersten oder zweiten Klasse, als ich meinen ersten Porno gesehen habe“, erzählt ein Mädchen freimütig. Eine andere stellt sich die Frage, „wie zur Hölle passen zwei Fäuste in ein Rektum?“. So sei das Internet, „so funktioniert das eben“, gibt sich ein Jugendlicher abgeklärt.

Vor dem Dreh steht die Recherche. Im Internet werden die Mütter schnell fündig. Altersfreigabe: häufig Fehlanzeige. Abscheu und Ekel sind den fünf Frauen ins Gesicht geschrieben. „Da wird ja eine richtige Vergewaltigung gezeigt“, stellen sie bei einer Szene entsetzt fest. Dem Zuschauer werden die Bilder zwar nicht gezeigt, die Tonspur spricht jedoch für sich. „Deine Kinder haben dir doch gesagt, dass du keine Ahnung hast, was es im Netz alles gibt. Da siehst du es.“

Die Mütter selbst gehen mit Pornos sehr unterschiedlich um. Die 36-jährige Jasmine will nicht, dass ihre Kinder „solche Bilder auf den Handys haben“. Die 49-jährige Miriam hat weniger Berührungsängste. „Pornografie ist für mich eine Variante der Aufklärung“, sagt sie und plädiert später dafür, den Porno mindestens mit drei Darstellern zu drehen. Aus Berlin ist die 44-jährige Karina dabei, eine Mutter von vier Söhnen. 1994 war sie Playmate im „Playboy“. Die Gefahr für die Jugendlichen fängt für sie dort an, wo Gewalt ins Spiel kommt.

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Den Porno drehen die Mütter nicht selbst, sie agieren als Produzenten. Zur Vorbereitung informieren sie sich auf einschlägigen Messen wie der „Venus“, sie sprechen mit einer Beziehungstherapeutin über die Auswirkungen des Pornokonsums. Der Teilnahme an einem Bondage-Workshop können sie wenig abgewinnen, das gilt auch für die Dreharbeiten an einem Set im Hinterzimmer eines Berliner Cafés („Das ist einfach so billig“). Für den eigenen Film müssen sie professionelle Darsteller und Darstellerinnen casten („Und wie groß ist er?“). Auch das ein heikles Unterfangen.

Die andere Seite von Sat1

Das Kerngeschäft des Privatsenders Sat1 sind in erster Linie unterhaltsame Sendungen für ein möglichst großes Publikum. Immer wieder greift der Sender aber auch gesellschaftskritische Themen auf. Vor einem Jahr thematisierte der Sender gleich mit mehreren ambitionierten Filmen Problemfelder wie Stalking, Zivilcourage und Vergewaltigungen mit Einsatz von K.o.-Tropfen. Dadurch wolle man auf wichtige Themen in der Gesellschaft hinweisen und Missstände ins öffentliche Bewusstsein rücken, hatte Sat-1-Geschäftsführer Kaspar Pflüger erklärt. In den Jahren davor hatte es ähnliche Produktionen gegeben, in denen es um Themen wie Cybermobbing, häusliche Gewalt oder Organspenden ging.

Dem neuen Format „Mütter machen Porno“ wäre ein großes Publikumsinteresse durchaus zu wünschen. Das Aufklärerische steht im Vordergrund, das Thema wird in den verschiedensten Facetten beleuchtet, wobei auf Voyeurismus verzichtet wird ohne dabei in Prüderie zu verfallen. Dass Pornos so einfach zu finden und ohne wirksame Sperren im Internet abzurufen sind, hängt mit dem unzulänglichen Jugendmedienschutz zusammen.

Die bestehenden Regeln stammen aus einer Ära, die noch von „bespielten Videokassetten“ geprägt war und in denen es statt Smartphones „Bildschirmspielgeräte auf öffentlichen Verkehrsflächen“ gab. Eine Reform ist seit Jahren überfällig, 2019 hat Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) den Entwurf einer Gesetzesnovelle vorgelegt. Ein Problem: Die Bundesländer sehen sich durch das Reformpapier in ihren Kompetenzen eingeschränkt.

Die Dreier-Frage entzweit die Gruppe

Bei der grundsätzlichen Ausrichtung sind sich die Frauen einig. Sie wollen einen Porno, der ein realistisches Bild von Sex vermittelt. Mit Menschen, die sich ebenso leidenschaftlich wie wertschätzend begegnen, mit Zärtlichkeit und Emotionalität. „Authentisch, nicht perfekt – der Penis nicht zu groß und die Verhütung nicht vergessen.“

Darüber, was „normaler Sex“ ist, gehen die Meinungen weit auseinander. An der Frage, Dreier oder nicht, bricht die Gruppe beinahe auseinander. Bei der Klärung soll ihnen die Pionierin des niveauvollen Pornos, Erika Lust, bei einem Besuch in Barcelona helfen. „Durch Erika haben wir einen ganz anderen Eindruck von Pornografie bekommen“, meinen die Mütter nach dem Dreh. „So könnte es aussehen“, sagen sie und haben nur noch einen Wunsch: Hauptdarsteller Silvan für den eigenen Porno-Dreh zu gewinnen.

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