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Michel Abdollahi macht „heute wichtig“: Der Podcast und sein Einsteiger
Erst wollte er nicht, jetzt kommt er täglich: der Podcast „heute wichtig“ mit Michel Abdollahi. Mit Themen, die woanders vernachlässigt werden könnten.
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Böhmermann, Schulz, Zervakis, Drosten, Lanz, Precht, Lobrecht und Schmitt, Thilo Jung undundund und jetzt auch – Michel Abdollahi. Der Autor, Künstler und Filmemacher ist mit „heute wichtig“ unter die Podcaster gegangen. Mit Blick auf neue Nutzer-Zahlen und Abdollahis Motivlage stellt sich dabei die Frage, ob es überhaupt noch ohne Podcast geht, um Themen, Meinungen und Köpfe unter die Leute zu bringen.
„Ich dachte, ich steige ein, wenn der Podcast-Hype vorbei ist“, erzählt Abdollahi im Zoom-Interview. Er hatte das Gefühl, alle hatten Podcasts durch und durch bedient, alles gesagt, was es zu sagen gibt. Aus dem Wissenschaftler-, Denker- und TV-Universum stießen zuletzt noch Richard David Precht und Markus Lanz hinzu, die im wöchentlichen ZDF-Podcast, zusammen geschaltet aus Düsseldorf und Hamburg-Ottensen („Schönen guten Morgen, Markus“), über Macht und Langeweile räsonieren.
Abdollahi lässt es täglich raus, ab fünf Uhr aus Hamburg, via Audio Now, am Vorabend von einem achtköpfigen Team produziert. Der 25-minütige Nachrichten-Podcast soll nicht nur Themen des Tages abbilden, sondern eigene Schwerpunkte setzen. Themen aufgreifen, die anderswo zu kurz kommen. Öffentliche Debatten anstoßen. Mit starker Meinung und Haltung zu Themen wie Pandora Papers oder Afghanistan, das im Chaos versinkt und „keinen kümmert’s, die Welt schaut sehr konzentriert weg“, so der Podcaster am Dienstag.
Abdollahi, in Teheran geboren. 1986 mit seiner Familie nach Hamburg gekommen, haben die dramatischen Bilder vom Kabuler Flughafen nicht los gelassen. „Wir haben eine Woche fast monothematisch über Afghanistan berichtet, mit Menschen vor Ort und mit Korrespondenten gesprochen.“
Da gebe es viel zu wenig Migranten, „lauter Norberts“
Ein Podcast in der und für die migrantische Community? Nicht nur. Aber auch hier ein Grund für seine Motivation, auf den Audioplayer zu gehen, ähnlich wie bei Linda Zervakis: „Wenn man immer sagt, die Migranten müssen sichtbarer werden, dann muss es irgendeiner halt machen.“
Er sei dabei alles andere als getrieben. „Menschen mit Migrationsgeschichte müssen einen Ticken mehr machen als andere, um weiter zu kommen. Das sagte mir neulich auch ein schwarzer Schauspieler: immer 150 Prozent geben, um auch an Rollen zu kommen, die sonst weiße Schauspieler kriegen.“
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Durchaus kontroverse Anliegen für den Podcast. Und dort ohne direkte Interaktion mit Zuhörern, wie es Abdollahi von seinen Bühnenauftritten oder Lesungen gewohnt ist. Das muss es in diesem Medium, das den Nutzer via Audioquelle/Smartphone den Tag über begleitet, auch gar nicht.
Will er die Welt zu einer besseren machen?
Um so freier ist Abdollahi in der Themenauswahl, in seinem vom „stern“ und RTL/ntv produzierten Info-Podcast und vor der Kamera: Diversität, Gespräche mit trans Personen im Bundestag wie Tessa Ganserer, Rechtsextremismus wie in seiner TV-Reportage 2015 vier Wochen in einem Nazidorf in Mecklenburg-Vorpommern, Rassismus oder Tierschutz wie zuletzt in der ARD-Doku „Planet ohne Affen“. Dazu sein Soziales Engagement mit Gewaltprävention bei Jugendlichen.
Will er die Welt zu einer besseren machen, nun auch im Modemedium Podcast? Ein Weltverbesserer sei er nicht, sagt er schnell. „Die Themen drängen sich mir auf.“ Er habe gerade die ARD-Reportage „Weißer Bundestag“ gemacht, über Migranten im Bundestag. Da gebe es viel zu wenig Migranten, „lauter Norberts“.
Der 40-Jährige staunt dann über die Kommentare auf Youtube: Die Mehrheit der Bevölkerung scheine das mit dem Missverhältnis anders zu sehen. „Ich sollte schleunigst in den Iran zurückkehren, in der Art. Sollen sie schreiben, was sie wollen.“ Man dürfe nie aufhören, auf Menschlichkeit aufmerksam zu machen.
Das hat Michel Abdollahi in seinem Podcast nun schon über 100 Mal getan. Ein Thema, glaubt er, dürfte in „heute wichtig“ in den nächsten 100 bis 200 Ausgaben noch öfters vorkommen. „Das Thema Klimawandel. Das geht jetzt erst so richtig los“.
Auch dafür kann es, siehe seinen späten Einstieg in die Podcast-Welt, nicht genug Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten geben. Die Frage, warum man sich jetzt auch noch Michel Abdollahi auf die Ohren holen sollte, hat sich geklärt.
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