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Reform der Öffentlich-Rechtlichen: Senderabbau heißt Demokratieabbau
In Zeiten von Fake News, Trollen und selbstgemachten „Info-Kanälen“ entscheidet die Politik, die Programmvielfalt der Öffentlich-Rechtlichen zu beschneiden. Ein falscher Schritt.

Stand:
Ja, es ist Zeit für eine Reform des Öffentlich-Rechtlichen-Rundfunks (ÖRR). Schon lange. Es ist zum Beispiel nicht nötig, drei ARD-Sender und zwei Info-Kanäle zu ein- und derselben Veranstaltung, Pressekonferenz oder Aufführung zu schicken, um dann in drei verschiedenen Sendern über ein- und dasselbe zu berichten.
Auch Reisen von – zum Beispiel – ARD- und ZDF-Journalist:innen rund um den Globus, die gleichermaßen von Wahlen, Fußball-WM oder Klima-Gipfel berichten, sind denjenigen, die Gebühren zahlen, nicht zu erklären. Und nicht zuzumuten. Genauso wenig wie ein Luxusleben und ebensolche Gehälter für Mann und Frau auf ÖRR-Leitungsebene. Oder die Postenvergabe nach Proporz anstelle journalistischer Kriterien.
Zeiten von Fake News und „Info-Portalen“
Es gibt viele Möglichkeiten, den ÖRR zu „verschlanken“, ein Euphemismus für den Abbau von Arbeitsplätzen und die Verringerung des Angebots. Dass bei der Ministerpräsidentenkonferenz in Leipzig ausgerechnet der Weg gegangen wurde, auf dem Information, Kultur und der Nachwuchs auf der Strecke bleiben, ist falsch.
Wann, wenn nicht jetzt, brauchen wir Aufklärung, Fakten und Wissenschaft? Wann, wenn nicht in Zeiten von Fake News, selbstgezimmerten „Info-Portalen“ und Social-Media-Propaganda?
Als die Demokratieverächter von Pegida, AfD und Schwurbler-Szene vor Jahren antraten, ihr zerstörerisches Werk zu beginnen, gehörten die Begriffe „Lügenpresse“ und „Staatsfunk“ zum kleinen Einmaleins der skandierten Demorufe. Ebenfalls beliebt und bei der Wortverschiebung ganz vorn: „Zwangsgebühr“. Nur zur Erinnerung: Die eigentliche Bezeichnung ist Rundfunkgebühr. Weil immer eine Gebühr dafür zu zahlen ist, wenn eine Leistung erbracht wird. So einfach ist das eigentlich.

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Aber wenn die Rechtspopulisten etwas können, so ist es die Umwertung von Begriffen und die Verschiebung von Sprache bis zur Nutzung des Unsagbaren. Das ist in diesem Fall nicht nötig gewesen, hat doch die demokratische Politik schon lange verstanden, dass die Wähler zu ködern sind, indem man gegen den ÖRR stänkert.
Gerade die CDU im Osten weiß das genau – erinnert sei an Reiner Haseloff, Ministerpräsident von Sachsen-Anhalt, dessen Landesregierung schon 2021 wegen der Erhöhung des Rundfunkbeitrags um 86 Cent seine Zustimmung verweigerte und den Gang der ÖRR vor das Bundesverfassungsgericht erforderlich machte. Dort bekamen sie Recht.
Pauschal auf dem Öffentlich-Rechtlichen herumzuhacken, anstatt konstruktive Kritik zu üben, ist eben einfach. Und brandgefährlich. Nichts kann den Demokratiezerstörern lieber sein, als der Abbau von Stellen beim investigativen Journalismus (MDR) oder bei Langzeit-Recherchen, die nun einmal aufwändig sind und kosten. Dafür gestatten sie auch echte Einblicke, die für die Meinungsbildung elementar sind.
So schlecht der am Freitag in Leipzig beschlossene Einschnitt in die Programme der Öffentlich-Rechtlichen ist, so schlimm ist das Votum der MPK, die Entscheidung über die Erhöhung der Rundfunkgebühr – diesmal um 58 Cent auf 18,94 Euro im Monat – in den Dezember zu verschieben.
Bleiben sie auch im Weihnachtsmonat unentschlossen, übernimmt erneut das Verfassungsgericht. Wie blamabel! Politik zu machen heißt doch, Entscheidungen zu treffen. Wobei es eine Frage der Haltung ist, ob man sich von Populisten und der nebulösen „Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern“ treiben lässt oder Verantwortung übernimmt. 18,94 Euro pro Monat! Ein Kinobesuch am Sonnabendnachmittag kostet 13,40 Euro, das Buch, das gerade den Deutschen Buchpreis erhielt, 22 und die Theaterkarte für einen Platz im mittleren Rang 32 Euro.
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