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Übernehmen dern Berliner Verlag: Silke und Holger Friedrich.

© Jens Roetzsch

Update

Neue Privateigentümer für „Berliner Zeitung“: DuMont verkauft Berliner Verlag an Unternehmerpaar

Überraschung: Die „Berliner Zeitung“ wird zukünftig von dem Berliner Ehepaar Friedrich geführt, welches bundesweit kaum bekannt ist.

Die DuMont-Mediengruppe verkauft ihren Berliner Verlag und trennt sich damit von der „Berliner Zeitung“ und dem „Berliner Kurier“. Neue Eigentümer sind die Berliner Unternehmer Silke und Holger Friedrich, wie DuMont am Dienstag mitteilte.

Seit Monaten wurde spekuliert, wer die "Berliner Zeitung" übernehmen könnte. Nun ein Berliner Ehepaar also, das bundesweit noch keine größeren Spuren hinterlassen hat: Silke, 47, und Holger Friedrich, 53, Eigentümer und Betreiber der Berlin Metropolitan School.

Über den Preis des Verkaufs, dem noch das Bundeskartellamt zustimmen muss, wurde Stillschweigen vereinbart. Bereits Ende Februar hatte die Mediengruppe angekündigt, eine Neuausrichtung ihrer Aktivitäten zu prüfen und auch den Verkauf von Unternehmensteilen nicht ausgeschlossen.

Silke und Holger Friedrich sind Neulinge im Zeitungsgeschäft. Dass DuMont an sie verkauft, ist auch ein Hinweis darauf, dass es in deutschen Verlagskreisen kein vertieftes Interesse an der Berliner Zeitungsgruppe gegeben hat. Der Madsack-Konzern („Märkische Allgemeine“), früh als potenzieller Käufer genannt, hatte ebenso so früh abgewunken, wenn das Interesse überhaupt jemals vorhanden war. Beim Kaufpreis gehen Experten von einem sehr niedrigen Erlös für DuMont aus, wenn nicht sogar ein negativer Kaufpreis für den defizitär arbeitenden Hauptstadtverlag vereinbart wurde. Heißt: Es gäbe nur eine Übertragung, DuMont würde sogar noch einen Betrag zuschießen. Zur DuMont-Gruppe gehören unter anderem der „Kölner Stadt-Anzeiger“, „Express“, „Berliner Zeitung“, „Berliner Kurier“, „Mitteldeutsche Zeitung“ und „Hamburger Morgenpost“, auch sie stehen zur Disposition..

Digitale Ausrichtung soll beibehalten werden

Silke und Holger Friedrich sehen im Fokus der künftigen Ausrichtung des Berliner Verlags die Stärkung des Unternehmensprofils und die digitale Weiterentwicklung seiner Titel, heißt es in der Pressemitteilung weiter.

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Mit der heute an die Mitarbeiter verkündeten Übernahme gehe der Berliner Verlag nach über zehn Jahren aus dem Verbund von DuMont an die neuen Eigentümer Silke und Holger Friedrich. Sie würden den Verlag in die Holding der Familie Friedrich überführen und haben sich langfristige Ziele gesetzt.

Verkauft: die "Berliner Zeitung".
Verkauft: die "Berliner Zeitung".

© dpa

Wer sind Silke und Holger Friedrich?

Über den unternehmerischen Hintergrund der neuen Eigentümer ist nicht allzu viel bekannt. Silke Friedrich hat laut Homepage der Berlin Metropolitan School nach dem Abitur und einer kaufmännischen Ausbildung an der Universität der Künste in Berlin Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation studiert. Gemeinsam mit Love-Parade-Gründer Ralf Regitz hat sie 2004 den Berliner Technoclub E-Werk neu belebt.

Holger Friedrich ist beim E-Werk auch als Geschäftsführer eingetragen. Sie und ihr Mann stehen zudem hinter der Privatschule Berlin Metropolitan School, mit über 1000 Schülern die größte internationale Schule Berlins. Silke Friedrich ist auch Leiterin der Schule.

Holger Friedrich studierte nach dem Abitur und einer Berufsausbildung Germanistik und Informatik an der Universität Potsdam. Nach seinem Studium etablierte er ein Software-Technologieunternehmen, das 2003 von SAP gekauft wurde. Von SAP wechselte er als Partner zu McKinsey & Company und nachfolgend als Vorstand zur Software AG. 2009 gründete er den Technology Think Tank CORE. Er berät Unternehmen in digitalen Fragen.

Die beiden sind verheiratet und haben drei gemeinsame Kinder.

„Wir möchten das Profil des Berliner Verlags stärken und mit einer versachlichten, faktenbasierten Berichterstattung den politischen und gesellschaftlichen Diskurs für Berlin und aus Berlin heraus bereichern“, sagt Holger Friedrich laut Dumont-Pressemitteilung. Dazu gehörten ebenso die durchgängige Digitalisierung der Angebote wie die Ausrichtung des Verlages auf zukunftsfähige Formate. „Mit konsequent digital ausgerichteten Angeboten und einer tiefgehenden Aufarbeitung gesellschaftlich relevanter Themen, möchten wir ein breiteres Publikum ansprechen und mit den Lesern stärker in Kontakt treten, als dies bisher der Fall ist.“

Sie sind „Berliner“

Das Ehepaar Friedrich stellte sich am Dienstagmorgen auch der Redaktion an der Alten Jakobstraße vor. Teilnehmer zeigten sich "angenehm überrascht". Silke und Holger Friedrich hätten nicht den Eindruck vermittelt, sich hier kurzfristig zu engagieren, um dann den Verlag zu "verschrotten". In ihren konzeptionellen Absichten seien sie den Aussagen in der Pressemitteilung gefolgt. Besonders erfreulich, so die Teilnehmer des Gesprächs, sei es gewesen, dass sich die beiden als "Berliner" vorgestellt hätten. Im Outfit, im Habitus, in der Ansprache. Für die Redakteurinnen und Redakteure habe sich der Eindruck eingestellt, dass ihre Zukunft mit den Friedrichs erfreulicher sein könnte als mit einem "Käufer, der gleich fünf Manager im Schlepptau hat". Das Ehepaar rechnet damit, dass es noch im Herbst mit seinem Engagement tatsächlich beginnen werde.

Ich finde das Engagement der Beiden zwar erstaunlich, da das Risiko enorm ist. Aber es ist absolut begrüßenswert. Ich glaube, Zeitungen wie diese, die einen gewissen Anspruch haben, gehören nicht in große Konzerne, in denen keine Individualität vorherrscht.

schreibt NutzerIn fairplay180

Die "Berliner Zeitung" verliert seit Jahren rasant an Auflage, hat zurzeit knapp über 83.000 verkaufte Auflage, ein Verlust von zehn Prozent zum zweiten Quartal 2018. Zum Vergleich: Der Tagesspiegel verkauft 112.353 Exemplare.

Medienexperte sieht positive Aspekte

Medienexperte Michael Haller sieht das Zeitungs-Engagement der Familie Friedrich positiv. „Das ist eine interessante, auch mutmachende Entwicklung. Denn wenn Stadtteilzeitungen (Ostberlin) wie die ,Berliner Zeitung' und wie der ,Kurier' noch eine Zukunftschance haben, dann wohl nur durch einen innovativen und kreativ agierender Unternehmer, der nicht Investor, sondern ein ,Weiterdenker' ist und Crossmedialität, offline und online, zu gestalten versteht.“

Bemerkenswert sei auch, dass es den neuen Verlegern auf Substanz ankommt und sie ihren Medien zu einer stärkeren publizistischen Stimme verhelfen wollen. „Das ist doppelt erfreulich, nachdem der Verlag der  ,Berliner Zeitung' in den vergangenen 15 Jahren von den Investoren heruntergewirtschaft worden ist.“

Um aus den Zeitungen des Verlags ein attraktives crossmediales Angebot und Online-Dienstleister zu machen, bräuchte es allerdings einen längeren Atem, so Haller weiter. „Man möchte hoffen, dass der bisherige Eigentümer DuMont den neuen Verlegern für diese mehrjährige Phase finanzielle Unterstützung zugesagt hat oder sich ein finanzstarker Partner noch findet. Noch immer müssen ja rund 50.000 Abonnenten täglich mit der Zeitung bedient werden, müssen die Pläne für den Aufbau einer funktionierenden News-Redaktion umgesetzt, sollte dem Boulevardblatt ,Kurier' ein tragfähiges Konzept verpasst werden.“ Sonst drohe dem Blatt die Abwicklung. 

Journalistenverbände begrüßen Eigentümerwechsel

DJV Berlin und Journalistenverband Berlin-Brandenburg (JVBB) begrüßen den Verkauf des Berliner Verlags an das Berliner Unternehmer-Ehepaar Silke und Holger Friedrich. Nach einer langen Hängepartie und massiven Personalkürzungen unter der Ägide der Verlagsgruppe DuMont gebe es für Belegschaft und Leserschaft endlich eine neue Perspektive, heißt es in einer Pressemitteilung. Der JVBB-Vorsitzende Christian Walther sagte, "besser unternehmerisches Geschick gepaart mit bürgerschaftlichem Engagement als verlegerische Phantasielosigkeit, wie sie DuMont leider zuletzt jahrelang bewiesen hat.“ Der Vorsitzende des DJV Berlin, Bernd Lammel, ergänzte: „Als Gewerkschaften erwarten wir, dass die neuen Eigentümer verantwortungsvoll den Traditionstitel durch den Medienwandel führen, ihr unternehmerisches Geschick auf den Berliner Verlag übertragen und damit die Ungewissheit für die Mitarbeiter ein Ende hat.“

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