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Zeigen, wie sie sind. Merve Kayikci (r.) hat mit Katrin Rönicke einen Podcastwettbewerb gewonnen. Das Format „Maschallah!“ wird vom Streamingdienst Deezer getragen.

© Privat

Porträt von Merve Kayikci: Ein Podcast speziell für Muslime

Ungewohnte Einblicke mit einer Wettbewerbssiegerin: Merve Kayikci produziert den ersten Podcast speziell für Muslime.

Jeder hat das schon mal erlebt, beim Nachdenken über Sprache: wie sich ein Begriff mehr und mehr ins Gehirn bohrt und mit Bedeutung auflädt. „Mashallah!“ ist so ein Wort. Ein arabischer Ausruf, der auf Deutsch „Wie Gott wollte“ oder „Wie es Gott beliebte“ bedeutet. In dem Sinne lässt sich der Ausruf mit „großartig“ übersetzen, er wird in der Regel verwendet, um Dank, Anerkennung und Freude für eine Person oder ein Ereignis auszudrücken. Viel Semantik also. Verheißungsvoller konnte Merve Kayikci ihren Podcast nicht nennen, mit dem sie im Mai den von Deezer und der re:publica ausgeschriebenen Wettbewerb „Originals gesucht“ gewonnen hat.

Seitdem ist die 24-Jährige in Sachen Podcast unterwegs. Podcasts haben einen neuen Boom des Geschichtenhörens ausgelöst, fiktional, dokumentarisch, als Ratgeber. Ständig werden neue Formate befördert. Umso erstaunlicher, dass dabei noch keine Produktion für Muslime herausgekommen ist, ähnlich dem, wie es Constantin Schreiber mit der deutsch-arabischen Sendung „Marhaba – Ankommen in Deutschland“ fürs Fernsehen gemacht hat. Nun also „Maschallah!“ – in der Eindeutschung ist ein Buchstabe hinzugekommen –, dabei will Merve Kayikci mit Klischees brechen, indem sie Muslime aus dem Alltag erzählen lässt.

Kopftuch, geschminkt, stylishe Kleidung – wenn man Merve Kayikci gegenübersitzt und sie erzählen hört, vermittelt sich dieses Gefühl: in beziehungsweise zwischen zwei Welten zu sitzen. „Ich trage immer Kopftuch, ich finde aber auch, dass man ohne Kopftuch eine gute Muslimin sein kann.“ Sie zeige mit ihrem Outfit, dass sie Westeuropäerin, Deutsche ist. Dass sie in beiden Welten lebe, in Mühlacker geboren.

„Ich bin stolze Baden-Württembergerin. Als Muslim in einer Region lebend, die nun nicht gerade von Moscheen geprägt ist, bekommst du einen anderen Zugang zu deinem Glauben und zur deutschen Gesellschaft.“ Bekannt wurde sie 2013 mit dem Blog primamuslima. Später hat sie Journalismus in Stuttgart studiert, geschrieben für „Spiegel online“ und „Politico“. Derzeit absolviert Merve Kayikci in Aarhus ein „Europe in the world“-Programm, ist aber hauptsächlich in Deutschland unterwegs, um bis zum Starttermin im Herbst den Muslim-Podcast für Deezer fertigzustellen.

Vorschläge für interessante Männer wären gut

Die Kosten werden, über das Preisgeld von 5000 Euro hinaus, vom Streamingdienst getragen. Sie sucht Themen und Gäste. Diese seien bislang „leider alle weiblich“. Vorschläge für interessante Männer wären gut. „Ich kenne natürlich nicht alle Muslime in Deutschland, mir ist es wichtig, ihre Vielfalt abzubilden.“ Sie wolle dabei auch über „unerhörte Sachen“ sprechen, über Vegan-Sein oder über Sexualität. „Aber nicht aus einer Empörungsperspektive. Ich möchte nicht, dass jetzt alle Muslime anfangen, ihre wilde Seite zu entdecken. Sie sollen sich so zeigen können, wie sie sind.“

Klar, professionell soll es natürlich auch sein. Deezer will einen guten Podcast haben. Dafür steht Katrin Rönicke, die Produzentin, sehr podcast-erfahren. Merve ist für die Inhalte verantwortlich. „Ich bin sehr gut vernetzt, via Facebook, Instagram und Twitter mit 5000 Followern. Aber bei den meisten ist diese Brille schon da. Meine Aufgabe ist es, die Brille abzulegen und nicht die Leute zu befragen, die schon von 30 Journalisten befragt wurden.“

Ihre Podcast-Hörer, Muslime und Nicht-Muslime, sollen mitbekommen, dass Muslime genauso facettenreich sind wie andere Menschen. „Wir wollen Menschen eine Bühne geben, die über Sachen sprechen, die sie normalerweise nicht gefragt werden.“ Cem Özdemir zum Beispiel sei schon oft interviewt worden. „Zum Thema Türkei würde ich mit ihm nicht reden, eher darüber, ob er wirklich Muslim ist oder nicht, und welche Rolle Religion in seinem Leben spielt.“

In gewissem Sinne ist das dann auch Fortbildung für Kollegen. Sie habe in ihrem Blog öfters schon Journalisten kritisiert wegen ihrer Berichterstattung über Muslime. „Die fragen mich dann: ,Wie sollen wir es denn machen?’ Dann sage ich: ,Macht's einfach normal.’ Oder demnächst: ,Höre dir meinen Podcast an, dann siehst du, wie man es richtig macht.’“

Sie lacht, ist schon wieder auf dem Sprung. Merve Kayikcis Stimme ist gefragt, nicht nur im „Maschallah!“-Podcast. Am Wochenende debattierte sie auf dem Evangelischen Kirchentag in Dortmund mit. Das Thema: „Der Islam gehört zu Deutschland.“

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