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Etwas zu plakativ: Der Film über den österreichischen Sportskandal um Erika Schinegger (Markus Freistätter) lässt Zwischentöne nicht zu.

© SWR/ORF/Felipe Kolm

Fernsehfilm „Einer wie Erika“: Anders als die anderen

Leider etwas plakativ: ARD-Film „Einer wie Erika“ über die österreichische Ski-Weltmeisterin, die ein Mann war.

Nachdem Erika Schinegger 1966 in Chile Ski-Weltmeisterin wurde, trägt man die 18-Jährige auf den Schultern durch die Straßen ihres Heimatortes in Kärnten. Das ganze Dorf ist auf den Beinen – aus Stolz, aber wohl auch in der Hoffnung auf ein gutes Geschäft mit den Touristen, die hoffentlich bald ins „Skigebiet der Weltmeisterin“ kommen werden.

Allerdings ist es bald mit der „Weltmeisterin“ vorbei, und beim nächsten Mal kehrt nicht Erika, sondern Erik Schinegger heim – als Mann, der er immer gewesen ist. Im Dorf empfängt man ihn mit eisiger Kälte. „Betrüger“ und „Missgeburt“ wird getuschelt.

Die Geschichte des intersexuellen Stars, der sich erst durch den sogenannten „Sex-Test“ vor den Olympischen Spielen in Grenoble 1968 seiner eigenen Geschlechter-Identität bewusst und dessen Sport-Karriere durch Ränkespiele des Österreichischen Ski-Verbands beendet wurde, ist nicht erfunden. Im Abspann des vom SWR koproduzierten ORF-Films „Einer wie Erika“ lernt man den echten Erik Schinegger kennen, der in seinem Heimatort geblieben ist, geheiratet hat und Vater wurde. Bereits 1988 erschien seine Autobiografie („Mein Sieg über mich“), und vor einigen Jahren nahm er an der österreichischen „Let's Dance“-Variante „Dancing Stars“ (ORF) teil.

[„Einer wie Erika“; ARD, Mittwoch, 20 Uhr 15]

Im Film wird er mit einer heutzutage befremdlich wirkenden Naivität von Markus Freistätter gespielt. In den 1960er Jahren war der eigene Körper noch eine Art fremdes, gefährliches Territorium. Die eigenen Geschlechtsorgane zu berühren, galt als Sünde, und das Geschlecht als soziales Konstrukt zu analysieren, kam vielleicht Simone de Beauvoir in den Sinn, aber sicher nicht einer katholischen Familie auf einem Kärntner Bauernhof.

Bei Erik Schinegger schien die Sache von Anfang an irgendwie nicht eindeutig zu sein, weshalb die Hebamme dem Neugeborenen verwirrt zwischen die Beine blickt, dann aber wohl mangels klar männlicher Erscheinungsformen entscheidet, es müsse ein „Maderl“ sein. Der Vater (wieder einmal großartig: Gerhard Liebmann) schlägt ärgerlich die Tür zu, weil er schon eine Tochter hat, wird aber auf seine schweigsame, ruppige Art immer zu seinem Kind stehen.

Männliches Rollenverhalten im Vordergrund

Wie auch die Mutter (Birgit Melcher), die allerdings früh an der Geschlechtsidentität des Kindes zweifelt, denn das vermeintliche Mädchen rennt unentwegt, rührt die Puppen nicht an und nimmt stattdessen den Traktor mit ins Bett. Drehbuch (Dirk Kämper) und Inszenierung (Reinhold Bilgeri) stellen typisch männliches Rollenverhalten derart in den Vordergrund, als wäre allein dies schon der eindeutige Beweis für den Irrtum der Hebamme – was ziemlich altbacken wirkt, auch wenn es gewiss in die Vorstellungswelt der 1960er Jahre passt.

An stereotypen Geschlechter-Konstruktionen rüttelt der Film jedenfalls nicht gerade. Bevor Erik operiert wird, damit die nach innen gewachsenen Geschlechtsorgane außen zum Vorschein kommen, wünscht er sich, was sich Männer so wünschen: „A bisserl groß sollte er halt sein.“ Und kaum dass Erik endlich Mann sein darf, gibt er im Porsche richtig Gas und macht sich über die „Weiber“ lustig.

Zuvor aber wird ihm übel mitgespielt, wobei Regisseur Bilgeri mit wenig Zwischentönen arbeitet, sondern eher mit voller Kapelle. Das gilt sowohl für die musikalische Begleitung als auch für die zumeist schematischen Figuren. „Einer wie Erika“ erinnert somit leider etwas plakativ an einen veritablen Sport-Skandal im Ski-verrückten Österreich, der zugleich ein Sittenbild der Vor-68er-Zeit ist. Die Bösewichte im Spiel sind die Sport-Funktionäre und Geschäftsleute, die sich erst im Glanz der Weltmeisterin sonnen, um Erik dann zum Rücktritt und sogar zu einer feminisierenden Operation zu drängen. Das Kalkül: Wenn Erik doch noch „ein anständiges Frauenzimmer“ wird, wäre sein zuvor erfolgter Start im Frauenteam weniger skandalös.

Der naive Jüngling, den die Geschlechtsprüfung aus allen Wolken fallen lässt, wird vom nationalen Helden zur tragischen Figur. Während hinter verschlossenen Türen und mit schmutzigen Tricks um seine Zukunft gerungen wird, hadert Erik mit seiner Identität. Er wird vor den Reportern in einem katholischen Krankenhaus versteckt, wo er in Schwester Sigberta (Marianne Sägebrecht) eine mütterliche Freundin findet. Auch ein aufgeklärter Arzt (Harald Schrott) und die resolute Sekretärin des Ski-Verbands mit dem wunderbaren Namen Liesel Sumatra (Ulrike Beimpold) helfen, der Geschichte eine Wende zum Guten zu geben.

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