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Seit 20 Jahren ein Team: der Rechtsmediziner Prof. Karl-Friedrichs Boerne (Jan Josef Liefers, links) und Kommissar Frank Thiel (Axel Prahl).

© WDR/Martin Valentin Menke

Freundschaft, Liebe, Mafia: 20 Jahre „Tatort“ Münster – Boerne kuschelt, Thiel beißt

Der „Tatort“ aus Münster feiert sein 20-jähriges Bestehen mit einer turbulenten Episode, Splitscreens und etwas Neigung zum Kitsch.

Es ist einiges los beim „Tatort“ in Münster: Boerne ist verkatert und unglücklich verliebt. Er verheimlicht der Polizei eine Entführung und wird von Thiel zu allem Überfluss noch in die Hand gebissen. Anwälte werden erschossen, gekidnappt oder leiden unter einem Burn-out. Der örtliche Mafia-Boss ist dem Kitsch verfallen und muss den tragischen Verlust einer frisch restaurierten David-Statue verkraften.

Um Koks-Konsum und Kryptowährung geht es auch noch in der 42. Episode mit Rechtsmediziner Prof. Dr. Dr. Karl-Friedrich Boerne und Hauptkommissar Frank Thiel. Das populäre „Tatort“-Duo ist gerade 20 Jahre alt geworden und würde vermutlich noch 20 Jahre weiter frotzeln, wenn das die Darsteller Jan Josef Liefers (58) und Axel Prahl (62) altersmäßig nicht doch etwas überfordern könnte.

Zum Jubiläum serviert der WDR im Ersten eine Folge mit dem Titel „Ein Freund, ein guter Freund“, wobei die Anleihe an dem fast 100 Jahre alten, zur Redewendung geronnenen Schlager-Ohrwurm eine doppelte Bedeutung hat. Denn neben dem gewohnten, niemals böswilligen Schlagabtausch mit „Buddy“ Thiel hat sich Drehbuch-Autor Benjamin Hessler für Boerne noch eine weitere, in Kindheit und Jugend zurückreichende Freundschaftsgeschichte ausgedacht.

Mit Rechtsanwalt Friedhelm Fabian, dargestellt von Schauspieler und Impro-Regisseur Jan Georg Schütte („Kranitz“, „Für immer Sommer 90“), hat Boerne schon die Schulbank gedrückt.

Schütte verleiht seinen Figuren gerne eine irritierende Form von Hässlichkeit. Aber während man den ganzen Film über befürchtet, Fabians schreckliche Perücke könne dem Ärmsten jederzeit vom Schädel rutschen, ist der Mann keineswegs eine Witzfigur, sondern ausgesprochen erfolgreich.

Auch bei den Frauen. So hat er Boerne bei Veronika (Proschat Madani), der immer noch unerfüllten Sehnsucht des Rechtsmediziners, ausgestochen. Die Fabians wollen nun nach Mittelamerika auswandern und geben in ihrer mondänen Villa eine Abschiedsparty, bei der Boerne eine ziemlich peinliche Rede hält.

Am nächsten Morgen wird ein anderer Rechtsanwalt, Nikolaus Weber (Hadi Khanjanpour), in seinem keineswegs mondänen Büro erschossen aufgefunden. Man sah ihn in der Eingangsszene schwitzen, denn Nino Agostini (Claudio Caiolo) war zu Besuch. Der Mafia-Boss hatte seine Unzufriedenheit mit dem Advokaten mit einem gezielten Wurf einer Metallkugel auf Webers Aquarium zum Ausdruck gebracht.

Das Wasser beginnt auszulaufen, doch während der Anwalt die Nacht nicht überlebt, werden die beiden Goldfische rechtzeitig in einen Eimer mit Wasser umquartiert. Dank Thiels tierliebem Assistenten Mirko Schrader (Björn Meyer) gibt es nun womöglich zwei neue, ungewohnt stumme Maskottchen im redseligen Münster-Universum.

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Boerne sieht man in diesem Fall ungewohnt nahbar, als verhinderten Liebhaber Veronikas, die um ihren entführten Mann bangt. Friedhelm Fabian wird beim Spaziergang mit Hund niedergeschlagen und findet sich in einem verschlossenen Raum wieder, der in einer Szene ein unheimliches Eigenleben entwickelt. Eine schöne Idee, die leider nicht weiter verfolgt wird. Derweil gibt Boerne den selbstlosen Samariter, der Veronika zu Hilfe eilt.

Ein bisschen Kuscheln für Boerne

Es kommt beinahe zum Äußersten: Veronika legt Prince auf, und es knistert nicht nur der Plattenspieler. Eng umschlungen tanzen Boerne und die Angebetete zu dem Song „Sometimes it Snows in April“ – ein selten romantischer Moment in Münster, wo die beiden männlichen Helden ihr Dasein nach gescheiterten Ehen seit jeher in Single-Haushalten fristen.

Mehr als ein bisschen Kuscheln ist für Boerne aber nicht drin, und der Anflug von Wahrhaftigkeit verpufft leider in einem arg kitschigen Finale.   

„Die Balance zwischen Komödie und Krimi zu finden“, sei die größte Herausforderung beim „Tatort“ aus Münster, sagt Janis Rebecca Rattenni zu Recht. Das ist der jungen Regisseurin im Jubiläumsfall über weite Strecken durchaus gelungen, wobei es in Münster weniger auf Tiefe der Figuren ankommt, sondern auf Originalität und Timing.

So wirkt das schon tausendfach bemühte Klischee eines Mafiabosses zu Beginn abgestanden und wenig bedrohlich, aber in der aufgedonnerten Kulisse seiner Familien-Villa wird dieser westfälische Don Corleone immerhin zu einer tragikomischen Figur. Und auf das schauspielerische Timing von Liefers und Prahl sowie ihrer „Sidekicks“, insbesondere ChrisTine Urspruch als Boernes schlagfertiger Assistentin Silke „Alberich“ Haller, ist ohnehin Verlass.

Die 1983 in Italien geborene Kölnerin Rattenni hatte als Elfjährige ihren ersten Auftritt vor der Kamera bei „Unter uns“ und spielte zehn Jahre lang in der RTL-Soap die Anna Weigel, ehe sie selbst ins Regie-Fach wechselte.

Mit „Ein Freund, ein guter Freund“ gibt Rattenni nach Einsätzen bei verschiedenen Krimi-Reihen ihr „Tatort“-Debüt und greift dabei ziemlich auffällig auf die Splitscreen-Technik zurück. Das ist nicht gerade der letzte Schrei, passt aber ganz gut zum Charme der nun auch schon in die Jahre gekommenen Münsteraner. „Tatort – Ein Freund, ein guter Freund“, ARD, 13. November, 20 Uhr 15

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